Jesaja 9,1-6

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Niederkunft oder VorRatsspeicher, aus dem Gott Leben sendet | Christvesper | 24.12.24 | Jes 9,1-6 | Markus Kreis |

1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Geschenke austeilen, ja, das passt zu Weihnachten. Aber das, was da im Bibeltext steht? Das klingt, als ob die Zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr zu Wort käme: Sich freuen beim Beute empfangen! Jawoll HErr Zebaoth! Zu Befehl HErr Zebaoth! Das soll zu Frieden und Freude in der Weihnacht passen?

Ja, das tut es. Ein bisschen habe ich gebraucht, um zu kapieren, weshalb das passt. Das Problem war: Beute austeilen, da sind mir gleich glänzende Sieger vor Augen gekommen. Aber hier geht es um andere Leute, um Besiegte, um Opfer, um Untergebene, um Übersehene, um die, welche in der Nahrungskette weiter unten stehen. Die kriegen Beute ausgeteilt. Und die dürfen und sollen sich darum freuen. Ja, gibt es denn so was? Sieglose, die Beute abkriegen? Nun ja, jeder, der sich in Sachen Seele etwas auskennt, der weiß: Das geht jedem Fan und Anhänger so. Jeder, der ein Idol aus Musik oder Sport oder sonst woher in seinem Leben feiert und verehrt, der kriegt etwas zurück, und zwar von dessen Glanz, und sonnt sich darin. Ein Vorgang, von manchen als Opium fürs Volk gewertet. Denn statt einem Machtwechsel durch Teilhabe bleibt da in Wirklichkeit alles beim Alten. Die Heilige Schrift bedeutet hier aber einen echten Machtwechsel. Echte Beute für echt Besiegte! Gemeint ist das Volk Israel, das sein Heimatland im Krieg ab- und aufgeben musste, zwangsweise Auswandern musste in die Fremde. Oha, ganze Völker auf der Landkarte hin und herschieben, das war schon immer ein Thema der Menschheit und wird es bleiben. Hoch der Perserkönig Kyros, nieder mit Babylons Nebukadnezar. Ein plötzlicher Machtwechsel in der großen Politik hat die Lage geändert: von großer Ohnmacht zu begrenzter neuer Herrschaft. Die ob Niedergang und Verlust traurigen Juden dürfen wieder zurück ins alte Land und dort nach ihrem Gutdünken leben. Laune des Schicksals oder Wille Gottes? Für Israel war die Sache klar: Sein Gott ist und bleibt im Spiel, egal was in der Welt Schlimmes vor sich geht. Gott ist der Dritte, mit dem kaum einer rechnet. Dank ihm bekommt Mensch zurück, was ihm vom Mitmenschen entrissen wurde. So viel ist dem unten in der Kette zu gönnen von dem, der über ihn bestimmt.

Bei diesem Neuanfang vor 2500 Jahren wollten es die Nachkommen in punkto Recht und Gerechtigkeit besser machen als die Vorgänger. Deren Unrecht hatte schließlich zu Krieg, Ende Gelände und Exil der Israeliten geführt. Dieses besser machen wollen zeigt sich sprachlich, nämlich in den Beinamen, die im Text auftauchen: Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst. Es sind sprechende Namen. Ähnlich den Jugendwörtern wie dem Talahon, was soviel heißt wie: Komm her! Wer kennt noch Old Shatterhand? Oder ist die alte Zerschmetterhand schon so am Sterben wie vielleicht der gute Gotthold oder Friedhelm? Bei Jesaja sind es sprechende Doppelnamen, die dem Schema Licht und Finsternis folgen. Will sagen, Jesaja hat lauter alte Knaben und schwarze Schimmel getextet. Denn der erste Name steht für was Gutes, der zweite Name für etwas, mit dem man eher Schlimmes verbindet.

Wunder, Gott, Ewig, Friede, das ist alles gut. Das wird entsprechend kombiniert mit der dunklen Seite der Macht: Rat, Held, Vater, Fürst. Wenn sie sich fragen, was an Rat, Held, Vater und Fürst denn schlimm sein soll, dann gucken sie sich mal am Gabentisch um: Der Onkel, der politisch alles ganz genau weiß, und dies auch ständig betont und sagt, wie es wirklich funktioniert. Wahlweise die Tante in Sachen Ernährung oder Gesundheit. Sie dürfen dabei die Geschlechter ruhig tauschen. Das Wunderkind, das großspurig von der Welt plaudert, die ihm bald zu Füßen liegen wird. Der Vater, der mit den Schultern zuckt oder sich schweigend aus allem raushält. Ein Schwager, der rumkommandiert oder rumbrüllt, wenn ihm etwas zuwider ist. Eine Cousine, die unter Dampf steht, aber gute Miene zum bösen Spiel macht und abwartet, bis sie mit Austeilen dran ist. Da ist doch jede und jeder einer, der das Fest aufmischen kann.

