
Jakobus 2, 14-26
Braucht der Glaube Werke? | 18. Sonntag n. Trin. | 19.10.2025 | Jakobus 2, 14-26 | Fritz Neubacher |
Braucht der Glaube Werke?
Es war vor gut 2 Jahren, als der Bericht von Willi Steindl, einem Tiroler Extrembergsteiger durch die Medien ging. Er erzählte, dass auf dem K2, dem 2. höchsten Berg der Welt die Sportler buchstäblich über einen verunglückten, sterbenden Kollegen drübergestiegen sind, um ihr Gipfelziel zu erreichen: Ohne den Versuch einer Rettung ist der 35-jährige Mohammad Hassan nach seinem Absturz am K2 gestorben. Angeblich hat er noch nach den Füßen anderer Bergsteiger gegriffen, um Hilfe zu bekommen. Diese seien jedoch einfach weitergegangen. „Es hat sich niemand für ihn verantwortlich gefühlt“, sagte Steindl den Medien.
Die hatten offenbar alle Wichtigeres im Kopf, als einem armen Verunglückten zu helfen.
Gibt es was Schlimmeres? – Ja, natürlich: Immer wieder lesen wir von Fahrerflucht mit unterlassener Hilfeleistung. Also: Da verursacht jemand einen Unfall mit Personenschaden – und lässt den Verletzten einfach liegen, und haut ab. Das ist unglaublich gemein und niedrig – und dennoch tun das Leute.
Nicht so spektakulär, aber ebenso unfassbar und ärgerlich lagen die Untaten, die Jakobus anscheinend vor Augen hatte:
Da gab es Arme und Reiche in der Gemeinde: Welche, die mit dem Geschäftemachen so beschäftigt waren, dass sie keine Zeit dafür hatten, die Not der einfachen Gemeindeglieder zu bemerken. Sie haben sie mit ein paar netten, nichtssagenden Worten abgespeist – und sind zu ihrem nächsten Gipfeltreffen gejettet: „Du frierst und hungerst? – Ui, das tut mir leid. Na, Gott wird dir helfen, verlass dich drauf.“ Und weg waren sie…
Jakobus wurmt das! Wenn er der Bruder von Jesus war (Wir wissen nicht sicher, ob der Autor dieses Briefes einer der Brüder Jesu, mit Namen Jakobus ist) – dann hatte er vielleicht dessen Worte im Ohr: „An den Früchten werdet ihr sie erkennen!“ Also gemeint ist: Ob jemand in Gottes neue Welt gehört, kannst du daran erkennen, ob dessen Leben Früchte hervorbringt, die diesem Gottesreich würdig sind – oder ob er nicht dazugehört, und am Ende draußen bleiben muss.
Vielleicht hat Jakobus das den wohlhabenden, geschäftigen Gemeindegliedern brühwarm aufs Auge gedrückt, vielleicht sogar mit ein wenig Zornesröte im Gesicht: „Schaut euch doch mal um in unserer Gemeinde: Da gibt’s Mütter, die wissen nicht, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollen, und ihr wisst nicht, mit welchen ausgefallenen, exotischen Köstlichkeiten ihr eure Teller noch füllen sollt!“
Und die? – Die waren nicht um eine Antwort verlegen!
Die haben sich auf den großen Apostel Paulus berufen, der in seinem allseits bekannten Brief an die Römer formuliert hatte: „Wir werden aus Glauben gerettet, und nicht aus den guten Taten!“ Also salopp gesagt: „gute Taten sind nett, arme Leute durchfüttern ist lieb!“ Schön, wenn ihr das tut, – aber ankommen tut es vor Gott auf etwas Anderes: auf den Glauben! Und den haben wir! Also, lieber Jakobus, stiehl uns nicht die Zeit, wir müssen weiter!
Hm: gehören gute Taten zu einem Glauben, der in Gottes Augen was zählt, dazu, oder nicht?
Reicht es, sich zu Jesus zu bekennen, an die Vergebung zu glauben und die Auferstehung von den Toten, und all das, was wir im Glaubensbekenntnis gesagt haben, oder müssen gute Taten sichtbar werden?
Das ist die Frage, die uns der Jakobusbrief heute stellt. Ich wäre gespannt auf eure Antworten.
Hier mein Versuch, das aufzulösen:
Zunächst:
Über sterbende Menschen achtlos hinwegsteigen, Fahrerflucht begehen, Arme einfach ihrem Schicksal überlassen – all das geht gar nicht! Darüber sind sich übrigens alle Religionen einig! Das ist nichts genuin Christliches, das ist weltweit so! Und selbst wenn Weltmenschen so grausam und gefühllos sein können: Christinnen und Christen können und dürfen das nicht! Wir haben den klaren Auftrag Jesu, unsere Nächsten zu lieben, wir kennen die Werke der Barmherzigkeit, wir sind dazu berufen, gute Früchte zu bringen, weil wir gute Bäume sind! Selbst Paulus, der ja der Hauptzeuge für die Glaubensseite ist, weiß, dass die Liebe die Höchste unter den Dreien: Glaube, Hoffnung und Liebe ist, und er schreibt den Christen in Galatien, dass der Glaube zählt, der sich liebend tätig erweist!
Natürlich kann man darüber diskutieren, wieviel Liebe gefordert ist.
