Johannes 16,23–33

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Rogate | 25.5. 2025 | Joh 16,23–33 | Stephan Lorenz |

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Rogate heißt der heutige Sonntag. Psalm 66 setzt das Thema: Gelobt sei Gott, der mein Beten nicht abtut, noch seine Liebe von mir nimmt.

Darauf vertrauten unsere Vorfahren, wenn sie an diesem Sonntag mit Prozessionen in und um die Felder um gute Ernte baten. Lang ist’s her. Heute setzt sich der Bauer auf seine Hitechmaschine und hilft mittels Chemie der Natur auf die Sprünge. Effizienter als Prozessionen, aber offensichtlich nicht ganz umweltverträglich. Aber, nichts weckt unsere Befürchtungen mehr als leere Regal im Supermarkt. Wir könnten ja verhungern.

Ums Bitten und Beten geht es auch im heutigen Predigttext aus dem Johannesevangelium.

Wenn dieser Tag kommt, werdet ihr mich nichts mehr fragen. Ja, wahrhaftig! Ich sage euch, dass, was immer ihr vom Vater bittet, er euch in meinem Namen geben wird. Bis jetzt habt ihr noch um nichts in meinem Namen gebeten. Bittet weiter und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen sei. Ich habe euch diese Dinge mit Hilfe von Beispielen gesagt; doch es kommt die Zeit, in der ich nicht mehr verhüllt reden werde, sondern ich werde in klaren Worten vom Vater sprechen. Wenn dieser Tag kommt, werdet ihr in meinem Namen bitten. Ich sage euch nicht, dass ich euretwegen zum Vater beten werde, denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt habt und geglaubt habt, dass ich von Gott komme.

Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; und jetzt verlasse ich die Welt wieder und kehre zum Vater zurück. Die Talmidim (Schüler) sagten zu ihm: ‚Siehe jetzt sprichst du klar, du sprichst gar nicht verhüllt. Jetzt wissen wir, dass du alles weißt und dass die Menschen ihre Fragen an dich gar nicht erst in Worte kleiden müssen. Das lässt uns glauben, dass du von Gott gekommen bist.‘ Jeshua antwortete: ‚Aber es kommt die Zeit – ja sie ist bereits gekommen –, in der ihr zerstreut werdet und jeder nur noch nach sich selbst sieht; und ihr werdet mich alle verlassen. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Ich habe dieser Dinge zu euch gesagt, damit ihr, vereint mit mir, Shalom (Frieden) habt! In der Welt habt ihr Zuris (jiddisch Zores vom hebräischen Wort sara = Not, Bedrängnis). Aber fasst Mut! Ich habe die Welt erobert.‘ *Übersetzung Das jüdische Neue Testament, David Stern

Der Text ist der letzte Teil der Abschiedsreden, die es so nur im Johannesevangelium gibt. Sie sind das literarische Testament des irdischen Jesus, aus nachösterlicher Perspektive in die vorösterliche Situation geschrieben. Literarische Testamente sind aus dem Judentum im Alten Testament bekannt (Deuteronomium), auch die Apostelgeschichte kennt sie (Apg 20,17ff). Die Abschiedsreden wollen die Sorgen der ‚Talmudim‘, ihre Trauer und Verängstigung über den Verlust Jesu aufnehmen und verarbeiten: Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; und jetzt verlasse ich die Welt wieder und kehre zum Vater zurück.

Nicht nur das, Trauer und Verängstigung führen offenbar dazu, dass die Gemeinschaft Auflösungserscheinungen zeigt: ‚Aber es kommt die Zeit – ja sie ist bereits gekommen –, in der ihr zerstreut werdet und jeder nur noch nach sich selbst sieht; und ihr werdet mich alle verlassen.

Wie geht das Evangelium damit um?

Ich habe diese Dinge zu euch gesagt, damit ihr, vereint mit mir, Shalom (Frieden) habt! In der Welt habt ihr Zuris (Not Bedrängnis). Aber fasst Mut! Ich habe die Welt erobert.‘

Johannes nimmt Trauer, Verängstigung und Bedrängnis auf und verweist darauf, dass die Verbindung mit dem auferstandenen Jesus Frieden schenkt und Mut ermöglicht, dieser Situation standzuhalten.

