
Johannes 16,23b-33
„Ihr Narren, wann denkt ihr endlich nach! Er, der den Menschen Ohren gab, sollte selbst nicht hören?“ (Ps 94,8b-9a) | Rogate | 25. 5. 2025 | Joh 16,23b-33 | Winfried Klotz |
Jesus Christus spricht:
23b Amen, ich versichere euch: Der Vater wird euch dann alles geben, worum ihr ihn bittet, weil ihr es in meinem Namen tut und euch auf mich beruft. 15,16S
24 Bisher habt ihr nichts in meinem Namen erbeten. Bittet, und ihr werdet es bekommen, damit eure Freude vollkommen und ungetrübt ist.« 15,11S
25 »Ich habe euch dies alles in Andeutungen gesagt, die euch rätselhaft erscheinen müssen. Die Stunde kommt, dass ich nicht mehr in Rätseln zu euch rede, sondern offen und unverhüllt zu euch über den Vater spreche. Mt 13,34
26 Dann werdet ihr ihn unter Berufung auf mich bitten. Ich sage aber nicht, dass ich dann den Vater für euch bitten werde;
27 denn der Vater liebt euch. Er liebt euch, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott gekommen bin. 14,21
28 Ich bin vom Vater in die Welt gekommen. Jetzt verlasse ich die Welt wieder und gehe zum Vater.«
29 Da sagten seine Jünger zu ihm: »Nun sprichst du offen zu uns, nicht mehr in Rätseln.
30 Jetzt haben wir verstanden, dass du alles weißt. Du weißt schon vorher, was man dich fragen möchte. Darum glauben wir, dass du von Gott gekommen bist.«
31 Jesus erwiderte: »Ihr meint, ihr glaubt? Jetzt schon?
32 Die Stunde kommt, ja, sie ist schon da, dass man euch auseinander treiben wird. Jeder wird nur noch an sich denken, und mich werdet ihr allein lassen. Trotzdem bin ich nicht allein, weil mein Vater bei mir ist. Mk 14,27par; 14,50par; Sach 13,7
33 Dies alles habe ich euch gesagt, damit ihr in meinem Frieden geborgen seid. In der Welt wird man euch hart zusetzen, aber verliert nicht den Mut: Ich habe die Welt besiegt!« 14,27; 1Joh 5,4
(Gute Nachricht Bibel)
Rogate – betet! Das ist der Name des heutigen Sonntags.
Beten? Alle Welt betet; ist das etwas Besonderes? Selbst Ungläubige schaffen ein Stoßgebet in der Not. Brauchen wir eine Aufforderung zum Beten? Wenn unser Beten mehr sein soll als ein Notruf, dann ist eine Erinnerung daran nicht verkehrt. In heutigen säkularen Zeiten, unter dem Stress von Arbeit, Familie und manchmal auch der Freizeitgestaltung kann die Aufforderung „betet“ uns helfen, das wir zur Ruhe kommen und im Gebet uns deutlich wird, was wichtig ist und was nicht.
Aber mit dieser Weise des Betens bewegen wir uns noch im Vorhof des Gebets. Zur Ruhe kommen, stille werden, nachdenken, meditieren, „sich neu sortieren“ ist noch kein Beten im christlichen Sinn. Das kann und braucht jeder vernünftige Mensch, ob Christin, Muslim, Hindu …. Jede, jeder wird es etwas anders gestalten, geprägte, in der Tradition vorgegebene Worte sprechen, oder sich dem Fluss der Gedanken überlassen. Das ist religiöse Praxis, wie sie sich in allen Religionen findet. Das Beten der Christen fängt bei Jesus Christus an.Und das nicht nur im Sinne der Orientierung an seinem Vorbild zum Beispiel im Sprechen des Vaterunser, sondern weil uns durch Jesus Gott gewiss geworden ist. Die Grundlage dafür wird uns schon im 1. Kapitel des Johannesevangeliums genannt:
„Er (Jesus) kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Die ihn aber aufnahmen, denen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben“. (Johannes 1,11-12) Johannes redet von der Gemeinde Jesu; das Eingangstor zu dieser Gemeinde ist Jesus selbst, was sie auszeichnet, ist nicht eine neue religiöse Praxis, sondern die von Jesus gegebene Vollmacht, Gottes Kinder zu werden.
Gottes Kinder sind die, die auf den Namen Jesu vertrauen. Gottes Kinder sind kein Fanclub für den großen Guru und Meister Jesus, sondern sie haben in seinem Namen Zutritt zu Gott. Durch Jesus sind sie Gottes Kinder geworden, denn ER hat sie versöhnt mit Gott. ER hat alles, was sie von Gott trennt, weggenommen, denn er ist das „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. (Joh 1,29)
Kind Gottes – das ist uns nicht in die Wiege gelegt; das ist keine natürliche religiöse Begabung, auch nicht vermittelt durch eine „kirchliche Amtshandlung“; es ist aber Ergebnis von „hören“ und „nachfolgen“. (Joh 1,37) Während der religiöse Mensch üblicherweise aus seinem Gottesbewusstsein auf seine Zugehörigkeit zu Gott schließt, wissen die, die durch Jesus zu Gott gekommen sind, dass sie ihn als Brückenbauer, Retter und Befreier gebraucht haben. Das eigene Vermögen nützt nichts; wir klettern nicht die Himmelsleiter hoch! (Joh 3,3 Jesus entgegnete ihm: Amen, amen, ich sage dir: Wer nicht von oben geboren wird, kann das Reich Gottes nicht sehen.) Aber durch Jesus gibt uns Gott die Vollmacht zu IHM zu kommen. Gottes Geist macht uns durch Jesus zu Kindern Gottes. Ob wir über unsere Verkehrtheit stolpern, oder die Sinnleere unseres Lebens uns wie in ein schwarzes Loch einsaugen will, ob Angst vor der Zukunft, Krankheit, Streit uns erschüttern; ob das Zeugnis eines Menschen uns zu Jesus bewegt, oder ein Wort der Bibel: die Erfahrungen ähneln sich, Gott zieht die zu sich, die den Namen Jesu anrufen!
