Johannes 4,46-53; 2. Könige 5,1-5, 9-15

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Drittletzter So. d. Kirchenjahres | 09.11.2025 | Joh 4.46-53; 2. Kön 5.1-5; 9-15 | Anna Jensen |

Glaube, Hoffnung und Liebe können uns verwandeln

Eltern werden bis ans Ende der Welt gehen für ihre Kinder. Dennoch genügt das nicht immer.

„Wie hast du den Weg hierher finden können?“ – fragte der Tod in H.C. Andersens Märchen „Geschichte von einer Mutter“. Die Geschichte von einer Mutter ist bestimmt nicht für Kinder, das ist ein unheimliches und ernstes Märchen. Aber vielleicht deshalb soll man es seinen Kindern vorlesen. Kinder sollen darauf vorbereitet werden, dass es Trauer und Leid gibt, aber ihnen soll auch Hoffnung gegeben werden, dass es die Liebe gibt. In dem Märchen finden wir eine ängstliche Mutter, die am Bett ihres kranken Kindes wacht. In einer Nacht kommt der Tod zu Besuch, und während die erschöpfte Mutter einen Augenblick schlummert, geht der Tod aus der Tür mit dem Kind im Arm. Die Mutter läuft ihm nach hinaus in die kalte Nacht, aber wer kann den Tod einholen? Drei Mal auf ihrem Weg erhält sie Hilfe, sie bezahlt mit ihrer Zeit, ihrem Herzblut und ihren Augen, aber sie ist bereit, alles zu geben, um ihr Kind wiederzubekommen. Schließlich kommt sie zum Gewächshaus des Todes, wo alle Pflanzen schlagende Menschenherzen haben. Unter Millionen von Herzschlägen erkennt sie die Pflanze ihres kleinen Kindes wieder und hat gerade die Pflanze in die Hand genommen, als der Tod ankommt. „Wie konntest du schneller ankommen als ich?“ fragt der Tod, und sie antwortet: „Ich bin eine Mutter!“ In H.C. Andersens Märchen wird eine Mutter alles für ihr Kind tun, sie wird bis ans Ende der Welt gehen, sie wird ihr eigenes Leben hingeben, wenn nur ihr Kind leben darf.

In Kana in Galiläa stand ein Vater vor Jesus. Er war den langen Weg gegangen von Kapernaum, um Jesus darum zu bitten, seinen kranken Jungen zu heilen. Der Vater des Jungen war königlicher Beamter. Er war reich, er hätte seine Diener schicken können mit einem Ansuchen an Jesus, aber er entschied sich dafür, selbst zu kommen. Vielleicht war sein Anliegen zu wichtig als dass er es wagte, dies anderen zu überlassen, vielleicht war er an die Grenze gelangt, die alle Eltern fürchten, dass unsere Kinder vor uns sterben und wir nichts dagegen tun können. Im Johannesevangelium wird hervorgehoben, dass es nicht ein Mann mit gewöhnlicher Arbeit war, der Jesus aufsuchte, sondern einer von hohem Rang. Er hatte Geld und hätte die damaligen Ärzte bezahlen können, um den Jungen zu heilen, aber das hatte keinen Erfolg. Nun setzte der königliche Beamte seine Würde aufs Spiel, denn man denke nur, wenn das nicht funktionierte und Jesus nur ein Betrüger wäre? Wenn Eltern an der Grenze stehen, wo unsere Kinder zu sterben drohen, denken wir nicht mehr an Würde, wir werden alles tun für unsere Kinder. So auch der königliche Beamte, er beugte sich in den Staub vor diesem Prediger aus Nazareth, aber Jesus gab ihm eine kühle Antwort: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, glaubt ihr nicht“. Damit ließ sich der königliche Beamte nicht abfertigen: „Herr, komm mit dorthin, denn mein Kind stirbt“. Und dann sprach Jesus die wunderbaren einfachen Worte: „Gehe hin, dein Sohn lebt“.

So einfach war das. Keine Beschwörungen, kein Gebet oder eine Handauflegung, nein: „Gehe hin, dein Sohn lebt.“ Und der königliche Beamte ging den langen Weg nach Hause und fand seinen Sohn lebend.

So einfach, so schwer zu verstehen. Für den Heerführer Naaman, von dem wir im Alten Testament hören, ist das zu einfach. Er war aussätzig, eine furchtbare Krankheit, für die es zur Zeit Jesu keine Heilung gab. Erst bekam der Körper große Wunden, wurde aufgedunsen, und schließlich führte die Krankheit zum Tode. Deshalb war es Ernst für Naaman, er hatte Angst und reiste den ganzen langen Weg zum Haus des Propheten Elisa, um geheilt zu werden.  Der einzige Rat, den Elisa gab, war dieser: „Du sollst sieben Mal im Jordan baden“. Ganz ehrlich, wenn das so einfach war, hätte Naaman dann nicht einfach in den Flüssen seiner Heimatstadt Damaskus baden können? Warum sollte er die ganze Reise nach Galiläa machen? Er wurde sauer und wollte schon den Wagen wenden, als ihn seine Diener überzeugten, dass er es versuchen sollte. Und es geschah, wie Elisa gesagt hatte. Naaman wurde rein und geheilt von seiner Krankheit.