Rat, Held, Vater oder Fürst. Deren Unrecht hatte für das Volk Israel den Niedergang und Verlust der Heimat schwer beschleunigt. Das sollte nach dem Exil anders und besser werden. Bei Helden und Idolen wie David stellte sich oft heraus, dass sie Mut und Talent nutzen, um Menschen zu verführen. Statt andere zu ermutigen, auf Gott zu vertrauen und sich von ihm führen zu lassen. Die Rückkehrer aus dem Exil dachten damals: Ab jetzt fahren Helden, Idole und soziale Zugochsen nur noch auf Gott ab, statt selbstverliebt ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Oder siehe Petrus: Väter von Kind, Land und Kirche wie er wandern manchmal früh aus der Familie und Beziehung aus. Erst innerlich, abwesend obwohl anwesend – oft machen sie dann auch tatsächlich die Biege. Will sagen: Obwohl zuständig und verantwortlich, hat mancher die Arme rechtwinklig hochgebeugt, dabei die Handteller flach nach oben, hat gesagt, ich bin unschuldig, ich kann nix dafür, hab alles gemäß Vorschrift gemacht, kann sich rausreden und verleugnen. Die Rückkehrer dachten damals: Zuständige stehen ab jetzt gerade für ihr Tun, sie übernehmen Verantwortung statt sich dank Rechtslage raus zu ziehen. Fürsten setzten vorher gerne auf heimlichen Zwang, Gewalt und Krieg, um Machtprobleme zu lösen wie Israels Zedekia oder sein Gegner, Babylons Nebukadnezar. Öffentlich Verhandeln, um einen Kompromiss zu finden oder sich zu einigen, das war weniger ihr Ding. Oder siehe manche Propheten am israelischen Königshof: Vormals Ratgeber, Experten vom Fach, die seriös scheinen und deren Tun doch fragwürdig erschien. Vielleicht klappt das mit einem guten Rat in einem Standardfall. Aber Mensch kennt auch das: Wer sieht sich als Durchschnittsmensch von seinen Beratern wirklich eingehend beraten statt nur verwaltet? Sei er Steuerzahler, Sparer, Nachwuchssportler? Zahlen sie solchen freiwillig mehr, als diese verlangen! Nachdem Mensch sich bei einem weniger einfachen Problem beraten ließ – wer wusste danach genau Bescheid, und was nun zu tun ist? Tatsächlich gut beraten, egal ob von Fachexperten oder eigener Recherche im Internet? Sie? Ja. Sie Glückliche! Danken sie Gott. Denn so soll es sein: Ein Rat hilft dem Nachfrager tatsächlich. Also mindestens genauso viel, wie er dem Anbieter hilft, der dafür schließlich kassiert. Die Rückkehrer aus dem Exil dachten: Das soll von nun an so werden. Hinter einem Rat und seinem Anbieter soll Gottes VorRatsspeicher. stehen. Also sein Urteil, dem Sieglosen Recht und Leben zu gönnen, auch wenn er es verwirkt hat. Dazu hat sich Gott von je her entschlossen und als maßgeblich abgespeichert.

In der Heiligen Nacht hat sich gezeigt: Gott steht zu seinem Vor-Rat: Dass er jedem Sieglosen Leben und Recht gönnt, selbst wenn er das aus eigenem Unrecht verwirkt hat. Er, der Höchste, gönnt sich nämlich denen ganz unten in der Kette. Er kommt schließlich in der Krippe einer Scheune zur Welt. Einem sehr kleinen Vorratsraum, aus dem Lamm, Zicklein und Kalb fressen. Und bietet sich damit denen zum Fraß, die zu allererst gefressen werden, die ganz unten in der Nahrungskette stehen. Lamm Zicklein, Kalb, Baby, beglotzt und rumgeschubst von Muttertier, Mannsgehörn und Hütehund. Gehetzt und aufgezehrt von Raubtier und Mitmensch. Für Gott ist jeder Mensch die Futterkrippe, aus der er sich nährt und entwickelt. Denn das kann und tut ein jeder: Irgendwo verloren im Leben rumstehen, und sei es nur als Totholz. Jeder Mensch ist ein kleiner VorRatsspeicher, aus dem Gott sein Gönnen in der Welt bewirkt: Ein strittiger Experte wirkt dann als Wunderrat wie der Prophet Jeremia, ein egoistisches Idol wirkt als Gott-Held wie David, ein falsches Unschuldslamm als Ewig-Vater wie der Verleugner Petrus, ein Ansager und Eroberer als Friedefürst wie der Perserkönig Kyros. Seine Niederkunft in der Krippe, das ist der VorRatsspeicher, aus dem Gott stetig Leben sendet. Ehre ihm in der Höhe und auf Erden Fried und den Menschen ein Wohlgefallen. Amen.

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