
Johannes 15,26-16,4
Zeugen sein | Exaudi | 1. Juni 2025 | Joh 15,26-16,4 (dänische Perikopenordnung) | Laura Lundager Jensen |
Wir nähern uns Pfingsten – der Zeit des Heiligen Geistes – der Zeit nach Jesus.
Das Wort, das Fleisch wurde zur Weihnacht, das gekreuzigt wurde und auferstand zu Ostern, soll nun wieder Wort und Geist werden durch das Pfingstereignis und so seinen Platz in der Welt einnehmen. Uns auf die Pelle rücken sozusagen, und uns bewegen hinaus in das Leben, das so einen zwingenden und notwendigen Bedarf hat, der Liebe Gottes zu begegnen.
Das wird jedoch nicht allein vom Heiligen Geist bewirkt – denn die Zeit des Heiligen Geistes ist die Zeit der Kirche und damit unsere Zeit.
So heißt es in den Texten für heute – wir werden dazu aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen. „Macht euch auf“ heißt es mit dem Propheten Haggai, denn wir haben „Zeugnispflicht“, sagt der Evangelist.
Wir haben die Pflicht, all das, was wir empfangen haben, all das, was wir bezeugen können, weiterzugeben – all das, was uns überliefert ist – alle Erzählungen und alle Erfahrungen, den Zweifel, den Glauben, die Nächstenliebe, die Vergebung.
All das weiter an die nächste Generation.
Denn so ist es mit der Zeugenpflicht – was wir bezeugt haben, was wichtig ist und überliefert werden soll.
Und das ist gesetzlich geregelt, wenn wir einberufen werden, haben wir die Pflicht zu kommen. So ist es, wenn du ein Verbrechen erlebt hast. So ist es, wenn du als Lehrer Umstände erfährst, die nicht so sind, wie sie sein sollten – so auch für uns Pastoren, wir sind nun auch einer strengeren Auskunftspflicht unterworfen
So ist es immer, wenn Menschen ein Wissen bekommen, das brauchen, und das wir über ihr Leben und Treiben teilen. Wir haben die Pflicht, das Wissen weiterzugeben, das wir haben. Das ist eine Sicherheit in unserem Rechtssystem, im Guten wie im Bösen.
Und eben im Guten – das ist die Geborgenheit in unserem Leben, dass Zeugen bereitstehen, nicht nur im Wehrdienst – sondern auch Lebenszeugen, die uns folgen. Deshalb die Paten bei der Taufe, oder die Trauzeugen bei der Hochzeit. Denn der Taufschein und die Heiratsurkunde sind nur Papier – die Zeugen waren da und können bezeugen, was geschah.
Deshalb auch der Verlust, wenn die Alten in der Familie sterben – denn mit ihnen verschwinden die Lebenszeugen gerade unseres Lebens, die uns folgten, für uns da waren, die unserem Leben eine extra Erzähldimension gaben, Erinnerungen bewahrten, die der Vergangenheit Sinn verliehen.
Aber so ist es auch mit dem Glauben, sagt Johannes – der Glaube muss bezeugt werden – das Leben und Tun Gottes muss bezeugt werden – die Jünger haben Zeugnispflicht – wir haben Zeugnispflicht.
Das heutige Evangelium stammt wie die meisten Evangelien-Texte der letzten Sonntage aus den letzten Reden Jesu an seine Jünger – und zu ihnen sagt er, dass all das, was erzählt und geschehen ist, dass was Jesus mit uns teilte und was er tat, das sollen wir bezeugen.
Auch wenn es auf Widerspruch stieß.
Die alttestamentlichen Propheten wurden deswegen verfolgt und getötet – und es verwundert nicht, wenn sie mit Botschaften kamen wie die, die wir vom Propheten Haggai hörten: „Es ist nur noch eine kleine Weile, dass ich Himmel und Erde, das Meer und das Trockene erschüttere. Dann will ich alle Völker erschüttern, dass aller Völker Kostbarkeiten kommen“ (Haggai 2,6-7) – das könnte gut etwas wie eine Drohung klingen, wenn man nun das Volk war, das keine Lust hatte, seine Schätze an einen fremden Gott abzugeben, der behauptetet: „Mein ist das Silber, und mein ist das Gold“ (2,8).
Und so wusste es der Evangelist Johannes – er schrieb ca. im Jahr 100 und stand mitten in der Zeit der Christenverfolgungen. Und wie es aus dem Text hervorgeht, erlebte er dabei, wie wegen des Glaubens Verfolgung geschah, Hinrichtungen und Exklusionen. Die Christen mussten sich verbergen, wenn sie Gottesdienst feierten, und heimliche Fischzeichen machen, um Gleichgesinnte zu finden.
Und auch wenn sich die Gesellschaft verändert hat, auch wenn neue Generationen vielleicht nicht so sehr am Glauben und Christentum interessiert sind – wir haben immer noch die Pflicht, es weiterzugeben.
