Jesaja 5,1-7

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2. Sonntag der Passionszeit, Reminiszere
19.3.2000
Jesaja 5,1-7

Jürgen Berghaus


Liebe Gemeinde !

„Es ist nicht leicht, ein Narr zu sein“ – so lautete vor Jahren der Titel eines Buches, in dem ein alt gewordener Karnevalist seine Erfahrungen und Erlebnisse festhielt. (…), denn der Narr hat die schwere Aufgabe, den Leuten durch seine Späße einen Spiegel vorzuhalten, in dem sie sich mit ihren Fehlern und Eitelkeiten wiedererkennen können – um dann über sich selbst zu lachen. (…), denn ein Narr muß gut beobachten, offene Augen haben für wichtige und weniger wichtige Ereignisse; und er muß die Fähigkeit besitzen, diese Ereignisse so in Worte und Reime zu fassen, daß seine Zuhörer in-nerlich getroffen werden, ohne gleich zornig aufzubrausen.

„Es ist nicht leicht, Prophet zu sein“ – das mag vielleicht damals Jesaja durch den Kopf gegangen sein, nachdem er den Auftrag bekommen hatte, Gottes Willen dem Volke Israel auszurichten. (…), denn das bedeutete für Jesaja, Kritik zu üben an den Machenschaften seiner Landsleute, Kritik an überzogenen Grundstücksspekulationen, Kritik an Rechtsverdrehung und Korruption, Kritik nicht zuletzt wegen mangelnden Gottvertrauens – selbst bei den Priestern und im Königshaus. (…), denn Jesaja hatte das Gericht Gottes anzusagen : die Zerstörung der Heimat, Gefangenschaft und Tod.

„Gott wird sein Volk strafen, weil es ihm nicht gehorcht“ – das war die Botschaft Jesajas, die sicherlich keinen Beifall erwarten ließ.

Und nun sehe ich Jesaja unruhig in seinem Haus umhergehen. Er rauft sich die Haare, er ringt ver-zweifelt um eine Idee, wie er diesen schweren göttlichen Auftrag erfüllen kann. „Die werden lachen und meine Worte als Spinnerei abtun“, denkt sich der Prophet. Da plötzlich kommt ihm der ersehnte Einfall : Er setzt sich nieder und dichtet ein Lied, eben jene Verse aus Jes 5, die ich gerade in der vorzüglichen Übertragung der Gute-Nachricht-Bibel vorgetragen habe. Wie ein Liebeslied geht es los, durchaus öfter wurde in Israel mit dem Bild vom Weinberg und seinem Besitzer ein Liebespaar besungen. Und so mögen Jesajas Zuhörer wohl zunächst einmal gedacht haben : „Der trägt uns ein Liebeslied vor – das hören wir gern, das lassen wir uns gefallen.“

Jesaja fährt fort und besingt, wie liebevoll sich der Freund um seinen Weinberg gekümmert hat : wie er ihn umgrub und entsteinte, wie er einen Turm baute als Wohnung für die Arbeiter und eine Kelter zum Auspressen der Trauben. Alles ist bestens vorbereitet – der Freund darf zu Recht auf eine gute Ernte hoffen. Welch große Enttäuschung, als an den Weinstöcken nur saure Trauben wachsen !

Der Weinbergbesitzer ist zornig darüber : er will die Schutzmauer einreißen, damit Tiere kommen und die schlechten Pflanzen niedertrampeln; Unkraut soll den Weinberg bewachsen, kein Regen mehr auf ihn fallen. Und dann setzt Jesaja zum Finale an, er reißt auch den letzten seiner Zuhörer aus der irrigen Meinung, hier würde bloß ein x-beliebiger Schlager vorgetragen : „Der Weinberg des HERRN seid ihr Israeliten! Sein Lieblingsgarten, Juda, seid ihr! Er hoffte auf Rechtsspruch – und erntete Rechtsbruch, statt Liebe und Treue nur Hilfeschreie!“

An drei Stellen möchte ich dieses eindrucksvolle „Weinberglied“ Jesajas noch weiter vertiefen.

