Johannes 5,39–47

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Glauben wir an Jesus Christus? | 1.Sonntag nach Trinitatis | 22.06.2025 | Joh 5,39–47 | Klaus Wollenweber |

39 Ihr forscht in der Schrift, weil ihr meint, durch sie das ewige Leben zu finden. Aber gerade die Schrift weist auf mich hin.

40 Und doch wollt ihr nicht zu mir kommen, obwohl ihr bei mir das Leben finden würdet.

41 Ich bin nicht darauf aus, von Menschen Anerkennung zu bekommen.

42 Aber ´bei euch ist es anders`. Ich kenne euch und weiß, dass ihr der Liebe zu Gott keinen Raum in eurem Leben gebt.

43 Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und ihr lehnt mich ab. Doch wenn jemand anders in seinem eigenen Namen kommt, werdet ihr ihn mit offenen Armen aufnehmen.

44 Wie solltet ihr auch glauben können? Bei euch ist jeder darauf aus, von den anderen Anerkennung zu bekommen; nur die Anerkennung bei dem einen, wahren Gott sucht ihr nicht.

45 Denkt nicht, dass ich euch beim Vater anklagen werde. Mose wird euch anklagen – er, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt.

46 Denn wenn ihr Mose wirklich glauben würdet, würdet ihr auch mir glauben; er hat ja über mich geschrieben.

47 Wenn ihr aber dem nicht glaubt, was Mose geschrieben hat, wie wollt ihr dann dem glauben, was ich euch sage?«     (Neue Genfer Übersetzung)

Liebe Gemeinde,

das ist ein eigenartiger biblische Abschnitt, in dem der Evangelist eine Reihe von Behauptungen, Unterstellungen und Warnungen Jesus in den Mund legt. Kurzum: Wir hätten keinen wahren Glauben an Gott und Jesus Christus! Schon der Anfang wirft Fragen auf: Wer ist denn mit dem ihr forscht in der Schrift“ gemeint? Fühlen Sie sich angesprochen? Bin ich als Theologe gemeint, der sich beruflich mit den mosaischen Schriften und den neutestamentlichen Botschaften auseinandersetzt? Und dann der letzte Satz: „Wenn ihr aber dem nicht glaubt, was Mose geschrieben hat, wie wollt ihr dann dem glauben, was ich euch sage?“ Ich kann daraus zunächst schließen, dass Jesus bzw. der Verfasser des Johannes-Evangeliums die Vieldeutigkeit der biblischen Schriften der hebräischen Bibel kennt. Er weiß wohl um den „garstig breiten Graben“ (Lessing), der zwischen Redner, Schreiber und Leser bestehen bleibt, – auch dann noch, wenn so manche kunstvollen Brücken des Verständnisses gebaut sind oder werden.

Ich denke: Wer von uns meint, die biblischen Schriften eindeutig auf unsere jetzige Zeit anwenden und einfach so für unsere Denk- und Verhaltensweisen in Anspruch nehmen zu können, macht es sich zu leicht! Denn in allen Texten geht es um die Lesenden und die Hörenden, um ihren Tod und ihr Leben. Es handelt sich also um eine „todernste“ Sache: Wie lebe und praktiziere ich die Zuwendung Gottes und Jesu in meinem eigenen Leben und im Zusammenleben mit anderen Menschen heute? Jesus verheißt ganz positiv das ewige Leben und fährt zugleich so kritisch verurteilend fort: „Und doch wollt ihr nicht zu mir kommen, obwohl ihr bei mir das Leben finden würdet. Ich bin nicht darauf aus, von Menschen Anerkennung zu bekommen.“

Liebe Gemeinde, wie realistisch, was wir hier aus dem Munde Jesu hören! Er hat seinen Hörerinnen und Hörern – vielleicht seinen Jüngern – nicht vorenthalten, wie wenig man ihm in seinem Umfeld, besonders seinen Worten, glaubt und vertraut. Denn es tauchen immer wieder andere Menschen auf, falsche Jesusse, und wollen uns – an Gott glaubende Christen – verführen. Die lange Geschichte der Christenheit erzählt davon, dass Christenmenschen immer wieder auf große Namen hereingefallen sind. Und nichts spricht dafür, dass Menschen in unserer Gegenwart immun dagegen wären. Die Menschen heute, die ihren eigenen Namen herausstellen und um die eigene Ehre und Anerkennung buhlen, setzen ja gerade wie früher dort an, wo sich die Not der Zeit auftut und wo die Sehnsucht nach einem besseren Leben handgreiflich wird. Sie nehmen brennende Themen der Gegenwart auf und entsprechen den jeweiligen Trends mit dem Zeitgeist; z.B. zu viele Asylanten im Land, die Arbeitsplätze wegnehmen, die auf unsere Kosten leben, die Verbrechen begehen. Die falschen Jesusse greifen auf, wonach den Menschen unserer Zeit die Ohren jucken, und sie reden den Leuten nach dem Mund. Das ist nichts Neues: der Unglaube wechselt je nach Situation seine Kleider, aber im Wesen bleibt er gleich – bösartig, verführerisch, eigenmächtig und lieblos! Beispielhaft können wir an Machthaber denken, die ihrer eigenen Ideologie folgen, die nur Eigenliebe kennen und eher zerstören als aufbauen, denen das Leben anderer Geschöpfe keinen Wert hat.

