Jesaja 35, 3–10

· by predigten · in 2. Advent, 23) Jesaja / Isaiah, Aktuelle (de), Altes Testament, Beitragende, Bibel, Deutsch, Kapitel 35/ Chapter 35, Kasus, Peter Schuchardt, Predigten / Sermons

Guck hin! So viel Wunderbares ist auf dem Weg zu dir | 2. Advent | 08.12.2024 | Jes 35, 3–10 | Peter Schuchardt |

Die Gnade unsere Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

Was sind das nur für Zeiten, in denen wir leben! Weltweit nehmen die Kriege und Konflikte zu. In Amerika ist ein Präsident gewählt worden, bei dem wir ahnen, dass er dieser Welt nicht gut tun wird. In unserem Land ist Wahlkampf, wir haben eine Regierung, die keine Mehrheit mehr hat, wir sehen Politiker und Politikerinnen verschiedener Parteien, die sich gegenseitig beschimpfen. Der Wirtschaft geht es schlecht. Die Gewalt nimmt zu. Es scheint alles bergab zu gehen, und der Blick in die Zukunft wird düsterer und düsterer. Am liebsten möchte man die Augen zu machen und gar nicht mehr hingucken. Ich kann das manchmal sogar verstehen, dass man nichts mehr hören oder sehen möchte von der Misere und dem Kummer in der Welt.

Was sind das für Zeiten?! Wir Christen geben eine andere Antwort. Wir sagen: Nun ist Advent. Wir haben die zweite Kerze an unserem Kranz entzündet. In vielen Stuben und Fenstern leuchtet es hell in diesen Tagen. Dieser Lichter erzählen wie die Kerzen am Adventskranz eine ganz andere Geschichte. Sie sagen: Macht die Augen auf! Guckt nicht weg, nein, guckt doch hin! Denn da kommt etwas Wunderbares auf euch zu! Denn Advent bedeutet „Ankunft“. Gott selber will zu uns kommen. Er kommt in unsere so düstere Welt mit seinem hellen Licht. Dafür steht jede Kerze am Adventskranz, jedes Licht, das in den Fenstern strahlt.

Ich merke in diesen so dunklen Tagen, wie sehr ich dieses tröstende Wort brauche. Gott kommt. Das, was jetzt ist, ist nicht alles. Die Dunkelheit, die wir Menschen so oft selber machen durch das, was wir tun und nicht tun, diese Dunkelheit war und ist nie alles. Immer war und ist Gott da mit seinem Licht der Hoffnung. Gottes Licht scheint in unsere menschlichen Dunkelheiten hinein. Und darum sagt uns die zweite Kerze am Adventskranz: „Mach die Augen auf! Guck nach vorne. Guck auf Gott und freu dich auf das, was kommt.“

Dieser Trost, diese Hoffnung zieht sich durch die Bibel hindurch wie ein roter Faden. Viele von euch kennen das wunderbare Wort aus Ps 23: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir.“ Auch das Volk Israel hat finstere, dunkle Zeiten durchgemacht. Eine der großen Katastrophen war die Zerstörung Jerusalems und die Verschleppung vieler Frauen und Männer nach Babylon. Der Popsong „By the rivers of Babylon“[1] nimmt drauf Bezug: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.“[2]

Wir können die Folgen dieser Katastrophe für Israel nur erahnen, die Trauer, die Selbstzweifel, die Hoffnungslosigkeit. Doch dann tritt ein Prophet auf. Wie so oft in der Geschichte schickt Gott einen, der dem Volk sagt, wo es versagt hat, was Gott will, und was er vorhat. So spricht der Prophet im Buch Jesaja im 35. Kapitel die Menschen an:

3Macht die müden Hände wieder stark und die weichen Knie wieder fest.

4Sagt denen, die den Mut verloren haben: »Seid stark und habt keine Angst!

Seht, das ist euer Gott!

Er übt Vergeltung und schafft Recht. Er selbst kommt, um euch zu befreien.«

5Dann gehen den Blinden die Augen auf, und die Ohren der Tauben werden geöffnet.

6Der Gelähmte springt wie ein Hirsch, der Stumme jubelt aus vollem Hals.

In der Wüste brechen Quellen auf, und Bäche bewässern die Steppe.

7Der glühende Sand wird zu einem Teich, in der Dürre sprudeln frische Wasserquellen.

Wo einst die Schakale hausten, wachsen Gras, Schilf und Papyrus.

8Eine Straße wird dort verlaufen, die wird man den »heiligen Weg« nennen.

Kein Unreiner wird sie betreten. Sie gehört denen, die auf dem rechten Weg sind.

Selbst Unwissende gehen nicht in die Irre.

9Auf dieser Straße gibt es keinen Löwen, kein Raubtier ist auf ihr zu finden.

Nur die erlösten Menschen sind dort unterwegs.

10Alle, die der Herr befreit hat, kehren jubelnd zum Berg Zion zurück.

Grenzenlose Freude steht ihnen ins Gesicht geschrieben.

