Jakobus 2, 14-26
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ | 18. So. n. Trinitatis | 19.10.2025 | Jak 2. 14-26 | Eberhard Busch |
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
Was hilft‘s, Brüder und Schwestern, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung und jemand unter euch spricht zu ihnen: geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat, – was hilft ihnen das? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke tut, tot in sich selbst
Von Jesus wird erzählt (Mt.21,18f), wie ihn einst Hunger plagte, so wie ihn heute zahllos viele auf Gottes Erde erleiden, wie er sogar als Waffe eingesetzt wird, um Menschen von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Und da fand Jesus in seiner Not einen Feigenbaum, Gott sei Dank! Nein, gar nicht fein, sondern Gott sei‘s geklagt! Der Baum hatte zwar viele Blätter, die im Wind einladend winkten, ein Bild für das Tun so mancher: Windbeutelei! Jedoch trug der Baum keine Früchte. Er konnte Ihn nicht sättigen. Der Hungrige blieb hungrig. Ist dieser Baum nicht dazu da, dass er Früchte bringt? Dass er Hungrige nährt! Wozu sonst steht er da? Er steht lachenden Apfelbäumen bloß im Weg. Er hat seinen Daseinszweck verfehlt.
Aber woran liegt das? Diese Frage treibt den Verfasser unseres Predigttextes um. Sie macht ihm zu schaffen. Ist es denn nicht erschütternd? Da gibt es ein Christenvolk – und dort sind Massen von Hungrigen, die hungrig bleiben, von Satten an unsren Grenzen weggeschickt. Wie kann das sein, dass Menschen an Gott glauben, aber ihr Glaube trägt keine Frucht? Nur rauschende Blätter. Daseinszweck verfehlt. Wie kommt es dazu, dass es Christen gibt, sie nennen sich wenigstens mit diesem Namen, aber die Armen merken rein gar nichts davon? Schon vor 300 Jahren tönte Johann Sebastian Bach „Ihr, die ihr euch von Christo nennet, wo bleibet die Barmherzigkeit?“ Und heute? Sind wir in den reichen Ländern nicht vermögend genug, um die Elenden aus ihrem Elend zu retten? Statt unser Geld in lukrative, gewinnbringende Projekte zu investieren, etwa in der Raumfahrt, damit wir einen neuen Globus finden, wenn wir den jetzigen unbewohnbar gemacht haben. Sind wir denn taub für den Satz Jesu: „Ihr könnt nicht Gott und dem Geldgott Mammon dienen“ (Mt 6,24)?
Allerdings, da sind nun Menschen, die wach sind, oder sagen wir: halbwach. Sie sind einigermaßen informiert über das, was sich jetzt vor aller Augen abspielt. Die schütteln den Kopf: O nein, das ist gar nicht nett, was sich gegenwärtig zuträgt. Da müsste jemand einmal etwas auf Vordermann bringen. Eine staatliche oder auch kirchliche Behörde. Oder auch eine höhere Macht; denn diese Menschen sind auf ihre Art auch religiös und sagen: Geht uns etwas schief, Gott soll es flicken. Und schließlich sind die Halbwachen so schlau und behände, dass sie den Hilfsbedürftigen gutgemeinte Ratschläge geben, in der Meinung, sie sollten halt selber für ihr Schicksal aufkommen. Aber was nicht geschieht: dass sie selber ihre Geldtaschen öffnen. Was immer sie glauben und meinen und ratschlagen, „ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat“, heißt es über sie bei Jakobus. Sie drücken sich um das, was der Schriftsteller Erich Kästner dringlich gemacht hat: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“. Brüder, Schwestern, wir sind gefragt!
