
Joel 2,12-19
Gottes Vorherrschaft: Der Vorrat, der mit Reue und Verzicht versorgt | Aschermittwoch | 05.03.25 | Joel 2,12-19 | Markus Kreis |
12Doch auch jetzt noch, spricht der Herr, kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen! 13Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zu dem Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es reut ihn bald die Strafe. 14Wer weiß, ob er nicht umkehrt und es ihn reut und er Segen zurücklässt, sodass ihr opfern könnt Speisopfer und Trankopfer dem Herrn, eurem Gott. 15Blast die Posaune zu Zion, sagt ein heiliges Fasten an, ruft einen Feiertag aus! 16Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde, sammelt die Ältesten, bringt zusammen die Kinder und die Säuglinge! Der Bräutigam gehe aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Gemach! 17Lasst die Priester, des Herrn Diener, weinen zwischen Vorhalle und Altar und sagen: Herr, schone dein Volk und lass dein Erbteil nicht zuschanden werden, dass Völker über sie herrschen! Warum willst du unter den Völkern sagen lassen: Wo ist nun ihr Gott 18Da eiferte der Herr um sein Land und verschonte sein Volk. 19Und der Herrantwortete und sprach zu seinem Volk: Siehe, ich will euch Getreide, Wein und Öl die Fülle schicken, dass ihr genug daran haben sollt, und will euch nicht mehr unter den Völkern zuschanden werden lassen.
Gottes Vorherrschaft: Der Vorrat, der mit Reue und Verzicht versorgt. Was sucht hier das Wort Vorrat? Zum einen sagt Gott gemäß Joel zu: Ich halte jede Menge nahrhafter Waren bereit und verteile die an die Meinen. Zum anderen: Vorrat kommt vom Vorrat. Hört sich komisch an. Gibt aber Sinn, wenn man sich klar macht, dass im Wort Vorrat zweierlei Bedeutung steckt. Zum einen im Sinn von Gespeichertem: Ein Vorrat an Brot, Holz, Werkzeug, Geld. Zum anderen im Sinne von Ratschluss oder Urteil. Ein Beraten oder ein Urteil also, das stets vorgängig ist, vor allem anderen gilt. Welches also anderen Ratschlüssen oder Urteilen zuvorkommt. Und zwar so, dass diese anderen Ratschlüsse und Urteile von diesem Vor-Rat abhängig sind. So dass die deshalb darauf aufbauen müssen anstatt den Vor-Rat zu missachten. Sich einen Vorrat an welchem Material auch immer zu halten, das entspringt einem Beraten und Urteil. Und das gehört spätestens seit Josefs Traumdeutung für den Pharao unbedingt zum Leben der Menschen. Einen Vorrat an welchen Sachen auch immer zu haben, entspringt einem Vor-Rat aus Gott, also einem Urteil, das immer gültig ist. Gott hat die Vorherrschaft in der Welt und Schöpfung. Und durch den bei ihm gespeicherten Vorrat an Vorrat teilt er uns das mit. Lässt uns an seiner Vormacht teilhaben. Macht und Herrschaft, mit oder ohne das Wort vor dabei, da klingt etwas auf.
Der Wille zur Macht, Einfluss auf die Dinge zu nehmen, die Welt zu gestalten, spüren, dass man wirksam ist im Leben. Das gehört zu dem, was ein Mensch will und sich wünscht. Davon wussten schon die Alten, welche die Geschichten von der Schöpfung erzählt haben. Und das fängt schon bei Kleinkindern an. Das wird eingeübt, wenn die zum Beispiel mit Bauklötzen spielen. Eine Mauer oder Trasse im Wohnzimmer, längliche Klötzchen, eins an das andere gelegt, die kleinsten Flächen berühren sich dabei jeweils. Dann das gleiche noch Mal, bloß senkrecht, ah, ein Turm. Und oh, der fällt relativ schnell in sich zusammen, wenn man auf ihn auf die gleiche Art legt wie die Trasse. Also nimmt man lieber die größere Fläche der Klötze zum Stapeln. Und verbreitert außerdem das Fundament, dann erreicht man mit dem Bauwerk noch mehr Höhe. Aber zusammen krachen lassen macht auch Spaß. Kleinkinder üben das Gestalten der Welt nicht nur an toten Objekten, sondern auch an lebenden. Kuscheltiere und Puppen