Joel 2,12-19

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Vom Baby bis zum Bräutigam | Aschermittwoch | 05.03.2025 | Joel 2,12-19 | Katharina Wiefel-Jenner |

Der Frieden hat sein Zuhause verloren. Die Barmherzigkeit wird gedemütigt und die Gerechtigkeit weiß nicht mehr, wer sie beschützt. Wir haben unsere Vorräte an Zuversicht und Hoffnung aufgebraucht.

Ist Gott das egal? Wie kann das sein? Unser Gott ist geduldig und langmütig. Unser Gott ist barmherzig und von großer Güte – aber doch nicht mit denen, die diese Welt zerstören! Ist Gott mit den Falschen gnädig und barmherzig? Das darf nicht sein.

Es kann Gott nicht gleichgültig sein, was gerade geschieht.

Du Ewiger, das betrifft dich auch! Du sagst selbst von dir, dass du auf der Seite der Schwachen bist, der Gedemütigten, der Überfallenen. Du nennst dich selbst den Barmherzigen, die Liebende und den Gütigen. Du bist die Kraft zum Guten. Und gerade profitieren die Lügner und Gewalttäter von deiner Langmut.

Bist du noch der Gott, der die Zukunft verheißt?

Wir müssen Gott daran erinnern, dass er treu ist. Versprochen hat er es, geschworen hat er es. Gott wird sich nicht selbst vergessen. Das hat Mose gesagt und die Propheten haben es verkündigt. Gott kann seine Verheißungen über den Lügen der Gewalttäter nicht preisgegeben haben.

Vielleicht waren wir es auch selbst? Vielleicht haben wir Gottes Treue aus den Augen verloren, uns auf Gottes Wohlwollen verlassen, Gottes Güte als selbstverständlich vorausgesetzt und den Dingen ihren Lauf gelassen. Vielleicht haben wir die Barmherzigkeit und den Frieden aus Bequemlichkeit einfach Gott überlassen.

Ja, wir haben halbherzig zugeschaut. Ja, wir haben uns damit beruhigt, dass Gott das schon macht. Was sollten wir denn anderes tun, als abzuwarten? Was geschieht, geschieht und wir sind nicht schuld daran.

Nun wächst die Angst. Die Sorgen kriechen in unsere Herzen. Der Schrecken dröhnt in den Ohren.

Und heute lesen wir, was der Prophet spricht. „Nun endlich – Spruch des Herrn! – Da spricht der Prophet. Jetzt aber: Gottes Wort

Joel 2,12-19

Und nun endlich, Spruch des HERRN, kehrt zurück zu mir mit eurem ganzen Herzen und mit Fasten und unter Tränen und in Trauer.

Und zerreißt euer Herz und nicht eure Gewänder, und kehrt zurück zum HERRN, eurem Gott, denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade, und einer, dem das Unheil leidtut.

Wer weiß – er könnte sich besinnen und sich erbarmen, und er könnte Segen hinterlassen. Speiseopfer und Trankopfer für den HERRN, euren Gott!

Stoßt ins Horn in Zion, erklärt das Fasten für heilig, ruft einen Bußtag aus!

Versammelt das Volk, heiligt die Versammlung, holt die Ältesten zusammen, versammelt die Kinder und jene, die noch an der Brust saugen. Der Bräutigam komme aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Gemach.

Zwischen Vorhalle und Altar sollen die Priester weinen, die Diener des HERRN, und sprechen: HERR, hab Mitleid mit deinem Volk und mache deinen Erbbesitz nicht zum Gespött, dass Nationen sich nicht lustig machen über sie. Warum soll man unter den Völkern sagen: Wo ist ihr Gott?

Da erwachte der Eifer des HERRN für sein Land, und er hatte Mitleid mit seinem Volk.

Und der HERR antwortete und sprach zu seinem Volk: Seht, ich sende euch das Getreide und den Wein und das Öl, und ihr werdet davon satt werden. Und ich werde euch nicht mehr zum Spott machen unter den Nationen!

Es reicht nicht mehr abzuwarten, was geschieht. Es ist zu billig, nur auf Schokolade und Alkohol zu verzichten. Klimafasten hilft vielleicht dem Planeten, rettet aussterbende Arten und auch die Gletscher. Konsumverzicht trägt vielleicht dazu bei, dass Näherinnen einen fairen Lohn bekommen und Kinder zur Schule gehen, anstatt Kakao zu ernten. Aber das ist kein heiliges Fasten. Das ist verantwortliches Leben in rauen Zeiten. Der Prophet spricht von einem heiligen Fasten – heilig – Spruch des Herrn. Da wird das Herz befragt. Da geht der Schmerz durch und durch. Die verschluckten guten Worte und die vergessenen Schmähungen hämmern gegen die Tür des Gewissens und treiben den Puls hoch. Beim heiligen Fasten lassen sich die verpassten Gelegenheiten für die Wahrheit nicht mehr wegschieben. Die zynischen Worte über rührende Mitmenschlichkeit brennen Narben der Scham in die Herzenshülle.

