Jesaja 62,6-7.10-12

· by predigten · in 21. So. n. Trinitatis, 23) Jesaja / Isaiah, Altes Testament, Archiv, Beitragende, Bibel, Deutsch, Kapitel 62 / Chapter 62, Kasus, Matthias Petersen, Predigten / Sermons

21. Sonntag nach Trinitatis | 4.11. 2001 | Jesaja 62,6-7.10-12 | Matthias Petersen |

Gedenktag der Reformation – Einführung der Vorkonfirmanden

am mittwoch war reformationstag

ich sag bewußt war

und nicht

haben wir gefeiert

das haben wir nämlich nicht

es waren herbstferien

da fallen auch die traditionellen schulgottesdienste aus

und

hand aufs herz

den meisten von uns

fällt zum reformationstag ohnehin nicht viel ein

martin luther

ein feste burg ist unser gott

ok

95 thesen

auch gut

entstehung der evangelischen kirchen

das wars dann auch schon

eigentlich schade

denn

der reformationstag kann uns auch heute

an vieles erinnern

damals

vor 500 jahren

hatte ja

die kirche sich weit weit entfernt

von den menschen

kirche hätte längst nichts mehr mit den menschen zu tun

bloß die

schade

konnten der kirche nicht weglaufen

innerlich schon

das taten sie auch zur genüge

aber

kirchenaustritte

die gabs ja noch nicht

aber erreicht hat die kirche sie

trotzdem

nicht mehr

die menschen

da hat dann martin luther

sehr ausdrücklich

darauf bestanden

daß die kirche für die menschen da sein muß

daß alle menschen

daß auch kinder jugendliche

daß auch ungebildete

verstehen

was es auf sich hat

mit gottes liebe

mit gnade

mit vergebung

er hat die menschen ernstgenommen

die bauern die kleinen händler die knechte

das hat ihnen gut getan

zu hören

du bist getauft

du bist ein priester jesu christi

du bist gott unendlich wichtig

du bist kein kleines licht

du bist etwas ganz besonderes

weil gottes liebe

dich zu etwas ganz besonderem macht

das ist ein gedanke

bei dem bleibt einem die luft weg

und

damit menschen das verstehen können

muß kirche die sprache der menschen sprechen

muß kirche sich immer wieder erneuern

reformieren

tag für tag

jahr für jahr

das ist mühsam

das ist unangenehm

das stellt uns immer wieder neu in frage

das stellt vor allem die trockenen plätzchen in frage

die sich jeder von uns erarbeitet hat in der kirche

aber nur so

und nicht anders

indem sie sich verändert

kann kirche kirche bleiben

ein kluger zeitgenosse hat das so gesagt

wer will daß kirche so bleibt wie sie ist

der will nicht daß sie bleibt

recht hat er

der reformationstag ist ein wichtiges fest

auch wenn

oder besser

gerade weil

viele gemeindeglieder und pastoren

lieber ein

laßtbloßallesbeimaltenfest feiern würden

mit diesen überlegungen im hinterkopf

hören wir einen abschnitt aus dem buch des propheten jesaja

lesung jesaja 62, 6-7.10-12

was war passiert

da hatten die israels

70 jahre lang

in babylon in der gefangenschaft geschmort

und endlich durften sie nach hause

aber da lag alles in trümmern

mühsam und stöhnend versuchten sie

ihr land wieder aufzubauen

das ging nur schleppend voran

arbeitslosigkeit

hunger

krankheiten

feinde

sie waren schon nach kurzer zeit restlos bedient

und verloren den mut

aber dann kam ein mensch

ein gewisser jesaja

im namen

im auftrag gottes kam er

und sagte

leute

setzt prioritäten

überlegt euch was am wichtigsten ist

first things first

na klar

sagten die leute

wohnungkleidungnahrungarbeitsicherheit

wissen wir längst

nein

sagt jesaja

nicht wohnungkleidungnahrungarbeitsicherheit

sondern gott

liebegnadevergebungzukunftszuversicht

baut erst mal den zerstörten tempel in jerusalem wieder auf

das haus gottes

die kirche

damit ihr wieder eine mitte habt

damit ihr wißt

wo ihr hingehört

das ist wichtig

daß menschen wissen wo sie hingehören

wissen wir das denn

was ist unsere mitte

wofür lohnt es sich zu leben

darüber wollen wir im konfirmandenunterricht

miteinander reden

was wo ist unsere mitte

das ist eine gute reformationstagsfrage

lohnt es sich zu leben für

eigenheim

computer

mallorca

klamotten

neues auto

nichts dagegen

das ist alles ganz schön

aber

lohnt es sich

dafür zu leben

wie

wenn wir diese frage mit nein beantworten

dann bricht unsere ganze wirtschaft zusammen

darum

ihr seht

sie sehen

der reformationstag hat es in sich

da ist zündstoff drin

und dann

sagt jesaja

ich brauch ein paar leute