Wie das? Die Rückkehr Jesu zu Vater schafft für die Talmudim neue Lebensmöglichkeiten. Jetzt, nach Kreuz und Auferstehung, beginnen sie die Geschichte Jesu zu ‚verstehen‘. Dabei hilft ihnen der erinnernde, lehrende Geist, der Paraklet: Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. (14,26) Aus dem geistgeleiteten, erinnernden Verstehen entwickelt sich ein neues Verhältnis zu Gott als ‚Vater‘. Das es vorösterlich so nicht gab. Jedenfalls nicht bei Johannes. Es wird ein unmittelbares Verhältnis, Jesus als Mittler braucht’s nicht mehr: Ich sage euch, dass, was immer ihr vom Vater bittet, er euch in meinem Namen geben wird. Bis jetzt habt ihr noch um nichts in meinem Namen gebeten. Nach Jesu Rückkehr können sie direkt unter Berufung auf Jesus, in seinem Namen, zum Vater beten. Bittet weiter und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen sei. Aus Trauer und Bedrängnis soll Freude werden, Frieden einkehren, Lebensmut zurückkommen: Denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt habt und geglaubt habt, dass ich von Gott komme.

Die Talmudim werden Gott, den Vater Jesu, jetzt auch ihr Vater, trotz Bedrängnis und Not als einen sie selbst, ganz persönlich Liebenden erfahren, der ihnen alles schenken will. Ihm zu vertrauen heißt ewig leben.

Ich weiß nicht, ob und wie sich die Menschen damit trösten konnten. Aber das ist ja vielleicht gar nicht die entscheidende Frage. Wichtiger ist doch, was wir aus diesem Abschnitt aus dem Evangelium mitnehmen können in unsere Situation.

Mir sind zwei Aspekte wichtig geworden. Einmal spricht mich die Verschränkung von vorösterlicher und nachösterlicher Perspektive an. Irgendwie bleibt es immer in der Schwebe, wer nun eigentlich angesprochen ist, die nicht verstehenden Talmudim vor Kreuz und Auferstehung oder die verstehenden Christianoi nach Ostern. Ihrer Aussage: ‚Siehe jetzt sprichst du klar, du sprichst gar nicht verhüllt. Jetzt wissen wir, dass du alles weißt und dass die Menschen ihre Fragen an dich gar nicht erst in Worte kleiden müssen. Das lässt uns glauben, dass du von Gott gekommen bist,‘ antwortet Jesus: Aber es kommt die Zeit – ja sie ist bereits gekommen –, in der ihr zerstreut werdet und jeder nur noch nach sich selbst sieht; und ihr werdet mich alle verlassen. Haben sie wirklich verstanden?

Ich selbst wähne mich ja in der nachösterlichen Perspektive. Ich ‚weiß‘, was die Jünger sich alles noch erarbeiten müssen. Sie können einem schon leidtun. Aber wenn ich ehrlich und offen auf mich selbst schaue, kenne ich viele Situationen, wo ich mir nicht sicher bin, wo ich mehr auf mich selber schaue, wo ich zweifle, ob das was immer ihr vom Vater bittet, er euch in meinem Namen geben wird, wirklich auch für mich gilt. Und finde mich in der vorösterlichen Perspektive wieder. Vielleicht gilt beides, das vorösterliche Nichtverstehen und die nachösterliche Gewissheit. Jedenfalls trifft das mein Erleben zwischen Glauben und nicht vertrauen. Und dann ist der Satz Ich habe diese Dinge zu euch gesagt, damit ihr, vereint mit mir, Shalom (Frieden) habt! In der Welt habt ihr Zuris (Not Bedrängnis). Aber fasst Mut,tatsächlich tröstlich.

Und zum anderen habe ich mich gefragt, um was wir eigentlich beten können. Was meint denn was immer ihr vom Vater bittet? Wirklich alles und ist damit eine Art ‚Rechtsanspruch‘ gegeben?

Ich denke an Dietrich Bonhoeffer Einwurf: Nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen erfüllt Gott. Man könnte an die Bitten des ‚Vater unser‘ denken, die Bitte um das tägliche Brot, das Vergeben der Schuld, Gottes Leitung in unseren Versuchungen und die Erlösung von der Macht des Bösen.

