Johannes 6,22-35

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Jesus wird gesucht- aber wozu brauchen wir IHN? | 7. So. n. Trinitatis | 03.08.2025 | Joh 6,22-35 | Winfried Klotz |

22 Die Volksmenge, die am anderen Ufer geblieben war, erinnerte sich am nächsten Tag, dass nur ein einziges Boot am Ufer gelegen hatte. Die Leute wussten, dass Jesus nicht ins Boot gestiegen war und seine Jünger ohne ihn abgefahren waren. 23 Es legten aber andere Boote, die von Tiberias kamen, nahe bei dem Ort an, wo der Herr das Dankgebet gesprochen und die Menge das Brot gegessen hatte. [6,11] 24 Als die Leute nun sahen, dass Jesus nicht mehr da war und seine Jünger auch nicht, stiegen sie in diese Boote. Sie fuhren nach Kafarnaum und wollten Jesus dort suchen. 25 Sie fanden ihn tatsächlich auf der anderen Seite des Sees und fragten ihn: »Rabbi, wann bist du hierher gekommen?« 26 Jesus antwortete: »Amen, ich versichere euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr meine Wunder als Zeichen verstanden habt, sondern weil ihr von dem Brot gegessen habt und satt geworden seid. [2,11S]

27 Bemüht euch nicht um vergängliche Nahrung, sondern um wirkliche Nahrung, die für das ewige Leben vorhält. Diese Nahrung wird euch der Menschensohn geben, denn ihn hat Gott, der Vater, als seinen Gesandten bestätigt.« 28 Da fragten sie ihn: »Was müssen wir denn tun, um Gottes Willen zu erfüllen?« 29 Jesus antwortete: »Gott verlangt nur eins von euch: Ihr sollt den anerkennen, den er gesandt hat.« 30 Sie erwiderten: »Gib uns einen Beweis für deine Bevollmächtigung! Lass uns ein eindeutiges Wunderzeichen sehen, damit wir dir glauben. [4,48; Mt 12,38par; Mk 8,11par; 13,22par; 1Kor 1,22] 31 Unsere Vorfahren aßen das Manna in der Wüste. In den Heiligen Schriften heißt es von Mose: ‚Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.’« [nach Ps 78,24; von Mose ist im Blick auf Vers 32 hinzugefügt. Die Heiligen Schriften selbst kennen nur Gott als Geber des Manna, doch spielt in der jüdischen Auslegung Mose als Vermittler eine wichtige Rolle.]

32 Jesus entgegnete: »Amen, ich versichere euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.  33 Das wahre Brot Gottes ist das, das vom Himmel herabsteigt und der Welt das Leben gibt.« 34 »Herr«, sagten sie, »gib uns immer von diesem Brot!« [4,15] 35 »Ich bin das Brot, das Leben schenkt«, sagte Jesus zu ihnen. »Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein. Wer sich an mich hält, wird keinen Durst mehr haben. [4,13-14; 6,48-58; 7,37]

 

Jesus ist begehrt, Menschen suchen ihn, scharen sich um ihn; er wird unbedingt gebraucht! Wer durch ein Dankgebet 5000 Menschen satt machen kann, ist unverzichtbar. Nicht dass die Menschen damals eine Art Schlaraffenland gesucht hätten; nein, sie trieb die Unsicherheit des Lebens, Jesus zu suchen; sie wussten, wie weh Hunger tut. Sie lebten nicht in einer Wohlstandsgesellschaft mit Überfluss an Nahrung.

Jesus wird gesucht, weil durch ihn das Leben sicherer wird. Es geht denen, die ihn suchen, um das irdische Leben, es geht um die Nahrung, die das irdische Leben ermöglicht. Was die, die beim Brotwunder satt geworden sind, suchen, ist aber keineswegs verwerflich; wir alle brauchen das „tägliche Brot“. Im Vaterunser beten wir doch: „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Luther erklärt im kleinen Katechismus zur 4. Bitte (Ev. Gesangbuch Hessen-Nassau 806.3):

„Was heißt denn tägliches Brot?
Alles, was not tut für Leib und Leben,
wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh,
Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut,
fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen,
fromme und treue Oberherren, gute Regierung,
gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre,
gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“ Das klingt altertümlich, wir verstehen aber, was gemeint ist.