Für den Nächsten, und deshalb auch für uns und nicht zuletzt für Gott.
Und selbst unsere Regierungschefin Mette Frederiksen ist darin einig, wenn die in den Zeitungen geistige Aufrüstung verlangt und die Kirche darum bittet, dazu beizutragen. Und wenn unser Kirchenminister von einer Aufrüstung des Glaubens im Heer spricht, ist das derselbe Gedanke. Wir nähern uns sicherlich einer Kreuzzugsrhetorik – lasst uns die Fahnen wehen lassen und die Lanzen erheben – ich glaube aber, dass er das so nicht gemeint hat.
Vielmehr klingt das tatsächlich so, als frage man danach, dass die Kirche und wir, die wir in die Kirche gehen, wieder Zeugnis ablegen sollen.
Und aus meiner Sicht nicht als Antwort auf die Herausforderungen unseres Landes und Europas – sondern als Wahrnehmung und Festhalten und Beitrag in einer Erneuerung eines Fragens.
Denn ich denke nicht, dass Mette Frederiksen vom einem Fazit-Christentum redet wie dem, das Putin aus der Reliquienbox der russisch-orthodoxen Kirche entnommen hat, die in der religiösen Orthodoxie gegen den Verfall des Westens ins Feld geführt wird – ich denke auch nicht, dass es das evangelikale Christentum ist, vom dem Trump getragen ist, wenn es gegen Abtreibung, Homosexualität und Darwinismus geht.
Ich höre die Aufforderung zu geistlicher Aufrüstung, wo das Christentum nicht ein feststehendes Fazit ist, sondern eine Stimme, die stets eingeht in einen Prozess von Geist und Wundern – ein Gespräch getragen von Demut und dem Wunsch, klüger zu werden – Gespräche in Gemeinschaften, wo wir geborgen sind, fragen dürfen und Antworten geben dürfen. Gespräche, wo eine christliche Auffassung vom Menschen und ein christlicher Glaube volle Gültigkeit besitzen als sinnvolle Haltung in einer Welt, wo Ideologien und Meinungen ausgerufen werden als Wahrheiten des Dafür oder Dagegen, Gespräche als lebendig machende Angebote eines Standpunktes und eines Denkens in einer Zeit, wo Wankelmut und Minderwertigkeitsgefühl nicht nur die Jugend, sondern alle Menschen prägt.
Und wir sollen dafür kämpfen, dass diese Gespräche stattfinden. Innerhalb von Gemeinschaften, quer durch Gemeinschaften – Gespräche, die dort draußen stattfinden, wo wir sind und leben – mit Aufmerksamkeit für das, was sich um uns bewegt.
Ergriffen von jedem von uns zum Zeugnis von der Wahrheit, das in unsere Herzen gelegt ist und das wir nun tragen sollen mit Mund und Hand.
Denn diese Pflicht haben wir versäumt – die Kirchen kreisten um sich selbst, wir vergaßen, die Kinder mit zum Gottesdienst zu nehmen, im Namen der freien Wahl, vergaßen, für die Werte des Christentums einzutreten an den Mittagstischen – dachten vielleicht, wenn wir sie lebten für sie und die anderen, dann würden sie das verstehen und dem folgen – aber das ist ja nicht geschehen, und es kann auch schwer sein, allgemeine humane Mitmenschlichkeit zu unterscheiden von dem christlichen Liebesgedanken – wir predigten Moral und Verantwortung – aber ohne Autorität – ohne Bezug auf Gott.
Und dann geht es leicht wie mit der Spinne, die in einen Busch fiel und sich das schönste und symmetrischste Gewebe baute – es wurde größer und schöner als alle anderen Spinnengewebe in dem Busch. Aber als die Spinne selbstzufrieden umherwanderte und sich darüber freute, was sie selbst gemacht hatte, kam sie auf die eigene Fluglinie, die sie zu dem Busch gebracht hatte – die ja absolut nicht in die Spindelwegeben-Symmetrie passte, sondern schief nach oben lief, und riss sie ab – und das Spinnengewebe fiel zusammen über der hochmütigen Spinne (Ich liebe die alten frommen Erzählungen für Kinder) – denn die Symbolik ist deutlich – ohne eine Verbindung zu Gott, kämpft die Moral allzu leicht für das eigene Glück.
Wir sollen Zeugen sein – heißt es, und dies auch wenn die Welt das nicht immer annimmt.
Denn so ist es gewesen.
Heute ist der Text klar – legt Zeugnis ab, auch wenn es kostet und auch wenn wir bloßgestellt werden oder wir das Selbstverständnis der guten Gesellschaft stören – denn es ist notwendig.
„Komm in Gang“, heißt es, „lege Zeugnis ab“, heißt es, „trage Verantwortung“ heißt es heute.
Gott helfe uns!
Amen
Pastorin Laura Lundager Jensen
Langetoften 1, Osted
DK-4320 Lejre
E-mail: luje(at)kp.dk