Johannes 14,15-19 (20-23a) 23b-27

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| Pfingstsonntag | 8. 6. 2025 | Johannes 14,15-19 (20-23a) 23b-27 | Jesus verspricht: Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. | Winfried Klotz |

Jesus Christus spricht: 15 Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.

16 Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen zum Fürsprecher geben, der für immer bei euch bleiben soll:    7,39! · 15,26; 16,7!

17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht erkennt; ihr erkennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.   15,26; 16,13

18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.

19 Eine Weile noch, und die Welt sieht mich nicht mehr, ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet.   7,33!

[20 An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.   10,38!; 17,11!

21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt. Wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.   16,27

22 Judas – nicht der Iskariot – sagt zu ihm: Herr, und wie kommt es, dass du dich uns und nicht der Welt offenbaren willst?

23 Jesus entgegnete ihm:] Wer mich liebt, wird mein Wort bewahren, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und uns bei ihm eine Bleibe schaffen.

24 Wer mich nicht liebt, bewahrt meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht meines, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.   3,34!

25 Das habe ich euch gesagt, als meine Bleibe noch bei euch war.

26 Der Fürsprecher aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.   7,39! 2,22; 12,16; 13,7; 16,13; 20,9

27 Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!   16,33

Abschiede können schwierig sein, ob nun am Bahnsteig oder am Grab; Abschiede hinterlassen oft eine Lücke, schmerzen, verunsichern. Manchmal sind sie auch eine Befreiung. In unserem Abschnitt aus den Abschiedsreden des Johannesevangeliums geht es um den Weg in die Zukunft für die Jüngergemeinde. Jesus wird ihnen genommen durch sein Sterben am Kreuz. Aber das ist aus Sicht des Evangelisten, der die gute Nachricht von Jesus von der Auferstehung her erzählt, Jesu Erhöhung zum Vater im Himmel. Das ist, anders als der Tod für uns alle, keine Entmachtung Jesu, sondern durch sein Sterben am Kreuz und seine Auferstehung wird sichtbar, wer Jesus ist: Gottes Sohn und Gesandter. Retter und Richter für alle Menschen. ER ist der Weg zum Vater, in ihm geschieht Gottes verlässliche Zuwendung zu uns, durch ihn leben wir als Kinder Gottes.

Von Abschied habe ich geredet, die Abschiedsreden im Johannesevangelium sind eine tiefgehende Reflexion darüber, was es für die Jüngergemeinde bedeutet, dass Jesus ihr genommen ist. Sie lebte als kleine Minderheit in unsicheren und bedrohten Verhältnissen. Das Bekenntnis zu Jesus als zu dem, der die Gemeinschaft mit Gott schenkt, war gefährlich. (Joh 15, 18-16,4) Es ging ihr, wie es Christen in manchen Regionen Indiens geht, wo nur ein Hindu akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft sein kann. Oder in Pakistan, wo die muslimische Mehrheit oftmals nach Belieben mit der kleinen christlichen Minderheit verfährt. Schnell kann es heißen, der/ die hat den Propheten gelästert oder den Koran verunglimpft, was ein Todesurteil sein kann. Wie besteht die Gemeinde Jesu ohne ihn?

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.“ So heißt es als Antwort Jesus auf diese Frage in unserem Abschnitt. Angekündigt wird der Fürsprecher, Tröster, Anwalt, der Geist der Wahrheit, den Jesus vom Vater seiner Jüngergemeinde senden wird.

Aber wie ein Wort zu Pfingsten klingt unser Abschnitt auf das erste Hören hin nicht. Von Begeisterung ist nicht die Rede, von ekstatischem Geschehen wird nicht berichtet, das pfingstliche Sprachenwunder wird nicht erwähnt. Stattdessen steht am Anfang eine Ermahnung:

„Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (V. 15) Das klingt sehr nüchtern, wie eine Selbstverständlichkeit, aber im Alltag leben wir nicht immer in selbstverständlichem Gehorsam zu Jesus und seiner Weisung. Ich erinnere an das neue Gebot, das Jesus im vorhergehenden Kapitel nennt:

„Ein neues Gebot gebe ich euch: dass ihr einander liebt. Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ (Joh 13, 34) Die Lebens- und Herzensverbindung zwischen Jesus und seinen Nachfolgern, seiner Gemeinde, ist nötig. Sie wird sichtbar in der geschwisterlichen Liebe untereinander; sie zeigt sich noch nicht in äußerlicher Freundlichkeit, sondern in gegenseitiger Annahme, im Ertragen und der Bereitschaft zu vergeben. Sie ist Grundlage für die Gabe des Fürsprechers, die Gabe des „Geistes der Wahrheit“. Er kommt nicht zu denen, die sich Gemeinde Jesu nennen aber zerstritten sind und sich bekämpfen. Ich weiß, es gibt auch notwendige Auseinandersetzungen in der Gemeinde Jesu, entscheidend ist aber, wie wir sie führen.

„Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ Noch einmal: Die Lebens- und Herzensverbindung zu Jesus braucht es, damit Gottes Geist in unser Leben tritt als Licht in der Dunkelheit und Trost im Leid; als mächtiger Wegbereiter in Ausweglosigkeit.

