Jesaja 60, 1-16 und Matthäus 2, 1-12

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Jes. 60,1-16 und Matth. 2,1-12 (dänische Perikopenordnung)

In unserer schnellebigen und wechselhaften Zeit gibt es immer jemanden,
der unseren Ansichten über alles Mögliche nachspürt. Es
vergeht fast keine Woche, wo man nicht angerufen wird von einem Meinungsforschungsinstitut,
das danach fragt, was man nun von diesem und jenem meint, oder man wird
von irgendeiner öffentlichen oder privaten Firma gefragt, was man
als Kunde von deren Produkten und Dienstleistungen hält. Alles wird
heutzutage erforscht und analysiert.
Deshalb haben wir immer jemanden bei uns, der unsere Art zu leben kommentiert
und sich zu unseren Einstellungen äußert. Man kann manchmal meinen,
daß wir ganz vergessen zu leben, weil wir uns danach einrichten, was
alle diese vielen unterschiedlichen Analysen und Messungen sagen. Das Ergebnis
ist, daß wir furchtbar verunsichert werden, weil sie nicht miteinander übereinstimmen.
Sie wollen nämlich nicht nur informieren, sondern auch die Firma vermarkten,
die die Untersuchungen bestellt hat.
Wo bleibt da die „Wirklichkeit“? Wir können alles analysieren,
alles kommentieren und Kommentare zu allem einholen, was geschieht. Aber wonach
sollen wir uns eigentlich richten?
Gehen wir einmal auf die modernen Analysen unsrer Zeit ein, dann werden wir
ziemlich verunsichert und orientierungslos. Wir wissen bald nicht mehr, woran
wir uns halten sollen, wenn wir unsere Einstellungen bilden. Vielleicht nicht
so verwunderlich, daß es heute in der ganzen Welt eine Tendenz gibt,
sich an das zu halten, was einmal war. Das, was sicher war, oder jedenfalls
das, was uns heute als sicher erscheint.
Es ist für viele Menschen ein Problem, daß wir keine bestimmten
Einstellungen haben, nach denen wir uns richten können. Und wenn wir es
dennoch tun, werden wir bald entdecken, daß wir das gewählt haben,
was andere gestern gewählt haben, aber heute nicht mehr wählen. Wir
sind abgehängt, auf einem Holzwege. Oder wir können entdecken, daß wir
uns auf eine merkwürdige Weise – mitten in einer aufgeklärten Gesellschaft
– in einem undurchdinglichen Dunkel befinden.
Wenn wir nun die beiden alten Texte hören, die zu diesem heutigen Sonntag
gehören, seit er zu einem kirchlichen Feiertag im 2.Jahrhundert wurde,
dann überrascht es uns vielleicht, daß wir keineswegs die ersten
sind, denen es schwer fällt, sich zu orientieren.
Jesaja, der alte weise Prophet, stand seinem Volk äußerst kritisch
gegenüber, weil es sich nicht an das gehalten hatte, was ihm im Gesetz
des Mose verordnet worden war. In den sehr unruhigen politischen Verhältnissen,
die in Israel im 7. Jahrhundert vor Christus herrschten, richteten die Führer
des Volkes nach der Ansicht des Jesaja ihre Meinung je nach Laune. Sie hörten
nicht auf ihn oder andere Propheten. Es schien Jesaja so, als seien sie in
Finsternis verhüllt.
Da hatte er eine Vision, die wir heute gehört haben. Er spricht zum Volk,
daß sie sich erheben sollen. Sie sollen sich aufrichten, sollen sehen,
daß die Finsternis nun ein Ende hat. Da kommt einer, dem die Finsternis
nichts anhaben kann. Um ihn sollen sich alle Völker sammeln. Sie sollen
von weither kommen zu seinem Licht.
Jesaja lebte also in einer Zeit, in der es den Menschen genauso schwer fiel
wie uns, sich in ihrem Leben zurechtzufinden. Er sah, daß nur einer die
Richtung für das Leben der Menschen vorgeben kann, nämlich der Gott,
der uns das Leben gegeben hat. Er ist das Licht, und er ist der unverrückbare
Ausgangspunkt.
