Jesaja 55, 1-5

· by predigten · in 2. So. n. Trinitatis, 23) Jesaja / Isaiah, Aktuelle (de), Altes Testament, Beitragende, Bibel, Deutsch, Kapitel 55 / Chapter 55, Kasus, Predigten / Sermons, Stephan Lorenz

2. So. n. Trinitatis | 29.06.25 |  Jesaja 55, 1-5 | Stephan Lorenz |

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des

Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Der Wochenspruch aus dem Matthäusevangelium (11,28) setzt das

Thema des heutigen 2. Sonntag nach Trinitatis: Kommt her zu mir,

alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken.

Darum geht es: Wer sich durch Leben quält, sich Sorgen beladenen

dahinschleppt, kann frischen Lebensmut bekommen, ja lebendig

gemacht werden, so die ursprüngliche Bedeutung von ‚erquicken‘.

Ein hoch aktuelles Angebot, wo doch Depressionen schon von

Kindern und Jugendlichen durchlebt werden müssen, folgt man dem

Diskurs in den Medien der letzten Wochen, und Einsamkeit,

besonders unter Älteren, ein immer größeres Problem zu sein

scheint.

Auf den Punkt gebracht wird es in der Lesung aus dem Epheserbrief

(2,17ff), dessen ‚Message‘ lautet: Ihr seid jetzt nicht mehr Fremdlinge

und Gäste, sondern seid Mitbürger mit den Heiligen und Gottes

Hausgenossen. Eingeladen in eine Gemeinschaft, die gut tut, in der

man gesehen wird als der, der man ist, Freund Gottes, in der man

aufgefangen und getragen wird von anderen Freunden Gottes, den

Heiligen.

Das Angebot gilt ausnahmslos allen wie es das Lukasevangelium

erzählt (Lk 14,15ff), besonders denen, die im Leben schon lange keine

Einladung mehr bekommen, Leuten, die von manchen gerne als

Sozialschmarotzer markiert werden, wobei doch jeder weiß, dass der

Staat von ganzen anderen Leuten um Millionen betrogen wird, gilt

denen, die keine Lobby haben, die unter Generalverdacht stehen:

Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt, bring die

Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen her … Geh hinaus auf die

Landstraßen und an die Zäune und bitte sie hereinzukommen, damit

mein Haus voll werde.

Die Einladung kennt keine Zurückweisung an der Haustür, schon gar

keine Abschiebung ins Haus des Nachbarn. Das Gegenteil gilt: Porta

patet, cor magis – die Tür steht offen, das Herz noch viel mehr. Ach,

wenn es doch nicht nur für die Zisterzienser gelten möge.

Die Einladung, die Matthäus, Lukas und der Epheserbrief

aussprechen, ist tief verwurzelt in der Tradition des jüdischen

Glaubens, die Jesus ihnen anschaulich in Wort und Tat vorlebte. Als

Beispiel möge der heutige Predigttext aus dem (Deutero)Jesajabuch

dienen:

O all ihr Durstigen, geht zum Wasser, auch der, der kein Geld hat.

Geht, schafft Vorrat und esst. Geht, schafft Vorrat ohne Geld, ohne

Kaufpreis, Wein und Milch. Warum wägt ihr Geld ab ohne Brot zu

erhalten? Warum gebt ihr euren Erwerb für das, was nicht sättigt?

Hört mir zu, und ihr sollt Gutes genießen und eure Seele soll sich am

Mark erquicken. Neigt euer Ohr und kommt zu mir! Hört und eure

Seele soll aufleben. Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen –

die bewährten Gnadenverheißungen Davids. Zum Verwarner der

Völker habe ich ihn bestimmt, zum Fürsten und Gebieter der

Nationen. Ein Volk, dass du nicht kennst, wirst du herbeirufen, und ein

Volk, das dich nicht kannte, wird auf deinen Ruf zu dir hineilen, um

des Ewigen deines Gottes willen, und wegen des Heiligen Israels.Denn er hat euch doch verherrlicht. (Übersetzung nach Moses Mendelsohn, Tora und

Propeten)

Folgt man einigen Exegeten, dann handelt es sich womöglich um ein

Werbeschreiben an diejenigen, die nach Ende des Exils in Babylon

bleiben wollen. Sie mögen zurückkommen, helfen, den Tempel

wieder aufbauen und Judäa neues jüdisches Leben einhauchen. Die

wenigsten werden dem Ruf gefolgt sein. In Babylon ließ sich gut

leben und gute Geschäfte machen. Bis in 20 Jahrhundert, bis zur

Gründung des Staates Israel und der nachfolgenden Vertreibung, gab

es große jüdische Gemeinden in den Nachfolgestaaten Babylons. Hier

entsteht der bayblonische Talmud, die Verschriftlichung der Tora und

Erklärung ihrer Gebote.

Warum sollten sie aus einem hochentwickelten Land mit vielen

angenehmen Lebensmöglichkeiten in einen verarmten Landstrich

ziehen, mit geringer Infrastruktur, offenen Eigentumsverhältnissen

und ungeklärten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen?

