Hiob 14, 1-6, 13, 15-17
Gottesdienst am 16. November 2025 – Volkstrauertag | Kinder-Gedenken und –Gedanken (optional) | Hiob 14, 1-6, 13, 15-17 | Bert Hitzegrad |
Im Totengedenken zum Volktrauertag heißt es: „Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg an Kinder, Frauen und Männer aller Völker …“
Ich möchte heute das Gedenken an die Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt rücken, denn Kinder sind oft diejenigen, die am Leid am schwersten zu tragen haben. Geschätzt zwei Millionen kamen im 2. Weltkrieg ums Leben, starben durch Hunger, Gewalt, Krankheiten, Unfälle, Erschöpfung. In der Ukraine sind mindestens 738 Kinder als Opfer zu beklagen.
Die Zahlen sind abstrakt. Zwei Beispiele aus em letzten Wochen des 2, Weltkrieges sollen zeigen, wie wenig ein Menchenleben,gerade auch das eines Kindes, wert war
Während der Shoah wurden 20 jüdische Kinder, zehn Mädchen und zehn Jungen, zusammen mit ihren Familien in das Konzentrationslager Auschwitz im deutsch besetzten Polen deportiert. Die Kinder stammten aus Polen, Frankreich, Italien, den Niederlanden und der Slowakei. Sie waren zwischen fünf und zwölf Jahre alt.
Am 28. November 1944 wurden die Kinder von Auschwitz in das Konzentrationslager Neuengamme in Hamburg gebracht. Nach ihrer Ankunft in Neuengamme führte ein SS-Arzt pseudomedizinische Experimente an ihnen durch.
Im April 1945 näherte sich die britische Armee Hamburg. Am 20. April 1945 wurden die zwanzig jüdischen Kinder in den Keller einer ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm gebracht. Dort wurden sie mit Morphin betäubt und an Haken an der Wand aufgehängt, während sie noch schliefen.
Um jegliche Beweise für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beseitigen, ermordeten die Nazis auch vier der Betreuer der Kinder und mindestens 24 sowjetische Gefangene.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellt dazu fest:
„Unter den zahllosen Verbrechen, die Deutsche während der nationalsozialistischen Herrschaft begangen haben, sind die Morde im Keller der Schule am Bullenhuser Damm eine besonders abscheuliche, erschütternde und unfassbare Tat. […] Die Trauer um die Toten vereint uns. Doch sie verpflichtet uns Deutsche auch. Sie verpflichtet uns, nicht zu vergessen, was geschehen ist und wobei so viele mitgemacht haben. Viel zu lange wurde diese Schuld verschwiegen, verdrängt und vergessen gemacht.“
In Kriegen und bewaffneten Konflikten sind Kinder und Jugendliche besonders bedroht. Sie verlieren häufig Schutz und Geborgenheit von Familie und Freunden sowie Haus und Heimat. Schon in jungen Jahren erleben sie Hunger, Flucht, Gewalt und staatliche Unterdrückung. Unter den körperlichen und geistigen Verletzungen, die sie im Kinder- oder Jugendalter erfahren haben, leiden viele Menschen ein Leben lang.
Dazu eine Erinnerung aus unserer Familie als 2. Beispiel.Unsere Tante Luschi bekam noch im Februar 1945 ihr fünftes Kind. Zur Geburt begab sie sich ins Krankenhaus in Treptow, Hinterpommern
„Auf dem Flur des Krankenhauses in Treptow kamen ihr starke Zweifel, ob die Entscheidung richtig gewesen war, in dieses Krankenhaus zu gehen, denn was sich dort in der Nacht um 14. zum 15. Februar 1945 abspielte muss entsetzlich gewesen sein. Luise nannte es ungeheuerlich wollte, aber nicht weiter darüber reden. Am nächsten Morgen war sie Gott sei Dank erlöst: Sie hatte ein Kind im Arm, einen Jungen, der Ulf heißen sollte. In ihren Aufzeichnung ist dazu zu lesen: „Am 15.02 1945 wurde Ulf in Treptow geboren, kräftig und gesund. Die Hebamme gab ihn mir mit den Worten: Da haben sie ihn, nun werfen Sie in den nächsten Chausseegraben. Was soll man zu diesen für eine Hebamme untypischen und unwürdigen Worten sagen? Sie können nur aus Frust und Verzweiflung angesichts all des furchtbaren Elends jener Tage gesagt worden sein. Rund um die Uhr kleine hilflose Menschen auf die Welt zu bringen, die vielleicht wenig später auf dem Treck erfroren oder verhungert Straßenrand liegen blieben, dieser Tatsache konnte die Hebamme wohl nur noch mit Sarkasmus begegnen.“
Ulf ist später Pastor geworden – vielleicht findet sich daran ein Stück Dankbarkeit wieder. Unsere Tante Luschi war in meinen Augen immer eine ernste Frau.