Der Text des Evangeliums, der zweite alte Text für diesen Tag, spiegelt
auch die diffuse Auffassung der Menschen von dem wieder, woran wir uns im Leben
orientieren sollen. Diese Weisen sind nicht näher beschrieben. In Wirklichkeit
wissen wir nicht, ob sie Könige waren, wie die spätere Tradition
es sagt, oder ob sie Magier waren, d.h. Sterndeuter. All das sind Ausschmückungen
der Erzählung, die später hinzugekommen sind.
Für mich ist das auch nicht das Wichtigste. Wichtig aber ist, daß der
Bericht von den drei Weisen einige Motive aufnimmt, die wir auch aus der Vision
der Propheten Jesaja kennen, daß nämlich die Völker sich um
das Licht versammeln sollen, daß sich aus ihrer Heimat aufbrechen sollen,
um ihn zu finden.
Die Weisen orientieren sich an den Sternen. Dafür gibt es eine uralte
Tradition. Die Babylonier waren in der Sternendeutung eine der führenden
Nationen, aber wir kennen das Interesse für die Sterne aus allen Völkern
der Erde. In unterschiedlicher Weise hat man die Bewegungen der Sterne und
der Sternbilder mit dem Leben der Menschen verknüpft. Wir kennen das ja
auch selbst. Jede Woche gibt es in den Illustrierten Horoskope, und die Astrologie überhaupt
wird heute mehr ernst genommen als nur vor wenigen Jahren. Die Neujahrszeit
ist auch immer die Zeit der Astrologen, wo sie uns weismachen wollen, daß sie
vorhersagen können, was im neuen Jahr geschehen wird.
Wir wissen auch, daß man sich darauf nicht verlassen kann. Das ist Unterhaltung
und als solche unbedenklich. Für die Weisen war das keine Unterhaltung.
Da war es Ernst. Sie glaubten daran, daß die durch die Beschäftigung
mit den Sternen herausfinden konnten, wie sie ihr Leben leben sollten. Sie
konnten auch durch die Sterne vorhersehen, was die Zukunft bringen würde.
Für sie war mit jedem neuen Stern, der sich zeigte, eine Erwartung verbunden.
Ein neuer Stern war das Zeichen für einen neuen König. Die Sterne
waren Wegweisenr, wenn man in der Nacht unterwegs war, und es lag dann nahe,
sie auch zu Wegweisern für das Leben als solches zu machen.
Es wird uns erzählt, daß diese Weisen durch ihre Tradition und ihr
Suchen nach Sinn zu dem fanden, was das eigentliche Licht ist: Christus. Ihr
Glaube und ihre Lebensweise als Personen und als Volk führte sie auf den
richtigen Weg. Sie wurden über das hinaus geführt, was sie bis dahin
für ihre Lebensgrundlage gehalten hatten, weil sie nicht aufhörten
zu suchen.
Wir können es deshalb ganz mit der Ruhe angehen lassen, wenn unsere Zeit
bejammert wird. Es ist ganz richtig, daß wir in einer Zeit leben, in
der sich alles rasch verändert. Das reicht von den Nachrichten im Fernsehen
bis hin zu dem Filmen mit schnellen Handlungen und der Forderung nach einer
neuen Regierung oder nach Resultaten, die die Betriebe aufweisen sollen. Wir
sind wohl oft ungeduldig und tragen selbst dazu bei, daß die Zeit noch
schnellebiger wird.
Laßt uns aber auch das Positive sehen und das Suchen in all dem stärken,
was gestärkt werden kann. Es gibt einen Wunsch, den Weg zu finden, und
weil es viele Wege gibt, gibt es viel, was nachgeprüft werden muß.
Wir sollen das nicht beklagen. Wir sollen eher daraus lernen. Wir sollen jeder
an seinem Ort einmischen, uns auf dem großen Markt beteiligen und sagen,
daß wir eine Botschaft kennen vom Weg in das Leben, einem Weg, der aus
der Finsternis der Welt und des Gemüts zum Licht führt.
Denn es ist ja so, daß wir unter all dem, was uns beim Finden des Lebensweges
hilft, etwas finden, das viel einfacher und haltbarer ist als alles andere.