1.) Gottes tätige Liebe

Liebe Gemeinde, mit dem Besitzer des Weinbergs ist Gott gemeint. Er beweist dem Volk Israel gegenüber ganz anschaulich seine tätige Liebe. Wie müht sich der Gutsherr um sein Eigentum, und von welch machtvollen Taten Gottes konnten die Zeitgenossen Jesajas berichten : Die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, der Einzug ins Gelobte Land nach siegreichem Kampf gegen Feinde, die großen Könige David und Salomo – Jesaja durfte sicher sein, daß sich die Zuhörer unter Gottes tätiger Liebe etwas sehr Konkretes vorstellen konnten.

Wie steht es heutzutage damit, von Liebesbeweisen Gottes zu erzählen ? Ich denke an Jesus Christus und vor allem an sein bitteres Leiden und Sterben „für uns“. Aber weiß ich auch mit meinem eigenen Leben zu verdeutlichen, wo mir persönlich die tätige Liebe Gottes begegnet ist ? Diese Frage zu beantworten ist jede/r von uns selbst herausgefordert, und eine Antwort zu finden ist nicht immer leicht. Doch wie stotternd auch meine Worte ausfallen mögen – hier erst zeigt sich die Tiefe des Glaubens. Denn Gott ist ja nicht bloß Gegenstand kirchlicher Lehrsätze, sondern Gott will unser Leben durchdringen und bestimmen, und zwar vor allem durch seine entgegenkommende Liebe !

2.) Die Antwort des Menschen

Liebe Gemeinde, das Bild vom Weinberg, der schlechte Früchte bringt, ist nach wie vor aktuell. Wenn ich mich umschaue in Kirche und Welt, so ließe sich über manches die Nase rümpfen : Viele Zeitgenossen leben so, als würde es Gott überhaupt nicht geben – dabei ist ein Glaube, der mit Wort und Tat bekennt, eine Frucht, die Gott von uns erwartet. Gefühle von Sinnlosigkeit und Enttäuschung ziehen immer weitere Kreise – dabei ist die Hoffnung, die auch gegen den Augenschein Bestand hat, eine Frucht, die Gott von uns erwartet. Eigene Interessen stehen im Vordergrund, Leistungsdruck be-stimmt unsere Gesellschaft durch und durch – dabei ist die Liebe, die sich uneigennützig dem Bruder oder der Schwester widmet, eine Frucht, die Gott von uns erwartet.

„Glaube, Hoffnung und Liebe – diese drei werden bleiben“ so meinte einst Paulus. Gebe Gott, daß Glaube, Hoffnung und Liebe auch in unserem Leben konkret Gestalt gewinnen und wachsen können!

3.) Gottes Enttäuschung

Liebe Gemeinde, Gott ist enttäuscht, wenn seine tätige Liebe keine menschliche Antwort findet. Im Weinberglied folgt daraus, daß der liebevoll gehegten Pflanzung Schutz und Pflege entzogen werden; schon dieses bloße Wegziehen der segnenden Hand Gottes hat die Verwilderung und das Verderben seiner Schöpfung zur Folge.

Wir reden gern vom „lieben Gott“, doch der Predigttext erinnert uns daran, daß Gott auch zornig werden kann.

Das Volk Israel und die Christen – wir alle erleben immer wieder Situationen, die eher an Gottes Zorn als an seine Liebe denken lassen. Dann ist es wichtig, sich ganz fest an die Heilszusagen Gottes zu klammerrn und an die Worte des auferstandenen Christus: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“

Liebe Gemeinde, Gottes Zorn bedeutet nicht das Ende seiner Liebe, sondern ist vielmehr der Audruck einer tiefen Enttäuschung darüber, daß den göttlichen Liebeserweisen so wenig menschliche Früchte folgen. Ob unser Schöpfer wohl an seinem Manforter Weinberg mehr Gefallen findet ? (…)

Pfarrer Jürgen Berghaus
Scharnhorststraße 38
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