Predigt zu Hiob 14, 1-6, 13, 15-17
„Gnade sei mit uns und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus!“
Verlesen des Predigttextes
Was ist der Mensch, von einer Frau geboren? Nur kurz ist sein Leben und doch voller Unruhe. Er blüht auf wie eine Blume, doch bald verwelkt er wieder und ist plötzlich fort, als wäre er nicht mehr als ein Schatten. Du aber lässt ihn trotzdem nicht aus deinen Augen und zerrst ihn vor dein Gericht. Du musst doch wissen: er ist unrein und es wird niemals etwas Reines von ihm ausgehen. Trotzdem bestimmst du im Voraus die Zahl seiner Tage und Monate und setzt ihm eine Grenze für sein Leben. (So bitte ich dich:) Blicke weg von mir und schenke mir Ruhe. Gönne mir das bisschen Lebensfreude, das mir geschenkt ist. … Oder bring´ mich ins Totenreich und verstecke mich dort, bis dein Zorn sich legt. Bestimme, wie lange ich warten muss, bis du mir deine Güte wieder zeigst. … Dann könntest du mich rufen und ich würde dir antworten. Dann würdest du wieder Freude haben an dem Werk deiner Hände. Dann würdest du alle meine Schritte zählen, aber nicht mehr eine Liste führen über meine Sünden. Für immer würdest du die Schuld verschließen und decktest alle meine Fehler zu.
(GNB Hiob 14, 1-6, 13, 15-17)
- Kinder
_________________ ein sehr persönlicher Einstieg
Liebe Gemeinde!
Am 29. Oktober ist Elijah Theo geboren. 3284 Gramm, die die Welt verändern. Seine Eltern dürfen das neue Glück gemeinsam genießen. Der große Bruder, Jonathan, geht liebevoll mit ihm um, auch wenn er jetzt die Liebe der Eltern mit dem kleinen Erdenbürger teilen muss! Und wir, die Großelter, sind ganz stolz: Uns wurde das zweite Enkelkind geschenkt.
Und wie alle Großeltern sage ich als Großvater: „Wenn ich gewusst hätte, wie schön es mit Enkelkindern ist, hätte ich gleich damit angefangen!“
__________________ ein allgmein gehaltene Einstieg
Liebe Gemeinde!
In Deutschland wurden im Jahr 2023 pro Tag 1899 Kinder geboren, im Jahr insgesamt gut 700.000. Der Trend, dass weniger Kinder geboren werden, setzt sich damit fort. Bei 2636 Sterbefällen pro Tag ist das Verhältnis nicht ausgeglichen. Für jede Familie, die ein Kind erwartet, ist es ein Glück, dass das Kind gesund zur Welt kommt und fortan den Ryhthmus der Familie bestimmt.
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Kinder sind Hoffnungsträger für eine Welt, die manchmal so hoffnungslos erscheint. Kinder sind am Anfang des Lebens noch so unschuldig. Sie werden in eine Welt hineingeworfen, in der man jeden Tag schuldig wird. Kindern haben aber auch die große Chance, diese Welt und uns zu verändern. Kinder fragen, hinterfragen, was uns so selbstverständlich geworden ist und sind mit einfachen Antworten nicht zufrieden. Kinder schenken uns aber auch ihr Vertrauen, legen ihre kleine Hand in unsere großen Hände und wollen mit uns gemeinsam den Schritt ins Leben gehen.