In einem Lied heißt es: „Ein Licht geht uns auf in der Dunkelheit, durchbricht die Nacht und erhellt die Zeit. Licht der Liebe, Lebenslicht, Gottes Geist verlässt uns nicht. Licht der Liebe, Lebenslicht, Gottes Geist verlässt uns nicht.“ (EG HN 557 Eckart Bücken 1986) Das klingt sehr optimistisch, hoffnungsvoll, aber ohne die Verankerung in Jesus Christus ist Gottes Geist nur ein leeres Wort. Wir haben ihn keinesfalls zur Verfügung, solange wir uns nicht Jesus zur Verfügung stellen und in der Anbindung an ihn leben. Das klingt nach Werkgerechtigkeit, aber so meine ich es nicht. Sich Jesus zur Verfügung stellen beginnt mit dem Eingeständnis, „Jesus, Herr, ich kann es nicht!“ Und mit der Erfahrung, dass er uns einbindet in das Leben mit ihm. Umkehr, Hinwendung zu Jesus, in dem Gott seine Hand liebevoll nach uns austreckt, ist ein notwendiger Schritt. Und das nicht nur einmal, sondern an den Wendepunkten oder auch Klippen des Lebens immer wieder.

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.“ Eine verwaiste Gemeinde Jesu ist nicht unbedingt daran zu erkennen, dass sie in Auflösung begriffen ist, dass Chaos herrscht oder keine Gottesdienste mehr stattfinden. Wir sind doch oft ziemlich kluge Leute, die christliche Gemeinde auch ohne den Geist Jesu betreiben können. Als Ersatz für den Geist Jesu bieten sich Rituale und eine wie auch immer gefüllte Spiritualität, sowie religiöse Reden zu Zeitfragen an. Ein gutes institutionelles Korsett, Kirchengesetze, die alles regeln, bewahren auch vor Auflösung und Chaos. Was ohne den Geist Jesu bleibt, ist ein christlicher Traditionsverein zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse. Ist das nicht genug?! Gerade in Krisenzeiten braucht der Mensch Religion als Rückbindung an etwas Höheres. Das bieten wir doch! Fehlt hier etwas?

Es fehlt die Erfahrung des liebenden Gottes, der durch Jesus Christus rettet! Es fehlt Erkenntnis der Sünde und das Lob der Gnade Gottes. Es fehlt die Erfahrung seiner Gegenwart. Es fehlt der Glaubensmut, der ihm auch auf unmöglichen Wegen vertraut. Es fehlt die geschwisterliche Liebe. Es fehlt die Erfahrung seines Friedens. Jesus sagt: „Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!“ (V. 27) Dieser andere Frieden ist gewiss auch eine Erfahrung, aber vor allem ist er ein „sich festklammern“ an Jesus und seinem Wort, manchmal gegen alle Erfahrung.

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch,“ sagt Jesus. Ob es bei uns Pfingsten werden kann, entscheidet sich auch daran, ob wir wissen, dass wir verwaist sind. Ob wir uns der geistlichen Dürre unserer Zeit bewusst sind. Wir beklagen vielleicht den Rückgang der Kirchlichkeit, die durch Austritte und Sterbeüberschuss zurückgehenden Gemeindegliederzahlen, aber sehen wir auch tiefer? Nehmen wir zu Herzen, dass trotz aller Proklamation der Mündigkeit des Christenmenschen viele Gemeindeglieder wenig zu sagen haben, wenn es um ihren persönlichen Glauben geht? Macht es uns zu schaffen, dass die Mehrzahl der Gemeindeglieder ohne Bezug zum Gottesdienst leben? Oder haken wir das ab unter „volkskirchlicher Normalität“? Wir können es doch nicht ändern! Es kann sein, dass wir hochmotiviert und fähig als Hauptamtliche durch die Gemeinde wirbeln, interessant predigen, gut mit den Menschen ins Gespräch kommen, die Gottesdienste gar nicht so schlecht besucht sind; zeigt das nicht, dass Jesu Geist bei uns wirkt? Wie können wir das wissen, gibt es ein Messgerät für den Heiligen Geist? Über dem Himmelfahrtstag stand das Wort Jesu: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ (Joh. 12, 32) Geschieht das unter uns? Werden Menschen zu Jesus gezogen, so dass er Fundament ihres Lebens wird? Und geschieht seine Liebe untereinander, so dass wir lernen einander zu ertragen und zu helfen? Ich will keine falschen Erwartungen wecken, manchmal geschieht da, wo Gottes Geist besonders wirksam zu sein scheint, sehr ungeistliches. Das Wirken des Geistes wird dann sichtbar, wenn Verfehlungen ans Licht gebracht werden und Umkehr geschieht. Der Heilige Geist ist Jesu Anwalt, Fürsprecher, Tröster für uns, aber manchmal auch gegen uns. Er lässt sich nicht manipulieren, weder von frommem Getue noch von Vertuschung.

Wir können, wie es zurzeit bei uns in Hessen- Nassau geschieht, Nachbarschaftsräume bilden, Verkündigungsteams einrichten, überzählige Gebäude aussortieren; das sichert die Zukunft der Institution Kirche, ein geistlicher Aufbruch ist das noch nicht.

Einen geistliche Aufbruch machen wir nicht; er geschieht aber dort, wo jemand Jesu Zusage ernst nimmt und sich betend danach aussteckt. Solange wir satt sind, werden wir nicht essen; solange uns die eigene geistliche Bedürftigkeit nicht umtreibt, werden wir nicht um den Geist Jesu bitten. Beten wir, erinnern wir Jesus an sein Versprechen, damit es auch bei uns Pfingsten wird. „Der Fürsprecher aber, der heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (V. 26) Darauf sind wir unbedingt angewiesen. Amen.

Winfried Klotz, Jg. 1952, Pfr. i. R. Bad König/ Odenwald; verh. drei erwachsene Kinder und ein Enkelkind. Theol. geprägt von Otto Michel und Hans J. Iwand, Mitglied Pfarrgebetsbund. Email: winfried.klotz@web.de