Jubel und Freude stellen sich ein,

Sorgen und Seufzen sind für immer verschwunden. (Jes 35,3–10 Basisbibel)

Diese Worte, liebe Schwestern und Brüder, malen ein so wunderbares Bild voller Hoffnung und Freude. Und das ist gut. Denn leider hören Menschen oft nur den Untergangspropheten hin. Die sagen: Es ist alles schlimm und es wird alles noch viel schlimmer! Wer so spricht – und in der Politik ist das leider immer wieder zu finden –, der spielt mit der Angst der Menschen. Der zerstört Hoffnung und Zukunft.

Doch dagegen stehen die Worte bei Jesaja. Er erzählt davon: Gott wird die Welt heilen. Gott wird uns Menschen heilen. Das Böse wird verschwinden. Gott selbst wird kommen. Er macht die Welt anders, neu, friedvoll. Darum sollen wir die müden Hände wieder stark, die weichen Knie wieder fest machen. So hat der Prophet seinen Leuten Mut gemacht und die Hoffnung wachgehalten.

Heute hören wir diese wunderbaren Worte am 2. Advent. Sie passen so treffend in unsere Zeit hinein, in all das Gerede von Untergang und Finsternis. Heute sagt Gott uns: Hört nicht auf diese Untergangspropheten. Stimmt nicht mit ein in diese Unheilsworte. Im Gegenteil: Guckt hin! So viel Wunderbares ist auf dem Weg zu euch.

Und darum gibt Gott uns heute die große Aufgabe: Macht darum die müden Hände wieder stark. Macht die Knie, die vor Angst und Erschöpfung weich und unsicher geworden sind, wieder fest. Und vor allem: Macht den Menschen wieder Mut und sagt ihnen: Seht doch, hier ist unser Gott! Wenn Gott kommt, dann macht er das Leben heil, dann werden die Blinden sehen, die Tauben werden hören, die Gelähmten werden springen wie junge Hirsche. In Gottes neuer Welt, die kommt, werden alle Menschen, die in unseren Augen eingeschränkt sind, frei und sorglos leben dürfen. Denn in den Augen Gottes gibt es keine Einschränkung, für keinen Menschen. Wenn Gottes neue Welt kommt, dann werden auch uns die Augen aufgehen, wir werden richtig hören und zuhören, wir werden aus all unsere Lähmungen befreit sein. Der große Theologe Karl Barth hat oft von Gott als dem „ganz Anderen“ gesprochen.[3] Unser Predigttext zeigt uns, wie unser Gott die Welt ganz anders macht – allein durch seine Liebe. Denn Gott kommt ja zu uns, weil er uns liebt.[4]

Der Advent will uns die Augen öffnen für die nahe Gegenwart Gottes. Seht doch – das ist euer Gott! Das sagen die Engel den Hirten auf den Feldern vor Bethlehem [5]. Und die laufen zum Stall und sehen ein Kind in der Krippe und beten es an. Sie erkennen: Hier ist unser Gott!

Das ist der Advent, die Ankunft Gottes in unserer Welt. Mit der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem beginnt Gottes neue Zeit mit uns. Darum rechnen wir ganz richtig die Zeit vor und nach Christi Geburt. Wenn wir das Neue Testament lesen und den Weg Jesu verfolgen, dann finden wir viele Zeichen, die uns sagen: Seht, hier ist euer Gott. Jesus heilt Menschen, die taub, blind und gelähmt sind. Er stellt Gottes Gerechtigkeit wieder her. Er sagt allen: Gott ist hier. Gott wird euch alle erlösen und befreien. Er wird euch den Weg in sein Reich des Friedens zeigen, wo alles im Überfluss da ist: Wasser, um die Durstigen zu stärken, Liebe, um für immer getröstet zu sein, Heilung für alle Wunden und Beeinträchtigungen, die unser Leben jetzt einschränken.

Aber dann stirbt Jesus am Kreuz, und alle scheint vorbei zu sein. Die Düsternis scheint gewonnen zu haben. Die Unheilspropheten hatten doch recht. Doch der Tod Jesu ist nicht das Ende. Am Ende steht die Auferstehung, das helle Licht von Ostern. Am Ende steht das Wort: Ich lebe, und ihr sollt auch leben [6].

Und darum ist das Ende Jesu gar kein Ende, sondern der Anfang der Hoffnung. Denn nun wächst Gottes Reich mitten unter uns. Es gibt Menschen, die sagen: Jesus kann nicht der Heiland, der Retter gewesen sein. Denn die Welt hat sich durch ihn nicht verändert. Doch allein die Tatsache, dass in unserer so friedlosen Welt die Sehnsucht nach Frieden so stark ist, gerade jetzt, ist für mich ein Zeichen: Ohne den Gesang der Engel vom Frieden Gottes würden wir uns mit all dem Krieg und Terror abfinden. Doch weil Jesus so fest mit diesem Frieden verbunden ist, darum hoffen wir.