- Was ist der Mensch?
„Was ist der Mensch, von einer Frau geboren?“ so lautet die Frage, die Hiob im heutigen Predigttext stellt. Die Antwort, die er für sich gefunden hat, ist zunächst voller Bewunderung für das Geschöpf Gottes: „Er blüht auf wie eine Blume“. Der Mensch, als Ebenbild Gottes, ausgestattet mit Gaben und Begabungen, die am Anfang des Lebens noch gar nicht offen liegen, entdeckt und entfaltet werden müssen, um zu blühen wie eine Blume. Stolz und aufrecht steht sie da, selbstbewußt und in sich verliebt. Von Gott ins Leben gerufen und doch frei und ungebunden. Der Mensch, der mit seinen Sinnen und seinem Verstand die Welt erobert – mit oder ohne Gott, bis er spürt, dass er sein Leben doch nicht in Händen hält, bis die Blume verwelkt und nichts und niemand die Vergänglichkeit aufhalten kann …
III. Vergänglichkeit
Auch das ist Teil der Lebenswahrheit: dass wir mit dem Ende leben müssen. Auch Kinder sterben, ohne dass sie das Leben tatsächlich kennenlernen durften. Das Fallen der Blätter, die Tage jetzt im November führen es anschaulich vor Augen: das Leben hier wird nicht ewig sein. „For ever young“ hat die Grupppe Alphaville 1984 gesungen und diesen Wunsch gleich selbst in Frage gestellt.
IV.Volkstrauertag
Heute, an diesem Volkstrauertag, erinnern wir aber nicht nur an die natürliche Vergänglichkeit und Begrenztheit des Lebens, sondern dass Menschen einander die Grundlagen für ein Leben in Frieden und Sicherheit rauben. Wir denken heute nicht nur an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Frau und Männer und Kinder. Wir denken nicht nur an die unzähligen Opfer beider großen Kriege, wir denken auch an die Menschen, deren Leben heutzutage bedroht ist durch gewaltsame Auseinandersetzungen, Terrorismus, Hass und Flucht… Wir blicken nicht nur zurück, wir schauen auch nach vorn.
In welch eine Welt wurde der kleine Elijah hineingeboren?
Eine Welt, die nach vielen Jahren des Friedens und der stabilen Ordnung in Unordnung geraten ist. 80 Jahre Frieden haben anscheinend nicht gereicht, um einen Gefallen daran zu finden? Was wird das Leben bestimmen in den nächsten Jahre? Es gibt düstere Prognosen für eine Welt, in der Gewalt und Aggressionen zunehmen. Wie werden unsere Kinder und Enkel aufwachsen und wie werden sie sich für den Frieden einsetzen? Werden sie mit 18 einer Wehrpflicht nachkommen müssen? Wird das Säbelrasseln auf dieser Erde so weitergehen, bis, ja bis wann?
- Mitleiden – Mitleid
Das Bild eines Kindes macht mir den derzeitigen Wahnsinn deutlich, ein Kind, das auf eine große Zukunft hoffte, ein Hoffnungsträger, der nicht leben durfte. Sie werden sich an das Foto erinnern: ein kleiner Junge, drei Jahre alt, bekleidet mit einer kurzen blauen Hose und einem roten T-Shirt bekleidet liegt mit dem Gesicht im Sandstrand, auf syrischer Junge auf der Flucht gestorben ist, Alan Kurdi sollte Freiheit spüren, aber durfte nicht leben. 10 Jahre ist es her als er mit seiner Familie zur Flucht über das Mittelmeer aufbrach. Er wäre jetzt ein Teenager, der die Welt erobert. Warum hat Gott nicht schütztend seine Hände über ihn gehalten, warum nicht seinen rettenden Engel gesandt?
- Hiob
Warum lässt Gott solch ein Leid zu? Das Buch Hiob versucht eine Antwort zu geben.