Damit sind wir bei der Botschaft unsres Abschnittes aus dem Johannesevangelium: „Amen, ich versichere euch: Der Vater wird euch dann alles geben, worum ihr ihn bittet, weil ihr es in meinem Namen tut und euch auf mich beruft. Bisher habt ihr nichts in meinem Namen erbeten. Bittet, und ihr werdet es bekommen, damit eure Freude vollkommen und ungetrübt ist.“ (V. 23b-24)
Wenn Jesus Dreh- und Angelpunkt unseres Vertrauens auf Gott ist, wenn wir durch ihn Zugang haben zum Vater, dann gilt das auch für unser Beten. Wir finden Gottes Ohr, Erhörung – Erhörung bedeutet nicht unbedingt, dass wir das bekommen, was wir erbitten, aber es bedeutet doch die Gewissheit, dass Gott uns hört! (Psalm 94,9) – Und das nicht, weil Jesus bittend für uns eintritt, sondern weil der Vater uns lieb hat. „Er liebt euch, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott gekommen bin.“ (V. 27) Für uns gilt, was Jesus am Ende des ersten Kapitels des Johannesevangeliums sagt: „Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf dem Menschensohn.“ (1,51)
Während oft die Zweifel an der Erhörung unserer Gebete kultiviert werden, weil wir nicht einfach unsere Probleme weg beten können, und unser Glaube sich dann reduziert auf den Vollzug religiöser Rituale zur besseren Ordnung des Lebens, unser Gebet nur noch dazu dient, unser inneres Gleichgewicht zu finden, dürfen wir heute zu Herzen nehmen und glauben, dass Gott, dieser unfassbare, heilige Gott Israels und Vater des Messias Jesus, das Gebet seiner Kinder immer erhört! Ich habe in meinem über siebzig Jahre währenden Leben oft nicht bekommen, was ich erbeten habe, aber lebe in der Gewissheit, dass Gott alle meine Gebet hört. Und habe erfahren, dass ER mich durchgebracht hat, gerade in meinen Unmöglichkeiten. Gott hat mich reich gesegnet, trotz vieler Anfechtungen und Versuchungen.
„In der Welt wird man euch hart zusetzen, aber verliert nicht den Mut: Ich habe die Welt besiegt!“ heißt es am Ende unsere Abschnittes. Ja, so ist es! Unser Christenweg gleicht oft einem Gehen über dünnes Eis. Fallstricke von außen, Versuchungen von innen. Niemand ist unanfechtbar, und glauben Sie mir, die Mächte des Teufels sind kein Hirngespinst überreizter Fantasien. Wir sind nicht die Siegertypen, leicht kann man uns vom Thron unserer selbstgebastelten Heiligkeit stoßen. Leicht geraten wir in Fesseln und Abhängigkeiten, aus denen wir uns nicht lösen können. Bestehen können wir nur im ständigen Regress auf den Sieger – Jesus! Bestehen können wir nur in der Verbindung zu ihm, hörend, betend, ER ist uns zugewandt. Das gilt auch, wenn wir es nicht wahrnehmen, wenn unser Weg dem ähnelt, was ein Beter in den Klageliedern Jeremias sagt:
„In tiefster Finsternis hat er mich wohnen lassen, wie jene, die lange schon tot sind. Er hat mich eingemauert, und ich komme nicht heraus, mit bronzenen Ketten hat er mich beschwert. Auch wenn ich schreie und um Hilfe rufe – er hat sich meinem Gebet verschlossen. Meinen Weg hat er mit Quadersteinen vermauert, meine Pfade hat er verdreht.“ (Klagelieder 3,6-9)
Mancher schleppt eine Belastung mit sich, aus der kein Gebet zu helfen scheint. Mancher stößt sich ständig neu den Kopf blutig. Ich weiß, es gibt Auswege, manchmal braucht es nur den Mut zu einer Entscheidung; es gibt Seelsorge und Beratung, aber das führt nicht immer zur Lösung. Und mancher Schritt in die Freiheit erweist sich als Scheinlösung. (1. Mose 16) Was dann? Viel Last können die ablegen, die sagen: Jesus, ich gehöre Dir, was mich bedrängt, wälze ich ab auf Dich. Ich traue Dir Zukunft zu, auch wenn ich sie jetzt nicht sehe. Gehen wir diesen Weg des Vertrauens auf Jesus! Wir kommen nicht zu kurz, wenn wir uns IHM überlassen. Beten wir im Namen Jesu am besten in Gemeinschaft, hören, aber auch prüfen wir den Rat derer, die mit uns im Glauben verbunden sind. Wir bestehen durch Jesus, der die Welt besiegt hat durch sein Sterben und seine Auferstehung. Amen
Winfried Klotz, Jg. 1952, Pfr. i. R. Bad König/ Odenwald; verh. drei erwachsene Kinder und ein Enkelkind. Theol. geprägt von Otto Michel und Hans J. Iwand, Mitglied Pfarrgebetsbund.