Das weiß der Verfasser des Schreibens vermutlich. Mit einem

bequemen Leben in einem modernen Judäa kann er nicht punkten.

Er stellt ihnen vielmehr die Frage: was macht eure Seele denn

wirklich satt? Warum gebt ihr euren Erwerb für das, was nicht

sättigt? Ist es wirklich Latkes (Kartoffelpuffer), Zentralheizung und ein

gefülltes Bankkonto? „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern

von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes geht“ (Mth4,4),

antwortet Jesus dem Verführer.

Was ist sein Angebot? Ich sehe drei Hinweise. Hört mir zu, und ihr

sollt Gutes genießen und eure Seele soll sich am Mark erquicken.

Das ist, wenn ich richtig verstanden habe, eine Metapher auf die

nomadisch-orientalische Gastfreundschaft. Einem Gast setzt man nur

das Beste vor: fetten Schaf- oder Ziegenschwanz, dem magische

Kräfte zugeschrieben werden, u. a. Potenz und ein langes Leben. Wer

auf Gott hört, dem wird das Beste für sein Leben vorgesetzt, was es

gibt. Die Seele wird stark und satt. Gottes Wort macht quicklebendig.

Keine leeren Lebensweisheiten, wie wir sie allerorten hören, nach

dem Motto: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das

Wetter oder es bleibt wie es ist.“

Das zweite: der Bund zwischen Gott und Israel wird ewig bestehen,

die Verheißungen Gottes werden bewahrt, werden sich bewähren.

Die Treuerweise an David werden sich erfüllen. Der 132. Psalm fällt

einem ein: Geschworen hat der Ewige dem David Treue, nicht wird er

davon lassen … Denn erkoren hat der Ewige Zion, begehrt zu seinem

Wohnsitze sich … Seine Zehrung will ich segnen, und seine Dürftigen

sättigen mit Brot … und seine Frommen sollen jubeln. Dort lass ich

wachsen ein Horn (Macht und Einfluss) dem David, richte eine Leuchte

(Zeichen der Gegenwart Gottes) meinem Gesalbten. (Übersetzung M. Sachs in der

Rabinerbibel, hersg. Von L. Zunz))

Zuletzt: Zion, das davidische Königtum, werden zum Vorbild für alle

Völker, als Zeugnis für Gottes Erlösung. Zum Verwarner der Völker

habe ich ihn bestimmt, zum Fürsten und Gebieter der Nationen. Das

zieht andere Menschen in Bann, sie werden neugierig, fühlen sich

berufen zu kommen. Ein Volk, dass du nicht kennst, wirst du

herbeirufen, und ein Volk, das dich nicht kannte, wird auf deinen Ruf

zu dir hineilen, um des Ewigen deines Gottes willen, und wegen des

Heiligen Israels. Denn er hat euch doch verherrlicht. (man könnte

auch übersetzen: erlöst) Am Ende werden alle kommen, um selber zu

schmecken, wie freundlich der Ewige ist. (Psalm43)Wie erfolgreich die Einladung des zweiten Jesaja wirklich war, wissen

wir nicht. Die ersten Christianoi konnten jedenfalls, wie schon

erwähnt, sehr viel damit anfangen.

Der Punkt ist aber: Was können wir damit ‚anfangen‘? Es könnte die

Frage sein, die Jesaja seinen Leuten stellt: was macht eure Seele denn

wirklich satt? Warum gebt ihr euren Erwerb für das, was nicht

sättigt? Ist es wirklich Latkes (Kartoffelpuffer), Zentralheizung und ein

gefülltes Bankkonto?

Der Psycho- und spirituelle Markt boomt, Hinweis darauf, wie sehr

sich Menschen in unserer Zeit diese Frage stellen. Schon C.G. Jung

bemerkte vielleicht zutreffend: „Unter allen meinen Patienten

jenseits der Lebensmitte, das heißt jenseits 35, ist nicht ein einziger,

dessen endgültiges Problem nicht das der religiösen Einstellung

wäre… (GW11§509) Viele Antworten werden gegeben. Orientierung

nicht leicht. Kann Jesaja hilfreich sein?

Zunächst fällt doch auf, dass der Text wie selbstverständlich von der

untrennbaren Einheit von Leib/Seele ausgeht. Beides gehört

zusammen das leibliche und das seelische Wohl. Wie wir es im

Sprichwort kennen: Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen

oder Liebe geht durch den Magen. Die wissenschaftliche Medizin

versucht in der Psychosomatik die Wechselwirkungen von Psyche und

Soma zu erkunden. Schon im Alltag sind solche Wechselwirkung zu

beobachten. Prüfungsangst führt unter Umständen zu Durchfall, sind

wir traurig, fließen Tränen, wir werden rot vor Scham oder Zorn

lassen, uns schlägt etwas auf den Magen. Leib und Seele gehören

zusammen: „Ein fröhliches Herz bringt gute Besserung, aber ein

zerschlagener Geist vertrocknet das Gebein.“ (Spr. 17, 22)

Die eine, richtige, ‚goldene‘ Antwort auf die Frage, was unsere Seele

denn wirklich satt macht gibt es nicht. Aber es gibt Kriterien,

orientierende Fragen, eine gute, zu uns passende Antwort auf dem

Markt der religiösen und spirituellen Möglichkeiten zu finden:

Womit füttern wir unsere Seele? Wie können wir die Metapher vom

‚fetten Schaf- oder Ziegenschwanz‘ für uns übersetzen? Was macht

uns potent und quicklebendig?