Das ist ein Widerspruch, den die Erfahrung am besten beurteilen kann, daß ein
Mensch, der sich in der Finsternis befindet und sich nicht selbst orientieren
kann, dennoch seinen Weg finden und Licht schaffen kann. Wir wissen von allzu
vielen menschlichen Tragödien, daß das menschlich unmöglich
ist.
Wir wissen ja so gut, daß kein Mensch im Grunde auf sich selbst beruht.
Wir wissen sehr wohl, daß kein Mensch sein eigenes Leben schaffen kann.
Wir verwechseln dies oft, wenn wir erfahren und sehen, daß es uns in
vielen Fällen gelingt, einen Teil unseres Lebensweges selbst zu gestalten.
Heute können die meisten jungen Menschen ihr Arbeitsleben selbst mitgestalten.
Und dennoch ist das nur die halbe Wahrheit. Das können nur die Stärksten
und die Glücklichsten. Aber es besteht eine Tendenz, daß Mittel
aus dem einen Bereich in andere Bereiche übertragen werden, wo sie nicht
so brauchbar sind. Wir sehen deshalb, daß man Instrumente der Karriereplanung
und der betrieblichen Steuerung auf den privaten und persönlichen Bereich
anwendet. Der Mensch, der die voll anwendet, wird stets zu kurz kommen und
in der Finsternis enden. Aus einem bestimmten Grund: Man kann seine Mitmenschen
nicht zu Steinen in einem solchen Spiel machen, ohne ihnen damit ihre Menschlichkeit
zu nehmen.
Da wird der sorgende und planende Mensch einsam und finster. Das haben viele
in diesen Jahren entdeckt. Das braucht man auch nicht zu bedauern. Das ist
wohl auch der Grund, warum alle heute nach dem fragen, was unsere gemeinsamen
Werte sind.
Ich halte nicht viel von dieser Diskussion, weil ein Wert etwas ist, was man
festlegt, wenn man ein Geschäft macht. Ich möchte lieber davon sprechen,
was für eine Auffassung vom Menschen unsere Kultur trägt. Darin können
wir einen Leitstern sowohl für unser persönliches Leben als auch
unseren Beruf finden.
In einer so vielfältigen Kultur wie der unsrigen gibt es nicht nur eine
Auffassung vom Menschen sondern viele. Das ist der Hintergrund für die
politischen Ideologien. Dennoch gibt es eine grundlegende Auffassung, die wir
in vielen Schichten der Geschichte und der Traditionen finden, auf denen wir
bauen. Diese grundlegende Auffassung entstammt dem Christentum, und dies ist
einer der tragenden Elemente, die sich durch alle Geschichten und Berichte
der Weihnachtszeit hindurchziehen.
Die beiden Elemente sind einmal die Erzählung, daß das Licht in
Jesus Christus in die Welt gekommen ist. Gekommen in einem Menschen, der auch
Gott ist, und der der Leitstern im Leben aller Menschen ist. Er ist es nicht
nur für Juden, er ist es auch für Heiden, für die Weisen, er
ist es für alle. Das zweite tragende Element ist eben dies, daß er
für alle da ist, und daß er uns aus der Finsternis befreit, in die
wir geraten, wenn unsere Welt nur aus einem einzigen Menschen besteht, nämlich
uns selbst.
Das Menschenleben ist durch Abhängigkeit geprägt. In der Begegnung
zwischen zwei oder mehreren Menschen entsteht das Licht. Wir sind Boten, wir
suchen nach dem Licht für uns selbst, aber wir bringen es zugleich zu
einander.
Es gibt eine alte Legende, mit der ich heute gerne meine Predigt abschließen
möchte. Sie erzählt, daß es nicht drei, sondern vier Weise
waren. Der eine kam nur nicht mit. Nebenbei gesagt – geht einmal auf die Empore
unserer Kirche und findet das große Bild von den Weisen, die Jesus in
Bethlehem finden. Ist da nicht ganz links auf dem Bilde ein vierter Weise?
