Johannes 3,16-21

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Gegen Geistlosigkeit |Pfingstmontag | 09.06.2025 | Joh 3,16-21 (dänische Perikopenordnung) | Leise Christensen |

Vor etwa einem halben Jahr gab es eine heftige Diskussion über das Angebot von Mahlzeiten für Ältere, also denen, denen das Essen zuhause geliefert wird, oder denen, die in den Pflegeheimen essen dürfen. Es zeigte sich, dass die gelieferten Mahlzeiten zehn bis vierzehn Tage vorher zubereitet waren, ehe sie den Älteren gebracht wurden. Das überraschte mich etwas. Ich dachte ja daran, ob sich das Essen überhaupt so lange halten konnte, nachdem es zubereitet war. Hier dachte ich an meine eigenen Esspakete, die manchmal nicht ausgepackt wurden, weil irgendetwas Unerwartetes im Lauf eines Arbeitstages geschieht, so dass ich es nicht essen konnte und ich jedenfalls keine Lust hatte, es am Tage danach nach einem ganzen Tag in der Schultasche zu essen, oder ich dachte an die Esspakete meiner Kinder – damals als ich noch Kinder in diesem Alter hatte – wo ich manchmal im Schulranzen eine Ration vom Montag am Freitag ungegessen fand, und das war nicht besonders appetitlich. Also wie können die Mahlzeiten, die von der Kommune geliefert werden, sich 14 Tage lang halten mit roten Beeten, Gurkenscheiben, Leberwurst usw.? Ja es gibt da einen nützlichen Begriff, der Vakuum heißt. Die Luft wird einfach aus der Verpackung herausgezogen, so dass die Bakterien das Essen nicht gleich verschimmeln lassen können. Im Englischen nennt man einen Staubsauger einen „vaccuumcleaner“, und das ist ja deshalb, weil ein vacuumcleaner reinigt, indem er den Schmutz aufsaugt.

Ich sehe eigentlich die Vakuumsrationen für die Älteren als ein Bild für viele Zustände in unserer Gesellschaft. Unsere Gesellschaft ist ein wenig vakuumverpackt. Die Luft ist herausgesaugt, der Geist ist abgesaugt. Nun geht es darum zu bedenken, dass im Schöpfungsbericht dasselbe Wort für Luft und Geist verwendet wird. Wenn Gott Luft und Geist in die Nase des Menschen bläst, wird er ein lebendes Wesen, ja da kann das Wort, das ruah heißt, sowohl mit Luftstrom als auch Lebensgeist übersetzt werden. Wenn wir das in unsere vakuumverpackten Essrationen übersetzen, dann ist es nicht nur die Luft, die der Ration entzogen wird, sondern auch der Geist. Der Geist, in dem gutes Essen gemacht werden sollte. Mit Frische und Liebe und Fürsorge. Worum es uns vor allem geht, das ist Geld zu sparen, und das kann schnell zu einem geistlosen Unternehmen führen, z.B. in den 14 Tage alten Rationen, wo der Geist mit einer Maschine herausgesaugt ist. Ja sicher, der Ernährungswert ist wohl derselbe, aber die, die sich 14 Tage alte Mahlzeiten ausgedacht haben, essen das nicht selbst. Warum wohl?

Nun ist nicht nur das Essen aus der Vakuums-Küche, das geistlos wird. Das geschah neulich auch in Hvide Sande. Fast Jahrhunderte lang hatte man auf der Düne „Dabs“ gegessen, ein luftgetrocknetes Fischgericht. Ja ich kannte das nicht, ehe ich nach Westjütland zog, wo ich in den ersten Jahren glaubte, dass man sehr hygienisch mit den Kochlappen umging, die immer offensichtlich zum Trocknen im Wind aufgehängt waren. Das waren aber Dabs, also getrocknete Fische. Die sind nun verboten – jedenfalls dürfen sie nicht verkauft werden. Das liegt wohl daran, dass Möwen möglicherweise auf einen solchen Fisch scheißen könnten, und es ist ungesund und unhygienisch, Möwenschisse zu essen. Deshalb weg mit “Dabs“. Dass niemand bislang daran gestorben ist, „Dabs“ zu essen, ist dann weniger wichtig. Weg damit. Man denke nur, wenn man Bakterien dabei einnimmt.