Du Ewiger, betrifft das auch dich?

Meinst du unsere vergessenen Gebete? Unsere Vergesslichkeit und Selbstbezogenheit, weil wir dachten, wir hätten es so gut gemacht. Weil wir uns selbst in die Mitte gesetzt haben und die Zärtlichkeit deiner Liebe übersehen haben. Weil wir über alles und jeden geklagt haben und die Wunder verachteten. Weil kein Lob auf der Zunge lag, sondern nur die Angst vor der Angst. Wir waren zufrieden damit, dass du uns in Ruhe gelassen hast. Und jetzt kriecht die Kälte in jede Ritze.

Werden wir jemals wieder lernen, dein Lied der Lieder mitzusingen?

Bleibst du noch unser Gott?

Der Prophet kennt den Spruch des Herrn. Kehrt um! Das ist die Botschaft. Kehrt um! Gegen das Dröhnen der Scham und den Zynismus dieser Tage! „Nun endlich – Spruch des Herrn! Kehrt um zu dem HERRN, euren Gott.“ Der Prophet fragt gar nicht erst, ob sein Gott noch unser Gott ist. Er hat eine Nachricht. „Nun endlich – Spruch des Herrn!“

„Wer weiß“, schreibt er. Wer weiß, ob Gott dann auch umkehrt und endlich sichtbar macht, wie ihn die Lügen, der Hass und die Kriege zutiefst anwidern. Wer weiß, ob Gott es irgendwann nicht mehr erträgt, wie die Schöpfung leidet. Der Prophet ist vorsichtig. „Wer weiß!“ Er zögert und wartet inmitten des Dröhnens und der Angst ab. Einst hat er gehört, wie Jakob mit Gott kämpfen musste. Wer weiß – vielleicht ist all das wie ein Kampf und am Ende gehen wir hinkend aus ihm heraus, hinkend aber lebend. „Spruch des Herrn – Kehrt um! Wer weiß“ – der Prophet hatte einst gehört, wie die Menschen aus Jerusalem nach Babel verschleppt wurden. Er hat die Lieder der Verschleppten auswendig gelernt und erlebt, wie die Überlebenden weinend zurückkehrten. Wer weiß – vielleicht ist all das, was wir jetzt erleben, wie die Zeit im Exil. Am Ende stürzt Gott die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.

Wenn wir nicht umkehren, werden wir es nicht wissen, ob Gott uns hinkend, aber lebendig weiterziehen lässt. Wenn wir nicht umkehren, werden wir nicht erfahren, wie man überlebt. Die Mächtigen werden eines Tages von ihren Thronen gestoßen, aber wir müssen umkehren, damit wir auch erleben, wie statt neuer Gewaltherrscher die Niedrigen erhoben werden.

Du Ewiger, das geht dich auch an! Wenn wir in Angst erstarren, hilft dein rettendes Wort nicht. Wenn wir resignieren, ist es erst recht zu spät. Wenn du dich zurückziehst, nützen die Erinnerungen an deine Güte und Barmherzigkeit nicht. Die Schönheit des Lichts und die kostbare Schöpfung ist verschwendet. Du musst aus deiner Ferne herbeikommen. Was sollen wir mit den Verheißungen, wenn nichts mehr an sie erinnert? Die Verschleppten sterben, die Mächtigen betrügen die Armen, die Starken demütigen die Schwachen. Die Worte des Propheten müssen dir doch etwas bedeuten.

Der Prophet sagt: „Kehrt um“. Alle sollen nach Gott suchen, sagt der Prophet. Alle sollen Gott in den Ohren liegen und rufen: „Du Ewiger, das geht dich auch an!“ Nicht nur die Glaubensprofis sollen sich bei Gott bemerkbar machen – die auch, aber auch alle anderen. Die Babys und die Bräute mit ihrem Bräutigam, die Lehrerinnen, die Beamten, die Meinungsmacher, die Kassiererin und der Berater, die Richterinnen, der Uberfahrer und die Generäle, der Bundeskanzler und die Nachrichtensprecher. Alle. Du. Ich auch. Und meine Kinder.

Wer weiß, was geschieht, wenn wir Gott in den Ohren liegen, umkehren und einfach nur hoffen. Die Welt braucht unsere Hoffnung so dringend wie Gottes Barmherzigkeit. Der Prophet weiß sicher schon mehr, als er uns sagt. Er hat noch einen Vorrat an Zuversicht und Hoffnung für uns. Diese Tage sind gerade günstig, um zusammen den Vorrat an Mut, an Glauben und an Hoffnung aufzufrischen.

Amen.

Vorschlag für ein Predigtlied: EG 382 Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr.


Dr. Katharina Wiefel-Jenner

Berlin
wiefel_jenner@hotmail.com

Katharina Wiefel-Jenner, geb.1958, Pfarrerin i.R., bildet als Dozentin für Liturgik und Homiletik Ehrenamtliche für den Verkündigungsdienst aus.