Die Legende vom vierten Weisen erzählt, daß er, als er den neuen
Stern sah, erst alles verkaufte, was er hatte, und drei kostbare Steine kaufte.
Einen blauen Safir, einen roten Rubin und eine weiße Perle. Das sollte
sein Geschenk für den neuen Königssohn sein.
Gerade als er sich auf den Weg machen wollte, brach eine Krankheit in seiner
Stadt aus, und er mußte dableiben, um zu helfen. Er vergaß völlig,
daß er eigentlich reisen wollte. Er verkaufte gar den blauen Safir, um
Nahrung für die Kranken zu kaufen.
Als alles vorbei war, waren die anderen drei Weisen längst über alle
Berge. Der vierte Weise mußte deshalb alleine reisen. Er kam nach Bethlehem
und wurde dort Zeuge der großen Tragödie, daß König Herodes
aus Furcht vor dem neuen König alle Knaben in Bethlehem unter zwei Jahren
umbringen ließ. Der Weise verkaufte den roten Rubin, um mit dem Geld
den vielen Familien zu helfen, die Hilfe brauchten.
Der Weise fand heraus, daß Joseph mit Maria und Jesus nach Ägypten
geflohen war. Er versuchte deshalb, forthin zu reisen, aber er traf immer wieder
Menschen, die seiner Hilfe bedurften, so daß auch das Jesus-Kind auch
in Ägypten nicht fand.
Viele Jahre später war er noch immer unterwegs, um den König zu finden,
zu dem ihm der Stern den Weg gewiesen hatte. Er kam denn auch nach Jerusalem,
gerade zu dem Zeitpunkt, als die ganze Stadt verlangte, daß Jesus gekreuzigt
werden solle. Der Weise war entsetzt und wollte es verhindern. Er verkaufte
seine weiße Perle, um Jesus freikaufen zu können. Er machte sich
eilends auf nach Golgatha, aber wieder traf er auf einen Menschen, der seine
Hilfe brauchte. Das war ein junges Mädchen, das auf der Flucht war vor
einigen Männern, die es als Sklavin verkaufen wollten. Er kaufte sie frei.
Nun hatte er keines seiner drei Geschenke mehr, und er kam nach Golgatha gerade
zu der Zeit, als Jesus am Kreuz starb. Alles war zu spät!
Beim Tode Jesu zerriß der Vorhang des Tempels in zwei Teile, der Felsen,
auf dem Golgatha lag, zebarst, und ein Stein traf den vierten Weisen an der
Stirn. Er fiel um, aber in einem Traum sah er, daß der Königssohn,
der in Bethlehem geboren war, seine kostbaren Geschenke erhalten hatte. Den
der blaue Safir, der rote Rubin und die weiße Perle funkelten in der
Dornenkrone Jesu.
Soweit die Legende. Sie ist wie kaum eine andre, darin ganz parallel zu den
Texten aus Jesaja und dem Matthäusevangelium, eine Erzählung davon,
daß das Licht in Jesus Christus in die Welt gekommen ist und daß wir
es ganz bei uns und um us suchen sollen. Er ist dort, wo wir Menschlichkeit
beweisen, die uns gebietet, uns einander anzunehmen, die uns gebietet, dem
anderen in Augenhöhe zu begegnen und ihm zu helfen. Damit geben wir unsere
Geschenke an Christus. Und er trägt diese Geschenke mit in seinem Leiden
und seiner Auferstehung.
Da hat Grundtvig ja ganz Recht, wenn er sein Lied über die Weisen („Dejlig
er den himmel blå“) mit den Strophen schließt:

Ja, so führte einst der Stern,
Weise hin zu unserm Herrn.
Uns ist auch ein Stern gegeben,
folgen dem wir treu im Leben,
kommen wir zu Jesus Christ.

Dieser Stern so hell und mild,
der verheißt, was ewig gilt,
scheint in Gottes Wort, dem klaren,
das er uns ließ offenbaren,
uns zu leuchten auf dem Weg.

Amen.

Propst Poul Henning Bartholin
Selsvovvej 42
DK-4200 Hillerød
Tlf.: ++ 45 – 48 24 90 50
E-mail: phb@km.dk