„Ich kann mich nicht um alle Armen dieser Welt kümmern“, sagen wir, und nehmen es als Argument, sich um niemand kümmern zu wollen. Stimmt. Man kann sich nicht um alle in Not Geratenen kümmern. Das überfordert. Aber um Einen, um Eine, um Jemanden, der deine Hilfe braucht, kannst du dich kümmern! Für wen willst du konkret da sein? – Das ist die Frage.
Wir können uns nicht um alle und nicht gleichzeitig kümmern – das ist das Eine.
Das Andere ist: Wir alle haben verschiedene Möglichkeiten! Der Eine kann gut zuhören, der andere kann das nicht. Aber er kann Einheizen, oder Heizungen reparieren, oder andere tätige Hilfe leisten. Wir müssen nichts, was wir nicht können. Und wir müssen nicht das liefern, was der Bruder oder die Schwester neben uns auf der Kirchenbank so großartig kann. Aber wir können und sollen das einbringen, was wir können. So wird vielen auf vielerlei Weise geholfen!
Also – Zwischenergebnis:
Jakobus, du hast recht! Wir Christinnen und Christen sind aufgefordert, unserem Glauben gute Taten folgen zu lassen! Mehr oder weniger, selten oder häufiger, mit Spenden oder mit Hand anlegen – wie auch immer, aber: die guten Taten gehören zum Christen und zur Christin wie die Nässe zum Wasser.
Aber:
Jetzt das große Aber! Jakobus hatte sich diesen Zustand seiner anvertrauten Menschen so zu Herzen genommen, dass er in seiner Argumentation – für mein Verständnis – übers Ziel hinausgeschossen hat. Er hat nämlich formuliert, dass der Glaube allein – ohne Werke – gar nichts nützt, am allerwenigsten rettet er dich im finalen Gericht. Wörtlich Vers 17: „So ist es mit einem Glauben, der keine Werke aufweist: Für sich allein ist er tot.“ Und ein paar Zeilen weiter, Vers 22: „Der Glaube wirkt mit dem Tun zusammen“!
DAS ist für uns evangelisch geprägte Menschen des Guten zu viel! – und ich will gerne erklären, warum:
Wenn es auf unsere Taten und Werke ankommt, ob wir vor Gott gerecht sind – wozu ist dann Jesus am Kreuz gestorben? Das ist doch der wichtigste Grund für sein Leiden und Sterben, und seinen ganzen Kreuzesweg, dass WIR eben NICHT in der Lage sind, uns selbst beim Schopf aus dem Sumpf zu ziehen!
Und wenn Jakobus jetzt behauptet: Es kommt auf die Werke an, ob du gerettet bist, oder nicht: Dann entwertet er damit das Heilswirken Jesu! Dann können sich Menschen auf einmal selber erlösen, und Jesus hätte nicht sterben müssen.
DAS aber war durch 2000 Jahre Kirchengeschichte eine Irrlehre, die immer wieder aufgeflackert ist, und die auch immer wieder bekämpft werden musste! Große Theologen haben ihr Leben investiert, um diese Falschlehre zurückzudrängen. Athanasius der Große zum Beispiel, gegen Arius, oder der Hl. Augustinus gegen Pelagius, oder Martin Luther gegen die damalige römische Kirche mit ihrem Ablasshandel. Sie haben hochgehalten, dass Jesus für unsere Erlösung gestorben ist, und haben den Geschenkcharakter des Ewigen Lebens für uns Menschen bewahrt.
Aber, könnte man sagen, genau betrachtet ist es bei Jakobus ja kein „Entweder Glaube oder gute Werke“ – es ist ein miteinander, ein Zusammenwirken. Du brauchst Glauben, und du brauchst Werke. Das ist seine Botschaft.
Stimmt, aber (das ist heute ein bissl Theologie, … ich hoffe, ihr seid noch dabei J):
Wenn ich Jakobus folge, und den Werken einen heilsnotwendigen Wert beimesse, dann beginnt das Rechnen und Zählen: Wieviel muss es denn sein? Ein bisschen gute Werke reichen? Oder kommen nur die Besten in den Himmel? Ist es so wie beim Sport? Nur die 1. Liga zählt? Gibt’s dann die Champions League der Gutmenschen? Und gibt es dann sowas wie Paralympics? Sonderwettbewerbe für moralisch Gehandicapte? Ihr merkt: Das funktioniert nicht. Die Schönheit und das Glück und die Weite und Fröhlichkeit des Glaubens gehen verloren. All die Geschichten der Evangelien von Menschen, die verloren waren, und – ohne ihr Zutun – von Gott wiedergefunden worden sind, sprechen gegen diesen Ansatz, dass es auf die guten Werke ankäme!
Deswegen, lieber Jakobus:
Wir verstehen dein Anliegen: Es ist wirklich eine himmelschreiende Gemeinheit, dass Christinnen und Christen sich nicht um ihre verarmten Brüder und Schwestern kümmern. Da sind wir bei dir. Wir versprechen dir, es besser zu machen! Wir kümmern uns!
Aber du darfst die ewige Errettung, das Heil der Menschen, und den Zugang zum Himmel nicht an die guten Werke knüpfen. Das ist das, das für immer, und für alle, ein für alle Mal mit dem Namen Jesus verknüpft ist.
Amen.
Rektor i.R. Fritz Neubacher
St. Georgen im Attergau, Ö
Email: Fritz.neubacher@aon.at
Fritz Neubacher, Jahrgang 1958, Pfarrer der Evang. Kirche A. B. i. Ö.; bis 8/23 Rektor des Werks für Evangelisation und Gemeindeaufbau, seither im Ruhestand.