Johannes 14,15-21

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Hüter des Hauses | Pfingstsonntag | 19.05.2024 | Joh 14,15-21 (dänische Perikopenordnung) | Jan Sievert Asmussen |

Ein Kind sitzt am Bildschirm und schreibt eine Mail an die Hotline des Kinderschutzbundes: “Meine Eltern arbeiten viel und sind wenig zuhause. Wenn sie aber da sind, streiten sie sich und denken, ich höre es nicht”. Eine traurige Alltagsmeldung aus der gegenwärtigen Leistungsgesellschaft. Nach außen wird das Gesicht gewahrt. Aber nach innen ist das Leben freudlos, ohne Glanz. “Wenn Papa kommt, ist Mutti gerad gegangen. Und wenn Mutti kommt, schläft der Papa” – so ein entsprechendes Poplied aus der Zeit um 1968. Damals wurde noch heimlich geträumt vom guten Geist daheim, von der backenden, bilderbuchlesenden Limonadenmutter, umarmend die Kinder nach der Schule und liebevoll bereit für den Kuss des Ehemannes, der spät heimkehrt und sagt: “ich bin völlig erschöpft”. Oder – weniger klischeehaft – jene Veränderung im Haus, die einkehrt, wenn Vater oder Mutter nach mehrtägiger Arbeitsabwesenheit wiederkommt und alles zu schweben beginnt. Auch ohne diese Eltern funktioniert der Alltag. Es wird eingekauft und gesäubert, Gäste kommen – aber gleichsam im Grauton. Ein Leben ohne X-Faktor. Es gibt Familien, die für immer so leben müssen: wenn die Mutti oder der Vater verstorben sind. “Ach ja, es geht schon”, sagt man. Der Mann oder die Frau schafft es in dem jetzt zu großen Haus. “Es geht schon” – aber nach innen sieht es anders aus. Denn es fehlt der gute Geist. Oder eher: es bleibt der Traum von einer Wiederkehr des guten Geistes.

“Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist, besuch das Herz der Menschen dein”, nämlich das Herz, welches den Geist vermissen. “O komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit” – erlöse uns aus unserer Not, erwärme unser Herz, “gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an!”

Dieses Flehen um den guten Geist des Hauses ist im höchstem Grade auch das Gebet der Kirche. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Geist zu vereinnahmen, der gar nicht da ist. Es gleicht der Aussage “wie haben wir es nett”, wenn alles im Raum gegenteilig ruft. Hätte die Kirche ein großes Budget, höhenverstellbare Schreibtische, kompetente Mitarbeiter, wäre sie eine etablierte Kultureinrichtung mit neuen Orgeln, die schön die Brautkleider aufwehen können – was wäre sie ohne den guten Geist? Sie wäre die lächerlichste und armseligste, aufgeblasenste Gestalt der Gesellschaft. Ich meine: ein Mechaniker kann einfach Autos reparieren und eine Schule Kinder unterrichten – die Existenz der Kirche ruht jedoch auf ihren guten Geist, ob er da ist oder nicht. Viele Leute haben die Kirche verlassen, weil sie ihn nicht gefunden haben, sondern eine leere Schale, Opium fürs Volk, eine simple Performance. Es wundert kaum, dass die Kirche ihre Hände falten und innig beten muss: “Komm, Heiliger Geist, sei unser Gast!”

Eine ganze Weile kann die Kirche ohne den Geist leben. Feierlich die Taufkinder begießen, mit Brot und Wein Hokuspokus machen. Die Kirche sollte sich aber schämen, so die Leute an der Nase zu führen. Wie wenn man wider besseres Wissen auf einer Lüge lebt. Die Scham und die Anfechtung müssen bestehen als ständiges Säurebad. Sie begleitet das ständige Gebet um den guten Geist. Dieses Gebet ist das Thema zu Pfingsten.

Einige müssen sehr lange und vielleicht das ganze Leben darauf warten, dass der gute Geist einkehrt. Unsere Welt muss vielleicht den Rest ihrer Zeit warten, bis der Traum des Propheten Jeremias wahr wird: “Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben” (Jer 31,34). Wenn es aber geschieht, ist die Kluft zwischen Traum und Wirklichkeit geschlossen. Daraufhin zielen unsere Träume und unsere Gebete.

Es gibt Häuser ohne guten Geist. Und es gibt Häuser, wo der Geist einwohnt und erneuert und aufleuchtet. Dann wird sogar das Butterbrot und das Glas Milch zum Festmahlzeit, wenn Vater abends nach Hause kommt. Dann wird das gedämpfte Abendgespräch im Wohnzimmer nebenan zur Musik. Dann klingen fremde Worte herzenswarm, wie damals in Jerusalem, als die Jünger die Worte fremder Leute verstanden. Dann leuchtet das Gesetz des Herrn vor den Füssen Israels, und “sie kennen Ihn alle”, wie Jeremias sagt. Dann glüht die Zunge, dann klingt das himmlische Halleluja auch in unserer Volkskirche kurz vor elf an diesem Vormittag. Dann wohnt der Geist bei uns, und es ist Pfingsten. Amen.

Pastor Jan Sievert Asmussen

DK-3520 Farum

Email: jsas(at)km.dk