Ich frage mich und Sie: Wie weit ist unser Denken und Entscheiden, unser Verhalten, unser Tun und Unterlassen von solchen sinngemäß falschen Jesus-Menschen geprägt oder bestimmt? Natürlich möchte keiner von uns ungeliebt sein, abgelehnt werden, einfach beiseitegeschoben sein. Jede und jeder von uns lebt menschlich von Anerkennung und Akzeptanz durch andere. Nicht umsonst strampeln wir uns ab, so gut wir können. Eine Menge in unserer jeweiligen Lebensgeschichte geschah, um zu glänzen; und eine Menge haben wir unterlassen oder haben wir verschwiegen, um das eigene Wohl und das der anderen in der Gemeinschaft – in der Familie und am Arbeitsplatz – nicht aufs Spiel zu setzen.

Ja, Jesus leuchtet hier mit seinen Worten tief in unsere menschlichen Lebens-Zusammenhänge hinein. Er will uns nicht anklagen. Er deckt vielmehr auf, wie Mose es bereits über den Menschen gesagt hat, dass unser Streben nach Ehrung durch andere Menschen mit der Zurücksetzung der Ehre Gottes verbunden ist und deshalb dem Glauben an Gott, den ehrenvollen Schöpfer, im Tiefsten widerspricht.

Jesus sieht uns Menschen in unserer Zerrissenheit: Suchen wir das sinnvolle Leben oftmals in falschen, reizvollen und aktuell einleuchtenden Verbindungen und verlieren zugleich unseren Schöpfergott aus den Augen? So verlieren wir Leben und Liebe, Vertrauen und den Vater Jesu Christi. Doch die Ehre, die Gott allein jedem von uns gibt, – diese Ehre stillt bereits alle menschliche Sehnsucht nach Angenommensein und Anerkennung. Diese Ehre Gottes überwindet bei Ihnen und bei mir alle Angst, in der irdischen Gemeinschaft zu kurz zu kommen; sie löst alle Verkrampfung im menschlichen Umgang miteinander. Durch Gottes Zuneigung zu uns werden wir wertvoller als wir sind, als wir je waren, – mehr als wir durch unsere eigene Anstrengung werden könnten. Gott, der Vater, zeigt uns in Jesus Christus den mit Ehre gekrönten Menschen. Diese Wirklichkeit gilt es, im christlichen Glauben zu entdecken.

So können wir heute im Vertrauen auf Gottes Vertrauen zu uns sagen: Wer sich von der Liebe Gottes schon angenommen weiß, hat bereits festen Boden unter den Füßen in dieser Welt; er oder sie brauchen sich nicht mehr um die Gunst Gottes abzustrampeln. Und sie sind frei von der Sorge um das eigene Ansehen, um Ehre und Geltung; sie sind frei von dem unbarmherzigen Gesetz des Geltenmüssens vor anderen, von dem Druck, sich in den Mittelpunkt stellen zu müssen. Letztlich sind wir Christen frei von der Meinung und dem Urteil der anderen und brauchen keine Maske zu tragen, mit der wir uns anpassen könnten oder müssten.

Mit diesem christlichen Glauben kann ich mich mit meinen eigenen Schwächen und Fehler ehrenvoll wahrnehmen und mich auch verändern. Ich kann ebenso andere Menschen in dieser ähnlichen Lebenssituation ermutigen, statt sie wegen ihrer Schwächen zu demütigen. Denn ich kann so, wie ich bin, Gott die Ehre geben. Zu dieser Lebenseinstellung will uns Jesus Christus mit seinen Worten ermutigen und befreien. Denn mit diesem Glauben haben wir bereits eine Existenz im ewigen Leben, das er uns zusagt.

Wo vieles um uns herum wankt und zerbricht, schenkt uns diese Wahrheit Christi Kräfte der Geduld und Lebensfreude. Sie befreit uns von dem Nebel der Täuschungen, der Überforderungen und der Selbstüberschätzung. Forschen wir ruhig in der Schrift und lesen in den Schriften der Mosebücher; der uns rettende Glaube hängt am Wort Christi, nicht an den falschen Jesus-Machthabern. Glaubwürdigkeit und Wahrheit eines biblischen Schriftwortes wirken im Miteinander von uns Menschen, die dieses Wort hören und leben! Nicht nur hören, sondern auch praktizieren! Das ist gewisslich wahr!

Der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn. Amen

Lieder: EG Nr. 183       Wir glauben all an einen Gott

              EG Nr. 184       Wir glauben Gott im höchsten Thron


Bischof em. Klaus Wollenweber

53129 Bonn

E-Mail: Klaus.Wollenweber@posteo.de

Viele Jahre Gemeindepfarrer in der Ev. Keuzkirchengemeinde Bonn; ab 1988 theologischer Oberkirchenrat in der Ev. Kirche der Union (EKU) Berlin ( heute: Union Ev. Kirchen (UEK) in Hannover ); ab 1995 Bischof der „Ev. Kirche der schlesischen Oberlausitz“ mit dem Amtssitz in Görlitz / Neiße  (heute: „Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz“ (EKBO) ); seit 2005 im Ruhestand wohnhaft in Bonn. Häufig aktiv in der Vertretung von Pfarrerinnen und Pfarrern in Bonn.