Doch Halt! nun steht mitten in unserem Predigttext ein Satz, der für einen kundigen Protestanten wie ein Schlag ins Gesicht ist. Der Satz lautet: Es sei „der Glaube, wenn er nicht Werke tut, tot in sich selber.“ Martin Luther an erster Stelle war darüber so verärgert, dass er den ganzen Jakobusbrief aus unsrer Heiligen Schrift herausreißen wollte. Es stehe nämlich im Galater-Brief des Apostels Paulus geschrieben (5,6), dass es vor Gott auf den Glauben ohne alle Werke ankommt. Also, es gibt da nichts Gutes, Gott allein tut es; wir bekommen es rein nur geschenkt. Hat Jakobus dies unterschlagen? Doch hätte er sich für seine andere Sicht auch auf Paulus berufen können. Derselbe schreibt im 13. Kapitel seines ersten Briefs an die Korinther: „Und wenn ich allen Glauben hätte, und hätte der Liebe nicht, so wär‘s mir nichts nütze.“ Daran hat sich Jakobus gehalten. Der Glaube ist doch kein Freifahrtschein für Faule!
Denn was heißt Liebe? Ist sie bloß ein Gefühl? Geht sie nur „unsre Lieben“ an? Oder nicht einmal? Ist sie der Beliebigkeit anheimgestellt? Sie ist vor allem eine rüstige Tat. Es gibt tatsächlich Gutes, denn Gott tut es – in seiner Liebe. Und er traut es uns zu, es ihm nachzutun. Paulus gibt im selben Kapitel dazu einige Richtungs-Anweisungen: die Liebe sucht nicht ihren eigenen Vorteil, sie sucht den Vorteil des Anderen, und sie freut sich nicht an der herrschenden Ungerechtigkeit, sondern strengt sich an, sie zu überwinden. Jakobus redet vom „Gesetz der Freiheit“ (V 12), und er ist so frei, die von Paulus bezeichneten Linien auszuziehen.
Dabei ist das Gesetz der Freiheit für ihn offenkundig das Gesetz der Liebe. Was sonst treibt ihn hin zu den Ärmsten, die in schreiender Not stecken und nicht draus herauskommen! Ihnen fehlt es am Allernötigsten. Sie brauchen, wie der Grundsatz der Heilsarmee lautet: „Suppe. Seife. Seelenheil“. Liebe geht durch den Magen – daher versorgen Ehrenamtliche in den Tafeln zahllose Bedürftige. Ja, „Brot für die Welt.“ Wenn wir die Hungerleider auch nur sehen würden! Ihr trostloser Anblick mag auf viele abstoßend wirken, so dass sie lieber wegschauen. Aber seht! bitte, seht! Sie sind uns nahe: „Brüder und Schwestern“! Mit den Augen der Liebe betrachtet, entdecken wir, dass sie uns verwandt sind. Jawohl, sie sind unsere Geschwister. Was für eine Familie! Sie baut sich nicht auf Herkunft auf, sondern auf Liebe. Gehen wir nicht auf Abstand von ihren Gliedern! Stellen wir sie nicht außerhalb unserer Grenzen – so dass wir sie nicht mehr sehen. Wir gehören an ihre Seite und sie an unsere. Sie sind unsere Angehörigen. „Seid Menschen!“, war die Botschaft der unlängst in Berlin in hohem Alter verstorbenen Jüdin Margot Friedländer.
Damit gehen wir auf den Spuren Jesu. Der hat eine Geschichte vorgebracht, die die Worte im Jakobusbrief anschaulich beleuchtet. Darin wird ein Urteil gesprochen über uns alle und über unser Verhalten zu den Bedürftigen. Der das Urteil spricht im Namen Gottes, der redet nicht wie ein Blinder von der Farbe. Er hat das klargestellt durch seinen eigenen Einsatz. Drum ist er Fachmann, in dieser Sache zu urteilen. Und so lautet sein Urteil: „Was ihr getan habt denen unter meinen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan.“ Und was ihr ihnen nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan (Mt 25, 40.45) Das heißt doch, genau genommen: Ihr könnt mir nichts schenken. Was ihr mir geben wollt, liefert es ab an der Adresse meiner und eurer ausgegrenzten Brüder und Schwestern. Und wenn sie nicht an unsere Haustüre kommen, eben, es gibt Hilfswerke, die dafür geradestehen, dass unsere Gaben ihr Ziel erreichen. Seien wir in unserm Geben nicht knausrig! Der Genfer Jean Ziegler hat sogar formuliert: Es kommt für uns nicht darauf an, „den Menschen in der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen.“ So seien wir beherzt tätig! – unter denen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Grenzenlos teilen, darauf kommt es an.
verfasst von: Eberhard Busch