bilden dabei den Übergang. Oft stellen diese einen Ersatz für die näheren Mitmenschen des Kleinkinds dar, Mama, Papa, Schwester, Bruder usw. Und mit ihnen wird nachgespielt, was in der Familie passiert. Aber das, was passiert, wird mit den Figuren auch verändert und variiert. Wenn das Kind da allein und nur für und mit sich spielt, dann fallen die Worte und Sätze neu und etwas anders als üblich, nämlich so, wie sich das Kleinkind den Verlauf und das Ziel von Gesprächen jeweils wünscht. Das größte ist eh, wenn man es als kleines schwaches Kind schafft, die großen, starken Erwachsenen nach seinem Gutdünken im eigenen Zimmer zu bewegen. Mama ist blöd, Mama soll weg. Papa ist lieb, der soll hier im Zimmer bleiben und allein mit mir spielen. Und später im Beruf, da wirkt Mensch entweder auf eher starre Objekte ein, wie Stein oder Holz, oder auf die Bewegung von Elektronen in Kupfer oder im Rechenwerk eines Computers, oder auf lebendige Partner, die nicht Menschen, sondern auch Tiere sein können. Ein Arzt oder Doktor zum Beispiel muss sich in beiden Bereichen gut auskennen und Einfluss nehmen können, in den Gesetzen und Vorgängen der Natur, aber auch in den Vorgängen von Geist und Seele. So weit so gut: Einfluss auf die Dinge nehmen, die Welt gestalten, spüren, dass man wirksam ist im Leben von Mitmenschen, das gehört dazu. Und auch, dass es da manchmal ungleich zugeht. Einige treten dominant auf und bringen auch mehr zuwege als andere. Andere wirken eher auf Anruf und im Stillen und weniger. Und natürlich gibt es auch stille Dominanz und lautes Unterstellt sein. Herrschaft und Ränge, höhere und weniger hohe, sind ebenso Teil des Lebens in Gott, alles schön und gut.
Anders sieht es schon aus mit dem, was man mit dem Wort Vorherrschaft benennt. Sozusagen der Versuch, durch eigenes Wirken seine Schäfchen mit aller Gewalt im Trockenen zu halten. Wo eine Vormacht herrscht, da haben bestimmte Arten der Wirksamkeit, des Einflusses und Gestaltens ein Übergewicht im Vergleich zu anderen. Und zwar so viel Übergewicht, dass diese anderen unterdrückt werden, kaum die Chance kriegen, hoch zu kommen und gelebt zu werden. Obgleich sie genauso möglich und rechtens lebbar wären wie die, welche gerade die Ruder behaupten. Manche sagen, das gilt auch für bestimmte Menschengruppen wie die Boomer zum Beispiel oder weiße Männer in ihren Fünfzigern. Dass Jungens eine Vorherrschaft gegenüber Mädchen genössen, hieß es seit langem, inzwischen gibt es Stimmen, die sagen: Das verhält sich inzwischen genau umgekehrt, oder? Und wie steht es mit der Vorherrschaft der Alten über die Jungen?
Klar es gibt Arten der Vormacht, die Mensch breit akzeptiert und die legitim ausgeübt werden. Denn die Menschheit hat damit auf lange Sicht gute Erfahrungen gemacht: Eltern gegenüber Kindern in der Erziehung, um letztere zu schützen und sich gut entwickeln zu lassen. Dazu gehört auch die Schule mit und die Bildung. Zum weiteren Beispiel sei das genannt, was zur Sicherheit in Arbeit und Technik vorgeschrieben ist, aber auch das Verfolgen von Gesundheit als Ziel für den Einzelnen, für den Staat und die Gesellschaft. Bei Leistung im Sport findet Vorherrschaft weite Akzeptanz, auch dass es bei der Arbeit Häuptlinge und Indianer gibt.
Und es gibt Arten von Vorherrschaft, die umstritten bis abgelehnt sind unter den Menschen. Deutschland, Deutschland über alles in der Welt! Was dieser Anspruch an Vorherrschaft über die Welt gebracht, das ist aus der Geschichte bekannt. Auch der fast parallele Versuch, totaler Gleichheit den Vorrang zu geben, führte zu einem sehr ähnlichen Desaster. Sklaverei wird leider immer noch praktiziert in der Welt, soll, muss und wird im Sinne von Recht und Gerechtigkeit jedoch bekämpft.