Welche Verheißungen sind zuverlässig und tragfähig? Was macht uns

glücklich? Was macht mich zu einem Frommen, also nützlichen

Menschen, einem Menschen, der jubeln, sich des Lebens freuen

kann, und dabei Bedürftige nicht vergisst?

Was löst denn wirklich meine Probleme? Damit sichtbar wird: ich bin

ein herrlicher Mensch, Freund Gottes, Heiliger unter Heiligen. Dass

sogar andere Menschen neugierig werden. Möge ich nicht ungefragt

von meinem Antworten erzählen, aber so leben, dass andere mich

danach fragen.

Wenn wir so fragen, finden wir heraus, dass das Wort Gottes noch

immer ein ‚Premiumangebot‘ unter allen anderen ist.

Gottes Heiliger Geist befestige diese Worte in euren Herzen, damit ihr das nicht nur

gehört, sondern auch im Alltag erfahrt, auf dass euer Glaube zunehme und ihr

endlich selig werdet, durch Jesum Christum unseren Herrn. Amen

Confiteor:

„Ihr seid hier keine Gäste oder Fremde, sondern Mitbürger der

Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ – ermuntert uns der

Epheserbrief. Man könnte übertragen: Ihr seid bei Gott keine

Migranten und Flüchtlinge, die keiner haben will. Bei Gott, ihr seid

wichtige Leute! Oft werden in Deutschland, auch in anderen Ländern

Europas Migranten und Flüchtlingen nicht als lästig wahrgenommen.Wir kommen hier zusammen, um Gottes Einladung zu hören, und

darüber nachzudenken, welche Antwort in unserem Leben darauf

geben. Wir bitten: Gott, erbarm dich, vergib uns unseren zögernden

Glauben und führe uns zu einem guten Leben. Gib, dass wir diesen

Gottesdienst mit einem unbeschwerten Herzen und fröhlichen Lippen

feiern durch Christum, unseren Bruder. Amen. Und wir erhalten zur

Antwort: Gott zeigt uns in Jesus, wie erfülltes Leben geht. Uns ist

vergeben. Alle, die das glauben können, sind Gottes Kinder, sein

Heiliger Geist wird bei ihnen sein. Wer das glaubt, wird selig werden.

Das verleihe Gott uns allen. Amen

Kollektengebet

Gott, tröste uns in unseren Ängsten, sei uns gnädig und erhöre

unsere Gebete. Du lädst uns ein. Wir gehören zu Dir, sind wichtig für

dich. Du willst uns mit deinem Wort stark machen. Das macht

wirklich satt. Lass uns im Glauben wachsen durch dein Wort. Hilf uns,

selbst Boten deiner Einladung an alle Menschen zu sein. Das bitten

wir im Namen Jesu Christi, der uns mit Dir und dem Heiligen Geist

Kraft gibt, heute, morgen und bis an das Ende unserer Tage.

Fürbitte

P: Gott, deine Wahrheit reicht, soweit die Wolken gehen, deine Güte

öffne unsere Herzen und Hände, deine Gerechtigkeit möge uns leiten.

Wir beten:

A: Gott, deine Gerechtigkeit helfe uns, für die einzustehen, die im

Krieg leben müssen, beschossen werden, deren Häuser überflutet

sind, die um ihr Leben fliehen. Wir hoffen auf einen gerechten

Frieden, damit das Töten aufhört und rufen: Kyrie eleison.

B: Gott, deine Güte ermutige uns, Menschen beizustehen, die Angst

haben, sich vor dem morgigen Tag fürchten, weil Wälder brennen,

Böden austrocknen und die Ernte in Gefahr ist. Lass uns den

Hungernden zu essen geben und eine Wohnung denen, die ohne ein

Zuhause leben müssen. Wir bitten: Kyrie eleison.

C: Gott, deine Wahrheit mache uns mit denen solidarisch, die

Flüchtlinge retten, Brücken bauen, die nicht nachlassen uns daran zu

erinnern, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen, damit wir den

Klimawandel stoppen. Wir rufen: Kyrie eleison.

P: Gott. deine Wahrheit reicht, soweit die Wolken gehen. Deine Güte

öffne unsere Herzen und Hände, deine Gerechtigkeit leite uns. Im

Namen Jesu, deines Messias, bitten wir für diese Welt und alle,

Menschen, die auf der Welt leben. Amen. Laudate omnes gentes

Vater unser

Lieder: 304 Lobet den Herren; 390 Erneure mich; 321 Nun danket alle

Gott; 324 Ich singe dir; 140 Brunn allen Heils; 328 Dir , dir o Höchster

will ich singen