Ich glaube: Gottes Reich wächst und hält in uns die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit wach. Wir dürfen voller Zuversicht nach vorne in die Zukunft sehen. Denn die Zukunft gehört Gott. Und darum erzählt die Bibel auch von einem 2. Advent, von einer zweiten Ankunft Jesu bei uns, am Ende aller Zeiten. Wir wissen nicht, wann das sein wird, doch wir gehen mit jedem Tag, mit jeder Stunde näher auf dieses neue Reich Gottes zu. Wir gehen auf unseren Erlöser zu. Und in unserem Herzen lebt und wächst die Hoffnung, von der Jesaja uns erzählt: Diese Welt wird sich verändern. Gott wird diese Welt und uns Menschen verändern. Und das dürfen wir der ganzen Welt sagen.

Das ist unsere Aufgabe als Kirche: Menschen stärken, Mut machen, aufrichten. Menschen sagen: Das hier ist noch längst nicht alles. Gott ist schon auf dem Weg zu uns. Sieh hin, und du erkennst die Zeichen seiner Gegenwart aufleuchten. Was für eine wunderbare Aufgabe, die Gott uns gibt! Wir dürfen von Hoffnung erzählen, von seinem Licht in aller Dunkelheit, von seinem Trost bei allem, was traurig ist. Wir dürfen von einer Welt erzählen, die frei ist von allen Einschränkungen, Benachteiligungen, von Mobbing und Spott, auch von Trauer und Tod. „Grenzenlose Freude steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Jubel und Freude stellen sich ein, Sorgen und Seufzen sind für immer verschwunden.“, so beschreibt es der Prophet. Darauf dürfen wir uns freuen, und die Welt darf sich mitfreuen. Schon jetzt können wir Spuren von dieser Freude und Sorg-Losigkeit entdecken. Und dann, wenn diese Welt einmal nicht mehr sein wird, erst recht. Dann wird die Welt wunderbar friedlich und verändert sein. Und schon jetzt können wir an so vielen Orten die Saat aufgehen sehen, die Gottes Liebe ausgestreut hat wie ein Sämann, der aus seinem Überfluss alle beschenkt [7].

Liebe Schwestern und Brüder, was sind das nur für Zeiten, in denen wir leben! Es sind, Gott sei Dank, Hoffnungszeiten für uns und für diese Welt.

Amen

Liedvorschläge:

EG 7 „O Heiland, reiß die Himmel auf“ (Wochenlied)

EG 11 „Wie soll ich dich empfangen“, besonders Str. 3-6

EG 18 „Seht, die gute Zeit ist nah“ (einfach als Kanon zu singen!)

EG 154 „Herr, mach uns stark, im Mut, der dich bekennt“

„Es wird nicht immer dunkel sein“, Durch Hohes und Tiefes 20

„Maria durch ein Dornwald ging“, Durch Hohes und Tiefes 25

„Wir haben Gottes spuren festgestellt“ Durch Hohes und Tiefes 298

Fürbittgebet

Herr Jesus Christus,

du kommst in unsere Welt.

In Armut und Dunkelheit wirst du geboren.

Doch das helle Lied der Engel erzählt von Frieden für diese Welt.

Die Menschen, denen du nahekommst, spüren Gottes Liebe in dir.

Darum bitten wir dich:

Lass dein helles Licht leuchten in die Dunkelheiten dieser Welt.

Öffne unsere Augen und Herzen für die Zeichen deines Reiches,

das unter uns wächst und uns von Hoffnung erzählt.

Lass dein helles Licht leuchten für alle,

die traurig sind, einsam und verzweifelt.

Leuchte den Menschen, die sich in Angst und Sucht verloren haben.

Gib ihnen Kraft, ihr Leben zu ändern und einen anderen Weg einzuschlagen

Begleite mit deinem Segen und deinem Licht unsere Kinder und Jugendlichen.

Lass sie spüren: Du bist da.

Wir denken an alle, die im Sterben liegen:

Tröste sie.

Schenke ihnen einen sanften und ruhigen Tod.

Wir denken an uns selbst.

Du weißt, was uns in diesen Tagen bewegt.

In der Stille sagen wir dir, was wir auf dem Herzen haben:

STILLE

Danke, lieber Herr Jesus Christus.

Dir sei Ehre in Ewigkeit.

Amen

Pastor Peter Schuchardt

Bredstedt

E-Mail: peter.schuchardt@kirche-nf.de

Peter Schuchardt, geb. 1966, Pastor der Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), seit 1998 Pastor an der St. Nikolai Kirche in Bredstedt/Nordfriesland (75%), seit 2001 zusätzlich Klinikseelsorger an der DIAKO NF/Riddorf (25%).

[1] https://www.youtube.com/watch?v=rpDj1UTIn4Y

[2] Psalm 137,1

[3] https://www.evkirchepfalz.de/fileadmin/public/internet/03_dokumente/Informationen/INFO_Nr_158Beihefter.pdf

[4] Joh 3,16; vgl. Paul Gerhardt EG 11, 5!

[5] Lk 2,10-12

[6] Joh 14,19

[7] Mt 13, 3-9