Die Abschiedsreden selbst münden in eine Gebet Jesu für seine Talmudim, wo er betet: Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. (17,20–23)

Jesus bittet darum, dass die Beziehungen untereinander, zu ihm und zu Gott tragen und halten. Modern ausgedrückt, das das ‚Netzwerk‘ des Vertrauens und der Liebe hält. Das wäre in der Tat eine tröstliche Ermutigung, von Gott alles zu erwarten und ihm allein zu vertrauen. Denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt habt und geglaubt habt, dass ich von Gott komme.

Gottes Heiliger Geist befestige diese Worte in euren Herzen, damit ihr sie nicht nur gehört habt, sondern vielmehr im Alltag erfahrt, auf dass euer Glaube zunehme und ihr selig werdet, durch Jesum Christum unseren Herrn. Amen

Confiteor:

Gelobt sei Gott, der mein Beten nicht abtut, noch seine Liebe von mir nimmt. Wir hören das. Spiegelt sogar unsere Erfahrung wider. Aber wir kennen auch das Gefühl: noch nicht einmal Gott hört mich. Wir sind hier, um Gottes Wort zu hören. Wir erinnern und stärken uns im Vertrauen darauf, dass Gott uns hört, sieht und uns gnädig ist. So bitten wir am Anfang: Gott, erbarm dich, vergib uns unseren kleinen Glauben, führe uns einem guten Leben. Lass uns mit einem unbeschwerten Herzen und fröhlichen Lippen diesen Gottesdienst feiern durch Christum, der unser Bruder worden ist. Und wir erhalten zur Antwort: Gott erbarmt sich, in Jesus, dem Christus, begegnet er uns. Alle, die darauf vertrauen sind Gottes Kinder und leben durch seinen Heiligen Geist. So werden wir selig. Das verleihe Gott uns allen. Amen

Kollektengebet:

Gott, tröstest uns in unserer Angst, sei uns gnädig und erhöre unser Gebet. Von Dir kommt. Was uns gut tut, wir sind fehlbare, uns von Irrtum zu Irrtum vortastende Menschen. Wir bitten DICH: erleuchte uns durch deinen Geist, damit wir erkennen, was gut und gerecht ist. Gibt uns auch die Kraft, es zu tun. Lehre uns beten, lass uns merken, wieviel Lebenshilfe wir im Beten finden. Das bitten wir im Namen Jesu Christi, der mit Dir und dem Heiligen Geist uns lebendig macht, heute und für immer. Amen

Fürbittengebet

P: Gott, Quelle des Lebens, Dir erzählen wir unsere Sorgen und unseren Dank.

A: Wir bitten für die Menschen ,die übersehen werden, im Krieg und Flüchtlingslagern um sich und um ihre Kinder Angst haben. Gib uns die Kraft diesen Menschen Trost zu geben und bei ihnen zu stehen. Wir rufen: Kyrie eleison.

B: Wir bitten für die Machthaber, die Krieg anfangen und keinen Frieden finden können. Wir bitten für die Mächtigen, die Verantwortung tragen für das Wohl ihrer Menschen, für die Gewissenlosen ebenso wie für die Ehrlichen. Lass uns nicht nachlassen, die Machthaber zur Erkenntnis der Wahrheit zu drängen, dass sie die Armen beschützen und Schaden von allen abwenden. Wir rufen: Kyrie eleison.

C: Wir bitten für deine Schöpfung. Sie seufzt, ist durch unser Tun in großer Gefahr. Wir freuen uns an der Natur, die ihre ganze Kraft zeigt. Unsere Augen können sich nicht satt sehen. Dein Atem gibt uns Leben. Gib uns die Weisheit und Klugheit, deine Schöpfung zu bewahren. Lehre uns, unseren Lebensstil zu ändern. Wir rufen: Kyrie eleison.

P: Wir bitten für alle, die zu uns gehören, die krank sind und trauern; die eng mit uns verbunden sind oder weiter weg. Halte uns alle in deiner Hand und bleibe bei uns. Wir hoffen und erwarten auf die Erfüllung deiner Verheißungen. In Jesu Namen beten wir und vertrauen Dir heute und alle Tage. Amen. Laudate omnes gentes


Stephan Lorenz