Naaman wurde zu seinem Heil zwei Mal geholfen. Erst von einem kleinen entführten Mädchen aus Israel, das ihm vorschlug, zu Elisa zu fahren. Das zweite Mal von seinen Knechten, die ihn dazu überreden mussten, in dem Fluss zu baden. Der Rat des Elisa erschien Naaman zu einfach, aber es war nicht das heilige Wasser des Flusses, das ihn heilte. Viele Menschen haben im Jordan gebadet, ohne rein zu werden. Nein, es war Gott, der ihn rein machte, weil Gott es so wollte. Der königliche Beamte wurde nicht gesund, weil Jesus über eine besondere Zauberformel verfügte, nein, er wurde gesund, weil es Gott wollte. So einfach ist es: Weil es Gott will.

Als Eltern gehen wir viele Umwege für unsere Kinder. Oft wissen wir nicht, was das Richtige zu tun ist. Wir haben ein Grundvertrauen, dass es gut endet, aber der Glaube kann uns verlassen, und wer tritt dann für uns ein, wer kann an die Stelle der Tochter Israels und der Diener Naamans treten? Wer sind unsere Helfer?

H.C. Andersens Märchen “Die Geschichte von einer Mutter“ endet nicht gut. Zwar kämpft sich die Mutter durch die drei furchtbaren Prüfungen hindurch, sie kommt bis zum Treibhaus des Todes, aber ihr Kind bekommt sie nicht zurück. Mit der schlagenden Herzenspflanze in der Hand sieht sie ein, dass sie die Zukunft ihres Kindes nicht kennt. In ihrer Verzweiflung droht sie damit, eine andere Pflanze auszureißen, das Leben für eine andere Mutter zu zerstören. Da erlaubt ihr der Tod, tief in seinen Brunnen zu schauen, wo sie das Leben der beiden Kinder sieht. Das eine Kind lebt in Glückseligkeit und wird zu einem Segen für die Welt, während das Leben des anderen Kindes Trauer, Not, Schrecken und Elend ist. „Welches Kind ist mein Kind?“ fragt sie, aber der Tod antwortet: „Beides ist Gottes Wille“. Da rang die Mutter ihre Hände, fiel auf die Knie und bat Gott: „Hör nicht auf mich, wenn ich gegen deinen Willen bete, der der beste ist! Hör nicht auf mich! Rette das unschuldige Kind. Bewahre es vor Elend, trage es in dein Reich“.

Der Glaube verwandelt uns. Wir sind nur kurzsichtige Menschen, die nicht immer wissen, worum wir bitten. Wir bitten für das Leben unserer Lieben und für unser eigenes Leben, so wie es Jesus am Gründonnerstag im Garten Gethsemane tat. Er hatte nicht den Wunsch zu sterben, schloss aber dennoch sein Gebet: „Es geschehe nicht mein Wille, sondern dein Wille, Gott“. Glaube ist das Vertrauen, dass es gut ausgeht. Als Jesus sein Leben in die Hände Gottes legte, wurde unser Leben verwandelt. Jesus ging in die Finsternis des Todes, aber Gott war stärker als der Tod. Jesus brach die Macht des Todes, als er Ostermorgen auferstand.

Glaube ist das Vertrauen darauf, dass es gut ausgeht, dass, was auch kommen mag, unser Leben in Gottes Händen ist. Seine Liebe kann uns tragen und uns neues Leben bei ihm geben. Wenn wir all das aufgeben, was uns gehört, unsere Würde, unseren Glauben, unsere Zweifel, unsere Würde, so wie es Naaman und der königliche Beamte taten, werden wir freigestellt. Wir werden frei, erlöst, wenn wir glauben, dass Gott den Tod für uns besiegt. Der Glaube an Gott gibt uns einen Überschuss, dass wir unser Leben in Liebe zueinander leben können. Es ist nicht sicher, dass dies jeden Tag gelingt, wir wollen gern die behalten, die wir lieben, wir kämpfen für das, was nach unserer Meinung uns gehört, aber wir haben einen Helfer, der uns wie die entführte Tochter Israels eine Richtung geben kann. Mit der Hilfe des Heiligen Geistes und der Kraft der Liebe Gottes können wir all das Unsrige loslassen in der Nacht, wenn die Kälte kommt. Der Glaube kann uns verwandeln, nicht indem wir das bekommen, was wir erbitten, sondern indem wir von innen verwandelt werden, so dass wir den Willen und die Gnade Gottes in unserem Leben sehen. Mit dem glauben daran, dass es gut endet, dass Gott unser lieber Vater ist, können wir Frieden und Hoffnung auch in den finstersten Zeiten finden. Amen.


Pastorin Anna Jensen
DK-5230 Odense M
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