Welche Arten von Vorherrschaft prägen unser Leben, drücken ihm Stempel um Stempel auf? Die Wirtschaftsform, die im Westen vorherrscht, ist der Kapitalismus. Der variiert von Land zu Land etwas, mal mit mehr, mal mit weniger Einwirkung durch den Staat oder den Markt für Güter und Geld. Bisher verhält es sich so: Jeder, der damit lebt, hat irgendwie teil an dessen Profit und Vorherrschaft gegenüber denen, die anders wirtschaften. Ob das ein Mensch dort will oder nicht. Kapitalismus ist im Grunde eine sehr egoistische Sache. Und so gab es und gibt Versuche, seine Vormacht zu brechen und zu ersetzen. Was deren Erfolg angeht, das lassen wir hier aus. Aber mal darauf achten, was in China die nächsten Jahre passiert. Die Eingriffsmacht des Staats fasse ich mal unter dem Wort Bürokratie zusammen, ebenfalls eine Vorherrschaft, die kräftig in unserem Leben mitmischt. Sie soll das freie Spiel der Kräfte am Markt bändigen und für Ordnung, Recht und Frieden sorgen. Und das ist gut so. Aber wie beim Kapitalismus auf seinem Feld der Wirtschaft und Finanzen: Bürokratie funktioniert alles andere als reibungslos oder gar fehlerfrei. Auch da wollen einige mit aller Gewalt ihre Schäfchen trocken halten. Siehe die Cum Ex Affäre, siehe den Fall Wirecard. Da hat auf lange Zeit alle Aufsicht und Kontrolle trotz großem Aufwand versagt und tut es immer noch. Viele Experten in Recht und Verwaltung sahen und sehen sich an der Nase rum- und vorgeführt. Ein Landrat in Rheinland-Pfalz, der nach einer Katastrophe unter seine Ägide im Amt bleiben will, weil das geltende Recht seinen Kampf und Prozess möglich macht. Und weil der Mann als Knabe vielleicht in der Schule gefehlt hat, als der alte Gedanke der schuldlosen Schuld im Unterricht erörtert worden war. Sich ins Schwert zu stürzen, das erwartet heute keiner mehr. Entsprechend ein Baubürgermeister in Sachsen, von einer anderen Partei, der Schaden in Euro, der eingetreten ist, ist da allerdings um einiges geringer, aber für Otto Normal immer noch ein sehr fetter Batzen. Streifen wir noch andere Gebiete der Vorherrschaft. Künstliche Intelligenz dürfte gerade einen Vorrang entwickeln, was alles Technische angeht. Der Genuß von Kultur rückt immer mehr ins Internet oder ins Digitale, auch wenn beim Essen, Trinken, Sport und Sex die Körper weiterhin gefragt sind und im Spiel bleiben werden. Die Produktion von Kultur im Datennetz greift vermehrt zu echt tierisch vegetativen Mitteln und Zeichen. Und fördert sozusagen das Aus für Smoking und Abendkleid, das Ende vom alten Knigge. Hauptsache, ordentlich getriggert, aufgewühlt und erregt, dass nur ja die Leute aufmerksam und für eine Weile Follower werden. Vielleicht gibt es mal einen Datenknigge.
Wir haben gesehen: Vorherrschaft ist immer wieder umstritten, wandelt sich, wird abgelöst. Die Kirche weiß ein Lied davon zu singen. Wenn die religiöse Vormacht der Volkskirche jemals so groß war, wie man heute meint, dann verliert sie diese rasend geschwind. Es läuft in Sachen Religion und Glaube eher alles in Richtung Flickwerk und verworrene Vielfalt. Und innerhalb der Kirche war und ist der Kampf um die Vormacht in Geschichte und Gegenwart ebenfalls gut bezeugt, gleichwie deren Verteidigung, sogar mit Waffen und Gewalt. Intrigen sind dazu natürlich auch kaum besser. Ebenso sich auf Paragrafen zu berufen, um seine Vormacht fest zu zimmern. Also mit Hilfe von Gesetz und Rechtsprechung zu verbergen, was man eigentlich damit im Schilde führt: Seine Vorherrschaft zu errichten oder zu festigen, seine Schäfchen, koste es, was es wolle, trocken zu halten. Andere Religionen litten und leiden natürlich auch unter derlei Gebaren.
Juden und Christen kennen das mit dem Wandel von Vormacht und Vorherrschaft. Und sie wissen, dass alle menschliche Vormacht wegen Gottes Vorherrschaft vergänglich ist. So wie das schon der Prophet Joel in unserem Bibeltext ausgedrückt hat. Aus dem geht auch hervor, dass Menschen dank Gottes ewig vorrätigem Vor-Rat an einem Wandel von Vormacht teilhaben. Einmal passiv, in Betrachtung und Nachdenken durch Einsicht, Skrupel und Reue. Sie fragen sich oder ahnen, an welcher Vorherrschaft sie teilhaben, die andere zu kurz kommen lässt. Und was sie davon einschränken oder gar bekämpfen wollen. Oder welche Vormacht sie entbehren wollen, obwohl sie davon profitieren. Aber nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch wirkt das. Gottes Leute gestalten mit, indem sie vom lieb Gewordenem Abschied nehmen und darauf verzichten. Und stattdessen Neues aus Gott erwarten und demgemäß handeln. Leben aus Gottes Vormacht und Vorrat, das ist Enthaltsamkeit, die ihm gefällt. Ist es doch ein Leben, das sich mit Reue und Verzicht konfrontiert, ohne zu verdrängen. Leben, das Neues aus Gott ersieht und mitschafft. Amen.
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