
Jesaja 2,1-5
Schmieden, Dengeln, Lernen | 8. So. n. Trinitatis | 10.08.2025 | Jes 2,1-5 | Manfred Mielke|
Liebe Gemeinde,
„Schwerter zu Pflugscharen schmieden!“ ist ein bekannter Bibelvers. Eine solche Pflugschar ist als Skulptur an der Außenwand der UN-Gebäudes in New York angebracht. Jesaja widerstand mit seinen Bibelversen dem Kriegseifer im historischen Israel. Allerdings ist es bei ihm keine Gebets-Hoffnung an Gott, sondern eine Vorschau, was die Völker tun werden nach einem Waffenstillstand und einem Friedensschluss. Wir lesen Jesajas Vision über Juda und Jerusalem: „Am Ende der Tage wird der Berg des Hauses Jahwes fest sein … und es werden zu ihm alle Völker strömen. Viele Nationen werden kommen und sagen: „Auf, wir wollen zum Berg Jahwes hinaufziehen…, damit er uns in seinen Wegen unterweise und wir auf seinen Pfaden wandeln…“ Er wird Recht sprechen unter den Völkern und wird vielen zum Recht verhelfen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird gegen ein anderes das Schwert erheben und sie werden die Kriegskunst nicht mehr lernen…“ (Jesaja 2,2-4 i.A.)
Zum Umschmieden von Schwertern und zum Umdengeln von Speerspitzen sieht der Prophet noch eine dritte Perspektive. Die Völker werden die Kriegskunst nicht mehr lernen! Daher stammt das Spiritual: “Im gonna lay down my sword and shield down by the riverside. I ain’t gonna study war no more!” Diese drei Zielbilder will ich bedenken und beginne mit dem Umschmieden als ein kräftiges Handwerk.
Bevor Nahkampfwaffen eingeschmolzen werden können, haben Kämpfer sie aus der Hand gegeben und sie öffentlich niedergelegt. Die „Kurdische Arbeiterpartei – PKK“ hat damit in bescheidenem Umfang begonnen. Ihr Ziel, einen unabhängigen Staat zu gründen, hat sie trotz 40jährigem erbittertem Kampf nicht erreicht. Nun hat ihr inhaftierter Führer Abdullah Öcalan alle Aktivisten zum Schweigen der Waffen aufgerufen. Am 11.07.2025, also vor einem Monat, gaben in Dukan, im irakischen Kurdistan, 30 von ihnen ihre Kalaschnikows ab. Für uns ist interessant, dass Öcalan seinen Befehl damit begründet, dass „die ursprüngliche Verleugnung der kurdischen Existenz nicht länger gegeben sei.“ (2) Noch zieht Tayyip Erdogan nicht mit, noch sind keine Ackerpflüge geschmiedet worden, aber für die Beendigung des Konflikts sind das die ersten Schritte. Ob daraus ein Friede wird, bleibt offen. Zudem ist zu befürchten, dass die Waffen auf dem nächsten Flohmarkt wieder angeboten werden. Dennoch ist dieser mutige Schritt erst möglich geworden, weil sich die Rechtslage geändert hat – ganz im Sinne der Vision des Jesaja, der über seinen Gott gesagt hatte: „Alle Ethnien werden zu ihm kommen, und er wird vielen zum Recht verhelfen. Dann werden sie ihre Waffen umfunktionieren und die Kriegskunst nicht mehr lernen.“
Da die Konversion aller Waffen in immer weitere Ferne rückt und wir emsig neue Waffen bestellen, bleibt eigentlich nur die großartige Weitsicht der Bibel und zur Not der Sarkasmus der Kabarettisten. So empfahl Horst Evers, alle Waffen deutscher Bauart mit Schweinefett einzureiben, dann dürften weder die Moslems noch die Juden sie anfassen. Damit würde ausgerechnet ihr Glaube den Gebrauch dieser Waffen ächten. Und für uns Christen fügte er an: „Befürworter meinten, entsprechende Hinweise ließen sich durchaus im Neuen Testament finden.“ (3) Sie sind schon im Alten Testament verankert, bei Jesaja. Er sah bereits, wie die Völker der Zukunft „ausgediente“ Waffen zu Pflugscharen umfunktionieren werden. Seine Vision bleibt stark, auch unter Kabarettisten.