Allerdings: Einen Sinn zu finden in den dunklen Leiden der gesamten Schöpfung, das will nicht gelingen
Hiob, so wird berichte, lebt in Frieden, seine Nachbarn schätzen ihn, er liebt seine Familie über alles, er hat es zu etwas Wohlstand gebracht, den er nicht nur für sich behält, sondern auch mit anderen teilt. Ein gesegneter, von Gottes Gnade reich beschenkter Mensch. Doch da kommt eine Hiobsbotschaft nach der anderen: Durch ein Unwetter ist die Ernte vernichtet, alle seine Kinder sind ums Leben gekommen, die Vorräte verbrannt, dazu sein ganzer Körper geschunden von Krankheit. Wie ein schlechter Film. Schlimmer geht es nicht.
Doch, denn es geht weiter in der Kategorie Drama: Über Hiobs Kopf hinweg verhandeln Gott und dern Satan über sein Leben. Der Widersacher will Hiob dazu bringen, Gott ins Gesicht zu fluchen. An Hiobs Leiden soll sich sein fester Glaube zeigen. offenbaren. Tagelang sitzt er im Staub mit seinen Freunden: Sie schweigen, sie klagen, sie erklären. „Du musst gesündigt haben, weil Gott Dich so straft.“ Doch Hiob, der einst Gesegnete, bleibt treu bei seinem Gott – und ahnt, dass er auch im Leiden unter diesem Segen bleibt.
VII. Gott an unserer Seite
„Ich glaube nicht an Gott, denn ich habe schon soviel Schreckliches erlebt!” Wie oft sind solche Worte, solche Bekenntnisse zu hören: „Einen ‘lieben Gott’ in allem Unrecht und Leid der Welt kann es nicht geben!” Hiob vertraute dagegen bedingungslos, auch wenn er erleben musste, dass Gott über unsere Gerechtigkeit und über unsere Antworten erhaben ist.
Ich gestehe: ich bin kein Hiob. Ich habe diesen starken Glauben nicht, der sagen kann. „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen … (Hiob 1,21) Der Blick in diese Welt macht mir Sorgen; das Denken an meine eigene Vergänglichkeit ängstigt mich; über dem Leben meines Enkels steht ein großes Fragezeichen …Doch in all dem bin ich nicht allein. Nicht die falschen Freunde mit ihren Versuchen, die Welt zu erklären oder mit Trost, der mur vertröstet: „Es ist doch alles nicht so schlimm!“ – sie sind mir keine Stütze und keine Hilfe.
Licht ins Dunkel bringt wieder ein Kind, Hoffnungsträger für diese Welt.
VIII. Das Licht kommt in die Finsternis
Bald werden wir ihn wieder hören den freudigen Ruf der Weihnachtsbotschaft: Ein Kind ist uns geboren .. und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende! (Jes 9)
.Er ist in diese Welt gekommen, hinein in die Schicksalsschläge, hinein in Leiden und Sterben – hinein in den Kessel von Stalingrad, auf die Krebsstationen unserer Krankenhäuser, hinein in die Familie, die um ihr Kind trauert. „Das Reich Gottes ist mitten unter uns!” so betont Jesus es immer wieder. Es hat längst begonnen. Und Gott ist gerade dort, wo Leiden und Trauer und Tod uns das Vertrauen und die Hoffnung nehmen wollen. Das Kreuz von Golgatha ist ein Ort des Leidens, des Mitleidens, ein Ort der Sympathie Gottes mit uns Menschen.
Ich hoffe, unsere Kinder und Enkel werden das spüren und wahrnehmen, damit sie Mut und Vertrauen haben, das Leben zu wagen, aber auch eine Idee oder eine Vision leben, damit Frieden werde.
„Was ist der Mensch, von einer Frau geboren? Nur kurz ist sein Leben und doch voller Unruhe – bis er Ruhe und Frieden findet, bei Dir, mein Gott“ Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben. Amen
—
P.i.R.
Bert Hitzegrad,
Am Südbruch 5
29348 Eschede