viele leute

ganz viele

eigentlich alle

ich brauche wächter

menschen die aufpassen was geschieht

die den mut haben

den mund aufzumachen

und gott zu rufen

ihm gut zuzureden

ihn anzubrüllen

ihn zu erinnern an das

was er versprochen hat

er hat doch versprochen

uns nicht alleinzulassen

er hat doch versprochen

zu kommen

wir müssen ihn daran erinnern

wir müssen ihm sagen

wie viele menschen verhungern tag für tag

wie viele unschuldige gestorben sind in new york

wie viele unschuldige sterben unter den bomben in afghanistan

wie viele menschen sich das leben nehmen vor einsamkeit

wie viele kinder mißbraucht werden zu hause

wie viele frauen zur prostitution gezwungen werden

wir müssen ihm das alles sagen

und wißt ihr was

jesaja vertraut darauf

daß gott zuhört

daß der große gott

auf die stimme der kleinen menschen hört

so wichtig nimmt er uns

das ist ja die wiederentdeckung der reformation

gott hört auf uns

gott nimmt uns ernst

wir sind ihm wichtig

wir dürfen ihm alles sagen

wieder und wieder

das muß nicht der pastor für uns tun

gott hört jeden und jede von uns

auch kinder

auch jugendliche

eure stimme als konfirmand/innen

wiegt nicht geringer vor gott

als die stimme eurer eltern

oder meine

eher mehr

gut

sagt jesaja

und nun räumt die steine aus dem weg

räumt alles aus dem weg

was den menschen den zugang zum tempel

den zugang zu gott versperrt

räumt alle hindernisse beiseite

die leute sollen es doch leicht haben

zu gott zu finden

wissen sie

wißt ihr

was ich glaube

der alte jesaja muß so etwas gewesen sein

wie der martin luther des judentums

der hat von den menschen her gedacht

und von ihrer sehnsucht nach gott

und hat überlegt

wie kann man es den menschen einfacher machen

in der ersten woche der herbstferien

war ich mit jugendlichen des kirchenkreises

im kloster taizé in frankreich

ich habe

wieder einmal

erlebt gesehen

wie 1000 jugendliche

ernst und gesammelt

nach den quellen unseres glaubens suchen

im sommer waren es sogar 6000

woche für woche

warum fahren sie dorthin

warum suchen sie nicht hier

warum nicht in der stadtkirche in preetz

das geheimnis ist gar kein geheimnis

die mönche in taizé haben sich auf die

jugendlichen eingestellt

sie kommen ihnen entgegen

in der sprache

in den liedern

in der form der bibelarbeit

im gemeinsamen leben

die brüder wollen den jugendlichen dienen

darum kommen die jungen leute in scharen zu ihnen

und

weil sie dort ganz ernstgenommen werden

niemand sagt

werd erst mal was

niemand sagt

da kannst du noch gar nicht mitreden

niemand sagt

das haben wir schon immer so gemacht

und

da könnte ja jeder kommen

in taizé wird jeder jede ernstgenommen

darum kommen die menschen

vor allem die jugendlichen

die brüder in taizé haben begriffen

was reformation ist

sie leben reformation

jeden tag neu

ich sag das mal ganz zugespitzt

reformationsfest zu feiern

das heißt nicht

ein feste burg ist unser gott zu singen

das heißt auch nicht

luther zum heiligen zu erklären

und zur letzten instanz in theologischen streitfragen

sondern

reformationsfest zu feiern heißt

es zu machen wie luther

die menschen ernst zu nehmen

genau zu hören auf ihre fragen

und immer wieder neu zu fragen

wie können wir kirche so verändern

daß menschen den weg zu ihr finden

wie können wir die steine aus dem weg räumen

den ganzen schutt der jahrzehnte und jahrhunderte

der sich aufgetürmt hat zwischen gott und uns

zwischen der kirche und den menschen

das ist eine riesenaufgabe

die kann niemand allein bewältigen

dazu braucht es viele menschen

alte und junge

dazu brauchen wir auch euch

jugendliche

konfirmanden

sie

die eltern und paten

auch

wenn sie vielleicht schon länger

wenig kontakt gehabt haben zu kirche

ihr werdet gebraucht

sie werden gebraucht

reformation kann niemand allein machen

reformation müssen wir zusammen machen

damit geschehen kann

was wir im vaterunser erbitten

und was uns

christinnen und christen aller konfessionen

verbindet

dein reich komme

beten wir

und sagen damit unsere hoffnung

daß

endlich

alles aus dem weg geräumt wird

was uns von gott trennt

und

daß gott selbst zu uns kommt

und unserer not auf dieser erde

ein ende macht

amen


Matthias Petersen

petersen.m@t-online.de