Das Umformen von Speerspitzen zu Winzermessern möchte ich am Schärfen einer Sense veranschaulichen. Ein guter Bekannter hat einen sehr großen Garten. Der Großteil liegt in steiler Hanglage, den er nur mit einer Sense mähen kann. Schon nach wenigen Stunden wird sie stumpf und muss aufwändig geschärft werden. Eines Tages präsentierte er mir einen Original Dengelhammer, er hatte ihn nach langer Suche auf einem Flohmarkt erstanden. Er bot mir an, ihn auszuprobieren, an einem alten Sensenblatt. Es dauerte, bis ich die Kraft und den Winkel anpasste. Ich war erstaunt, mit wie weichen Hammerschlägen sich das Stahlblatt ausdünnen ließ. Für den Wetzstein war ich dann allerdings zu ungeschickt.
Diese Methode nennen Fachleute das „Kaltschmieden“. So anders als das glühende Umschmieden von Schwertern stelle ich mir das Ausdengeln von Speerspitzen zu Winzermessern vor. Eine Speerspitze muss den Flug stabilisieren und Panzerung durchdringen können. Daraus ein Winzermesser zu machen, verlangt, die Klinge krumm zu dengeln. Damit ist die mentale Kehrtwende schon im Material der Klinge angedeutet und ist ein Bild für die Abkehr von Feindbildern.
Jesaja benutzt zwei Gegenstände. Pflüge lockern den Wurzelgrund auf, Winzermesser ernten den Sonnenschein. Die einen liefern Brot, die andern den Wein. Beide sind Werkzeuge im Wechsel der Jahreszeiten, beide brauchen ökologische Friedenszeiten und bewirken wiederum sozialen Frieden. Beide fördern Genugtuung und Geselligkeit, anstelle sie zu bedrohen. Das ist das Wohltuende an der Prophetie.
Jesaja sieht, dass Gott sein Recht und seinen Schalom wieder einsetzen wird, erst daraus wird menschliches Handeln folgen. ZB. die Konversionen verschiedener Erfindungen und Techniken; sowohl in Israel wie bei seinen feindlichen Nachbarn. Denn Jesaja prophezeite zu Zeiten des syrisch-ephraimitischen Krieges. Trotz vieler Kriege im Vorderen Orient seitdem und in unserer jüngeren Geschichte ist die Sehnsucht nach Gottes Schalom nicht erloschen. Wir hatten ja mal ein Ziel, das lautete: „Frieden schaffen durch immer weniger Waffen.“ Aber das ist wohl für unsere Generation ausgeträumt. Wenn aber Realität und Prophetie nicht zusammenpassen, ist nicht die Prophetie auszusortieren, sondern die Realität muss umgeschmiedet werden. Mit kräftigem Mut wie beim Feuerschmieden und mit weichem Mut beim Kaltschmieden. Das ist die Herausforderung der Prophetie.
Der Umbau von einer Kriegswirtschaft zu einer Friedenswirtschaft beginnt also nicht mit dem planlosen Wegwerfen der Waffen, sondern in der Rückbindung an Gottes Schalom. „Zuerst werden viele Nationen Jahwes Wegweisung erbitten. Er wird vielen Völkern zu ihrem Recht verhelfen. Danach werden sie ihre ‚Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern und werden die Kriegskunst nicht mehr lernen‘.“ Die Verhältnisse werden sich ändern, wenn unser Verhältnis zu Gott wieder prägend wird.
Jesaja nimmt noch ein Drittes in den Blick. Zum Schmieden und Dengeln kommt bei ihm auch das Lernen. Er sieht in Zukunft eine von Gott ausgelöste Bildungswende, weg von einer Kriegsdidaktik hin zu einem gemeinsamen Erlernen des Friedens. Bisher hatte er konkrete Waffen vor Augen, Hieb- und Stichwaffen. Er könnte die Gewalt der Sprache und Fäuste hinzufügen, die als häusliche Gewalt mit Worten verletzt, mit Schlägen demütigt und in die Verzweiflung treibt. Dann könnte er so formulieren: „Viele leidgeprüfte Familien werden sagen: „Auf, wir wollen zur Beratungsstelle Jahwes hingehen, damit er uns in seinen Wegen unterweise.“ Daraufhin wird er vielen Opfern zu ihrem Recht verhelfen. Und die Täter, die mit Fäusten und Niedertracht agieren, wird er befähigen, ihre Gewalt nicht weiter zu verfeinern.“
Wie aber werden Täter und Täterinnen bereit, sich dem zu stellen? Was löst ihre Zustimmung zu einer Therapie aus? Dazu erzählt uns das Neue Testament (Joh 8,1-11) folgende Begebenheit: Die Schriftgelehrten bringen eine Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, zu Jesus. Sie fordern seine Zustimmung zu ihrer Steinigung, da diese das Gesetz Moses vorschreibt. Doch er kniet nieder und schreibt in den Sand. Dann sagt er: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Noch stehen alle im Kreis, jeder hatte Steine mitgebracht, nacheinander lassen sie diese fallen und gehen weg. Jesus bleibt mit der Frau zurück und sagt ihr, dass sie frei ist, nicht mehr zu sündigen.