Es ist geistlos zu glauben, dass das Leben größer und reicher wird, wenn man den Schmutz vermeidet – oder es versucht – der unvermeidbar ist. Luther nannte das tapfer sündigen. Der Mensch kann nicht sündlos leben, wie sehr er sich auch bemüht. Deshalb müssen wir tapfer sündigen. Sonst weichen wir dem Leben aus, wo es gelebt werden soll. Eben das ist geistlos. Und wir brauchen den Geist wieder in der Gesellschaft, in unserem Umgang miteinander. Darum geht es zu Pfingsten. Gott gab uns seinen Geist, den Heiligen Geist, damit wir nicht geistlos in der Welt umherirren, sondern jeden Tag die Augen öffnen für noch einen geistreichen Tag. Der Geist gibt uns Mut, uns ins Leben zu begeben und es zu füllen mit Wirksamkeit, Rücksicht und Mut. Weg mit der Furcht, dass eine Möwe vielleicht jedes fünfzigste Jahr auf einen getrockneten Fisch scheißt und dass dies möglicherweise mehrere Stunden lang Bauchweh verursacht. Nein, der Geist soll wiederkommen, lass ihn auch in deinem Leben eine Rolle spielen. Manchmal kann man ja wie die Jünger Lust haben, hinter heruntergelassenen Gardinen zu sitzen, ganz still und mit der Furcht, was das Leben einem bieten kann. Manchmal kann man sich sehr wenig vom Geist berührt fühlen, uninspiriert, wie es auf Lateinisch heißen würde, ohne imstande zu sein, das Leben aufzunehmen. Das ist zu schwierig, zu gefährlich, zu unvorhersehbar, und man kann vielleicht daran sterben.

Nein, sagt der Geist. Der Tröster, den uns Jesus heute gibt. Wirf dich in das Leben, spüre den Geist, kämpfe gegen die vakuumverpackte Tyrannei der Geistlosigkeit und sage: „Nein, da ist mehr im Leben als sich bloß immer vor dem Tod zu schützen“. Diesen Kampf muss man sowieso verlieren. Sterben müssen wir. Aber an dem Tag, wo wir den Geist aufgeben, soll da ja am besten ein Geist da sein, den wir aufgeben! Wir sollen nicht vor der Zeit den Geist aufgeben! Wir sollen nicht vorzeitig im Geist sterben.

Als ich vor bald sehr vielen Jahren aufs Gymnasium ging, hatten wir einen Begriff, den die damalige Regierung einführte, und der hieß, dass man natürlich registriert würde, wenn man physisch abwesend war, aber auch wenn man geistig abwesend war. Es war natürlich manchmal etwas schwierig für einen Lehrer zu durchschauen, ob der Schüler nun mit seinem Geist anwesend oder abwesend war, und trotz des offensichtlich törichten Gesetzesvorschlages war damit doch die Einsicht verbunden, dass da ein Unterschied besteht, ob man geistig anwesend oder abwesend ist. Der Tröster, der Heilige Geist sorgt dafür, dass wir wirklich die Möglichkeit haben, im Leben geistesgegenwärtig zu sein, dass wir die Möglichkeit haben, einander zu ergreifen in Liebe und Vertrauen. Manchmal neigen wir dazu zu glauben, dass die Schöpfung an dem Tag aufhörte, wo alles war, wie es heute ist auf unserer Erde, ob man nun auf die poetische Beschreibung der Bibel sieht oder eine mehr harte wissenschaftliche Version. So ist es nicht im christlichen Sinn Da ist die Schöpfung heute genauso aktiv wie am Anfang der Schöpfung. Neuschöpfung heißt das. Jeden Tag! Jeden Morgen, wo wir die Augen öffnen, geschieht eine Schöpfung. Der Geist weht uns ein ordentliches Stück, so dass wir Mut und Freude empfangen, in die Welt zu gehen wie die Jünger damals in Jerusalem, um aktiv am Leben teilzuhaben, vor allem dem Leben anderer, kann man sagen. Ich meine wirklich, dass man sich dem Geist anheimgeben und etwas wagen soll. Ja, das geht manchmal schief, ja es könnte manchmal besser gehen, aber so ist das Leben. Der Geist gibt uns Kraft und Mut zu widerstehen, anzunehmen und uns zu widersetzen. Der Geistlosigkeit zu widerstehen. Jesus sagt: „Euer Herz sei nicht mutlos“. Darum geht es zu Pfingsten. Das ist das Bad in der Quelle des Geistes, die das Leben neu macht und gut zu leben. Und am jüngsten Tag auferstehen – physisch und geistlich! Amen.


Pastorin Leise Christensen

DK 8200 Aarhus N

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