Diese Geschichte ist ein Heilungswunder unter gewaltbereiten Männern. Jesus kniet demonstrativ nieder und hält ihnen seinen Buckel hin. Er kehrt ihren Glauben um, der den Totschlag vorschreibt, zum Evangelium der Begnadigung – für die Frau und jeden der Männer. Ausgerechnet ihre Selbstreflexion, die zu einem neuen Glauben führt, hat diesen Gebrauch der Steine geächtet. Die Männer haben den Ausstieg aus ihren Gewaltmethoden gefunden, sie wurden therapiefähig. Die Frau hat die gesamte Situation aufrecht durchgestanden und kann jetzt eine andere Freiheit neu beginnen.
Wenn Jesaja prophezeit, dass der Gehorsam Gott gegenüber alle Völker dazu bringen wird, dass sie ihre Metallwaffen konvertieren werden und die Kriegskunst nicht mehr lernen werden, warum soll das nicht positiv für die Therapie häuslicher Gewalttäter gelten? Gottes Recht verändert alles zur Friedfertigkeit – zwischen Völkern und in Familien. Ein anderer Prophet, der Micha, hat den Jesaja-Versen noch hinzugefügt: „Jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen. So geht jedes Volk seinen Weg, jedes ruft den Namen seines Gottes an; wir aber gehen unseren Weg im Namen Jahwes, unseres Gottes.“ (Micha 4,4f) Amen.
Fussnoten:
1. Nach EfP
2. laut „Deutsche Welle“ vom 11.07.2025
3. Horst Evers: Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex, Berlin 2017, S. 156f
Lieder:
Es wird sein in den letzten Tagen
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn
I’m gonna lay down
Die Waffen verrotten zu Staub
Friede, Friede sei mit Dir
Wende das Böse
Gebet:
Mit einem Responsorium, ggf gesungen, ggf nur 2. Melodieteil:
Erleuchte und bewege uns, leite und begleite uns.
Gottvater des Friedens
- erleuchte uns gegen die Schatten der vergangenen Kriege
- erleuchte uns gegen die Tödlichkeit neuer Waffengattungen
- erleuchte uns gegen den Irrtum, dass von uns nur Frieden ausgeht
Wir bitten: Erleuchte und bewege uns, leite und begleite uns.
Gottvater des Lebens
- leite uns heraus aus der Behaglichkeit der bisherigen Friedenszeiten
- leite uns heraus aus den angeblichen Alternativlosigkeiten
- leite uns heraus aus der Ohnmacht unsrer Bemühungen
Wir bitten: Erleuchte und bewege uns, leite und begleite uns.
Gottvater des Lichts
- bewege uns, damit wir uns abwenden von gültigen Feinbildern
- bewege uns, dass wir zum ersten Schritt mutig werden, und weitere anfügen
- bewege uns, bis wir einschwenken auf dein kommendes Gottesreich
Wir bitten: Erleuchte und bewege uns, leite und begleite uns.
Gottvater der Würde
- begleite uns als Heiliger Geist der Wahrhaftigkeit
- begleite uns, wenn wir Gewaltlosigkeit ausprobieren
- begleite uns, damit wir uns nach deinen Zielen ausrichten
Wir bitten: Erleuchte und bewege uns, leite und begleite uns. Amen
Manfred Mielke, Pfarrer der EKiR im Ruhestand, geb 1953, verheiratet, 2 Söhne. Sozialisation im Ruhrgebiet und in Freikirchen. Studium in Wuppertal und Bonn (auch Soziologie). Mitarbeit bei Kirchentagen. Partnerschaftsprojekte in Ungarn und Ruanda. Musiker und Arrangeur.