Im Alltag des Lebens mühen viele sich fleißig darum, das „tägliche Brot“ zu erarbeiten. Ja, manche scheinen gar keine andere Blickrichtung zu kennen als die, wie gewinne und vermehre ich mein Auskommen! Politiker werden daran gemessen, ob sie gute Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg schaffen. Alles dreht sich ums Wirtschaftswachstum. Das hat sein Recht, aber damit die Mühe um das tägliche Brot nicht zum Götzendienst wird, braucht es ein Gegengewicht:

„Der Mensch lebt nicht nur von Brot; er lebt von jedem Wort, das Gott spricht.“ (Mt. 4, 4 / 5. Mose 8, 3) So zitiert Jesus aus dem 5. Buch Mose in der Abweisung des Versuchers, der ihn veranlassen will, aus Steinen Brot zu zaubern.

Jesus wird gesucht und zwischen denen, die ihn suchen und für sich zur Sicherung des Lebens brauchen und Jesus, (- in seinen Worten spricht auch die das Johannesevangelium verantwortende Gemeinde und ihre geschichtliche Situation-) entsteht eine Auseinandersetzung darüber, ob Jesus mehr ist als ein Wohltäter der Menschheit. Mehr als Mose, durch den Gott das Volk Israel in der Wüste mit dem Manna gespeist hat. Ob er von Gott gesandt ist, damit eine Nahrung in die Welt kommt, die den Lebenshunger wirklich stillt. Offensichtlich kann man Jesus aus Gründen suchen, die seiner Sendung nicht entsprechen.

Lebenshunger: Was gibt meinem Leben Sinn in einer Welt, die nicht nur von Vergänglichkeit, sondern weit schlimmer, von Bosheit bestimmt ist? Von all dem, was Leben zerstört, ein Miteinander in ein Gegeneinander verkehrt, Liebe in Hass verwandelt. Jesus sagt bei einer Auseinandersetzung über rein und unrein über den Menschen: „Aus ihm selbst, aus seinem Herzen, kommen die bösen Gedanken und mit ihnen Unzucht, Diebstahl und Mord; Ehebruch, Habsucht und Niedertracht; Betrug, Ausschweifung und Neid; Verleumdung, Überheblichkeit und Unvernunft.“ (Mk. 7, 21-22)

Ist das nicht zu hart geurteilt? Der Mensch ist im Kern gut, meinen viele, es sind die Umstände, die ihn das Böse tun lassen. Gibt es nicht Menschen, die viel Gutes tun! Der Streit darum ist müßig, mühen wir uns das Gute zu tun im Wissen, dass wir zum Bösen fähig sind und es auch tun. „Aus dem Herzen des Menschen kommen die bösen Gedanken“, sagt Jesus. Getrieben vom Hunger nach Leben leitet uns unser Herz nicht nur auf einen guten Weg, sondern so oft auf einen zerstörerischen Weg. Unser Leben gerät aus dem Gleichgewicht, aus dem Frieden in eine tiefe Unordnung. Im Streben nach Glück und Lebenserfüllung verlieren wir den Halt, verletzen uns und unsere Nächsten. Wir mögen genug „Mittel zum Leben“ haben und sind doch ohne den Frieden, der das Leben erfüllend macht. Ein Lied beschreibt das so:

Ich habe die Menschen gesehen,
und sie suchen spät und früh,
sie schaffen, sie kommen und gehen,
und ihr Leben ist Arbeit und Müh.

Sie suchen, was sie nicht finden
in Liebe und Ehre und Glück,
und sie kommen belastet mit Sünden
und unbefriedigt zurück.

(Eleonore Fürstin von Reuß, 1835-1903, aus dem Lied: Ich bin durch die Welt gegangen)

Jesus wird gesucht und die, die ihn suchen, treibt durchaus der Hunger nach Leben. Aber etwas ist falsch: Sie suchen in Jesus nicht den, den Gott gesandt hat, damit die tiefe Sinnlosigkeit eines friedlosen Lebens, geprägt von der Sünde, der Trennung von Gott, überwunden wird, sondern nur den, der ihnen als Brotvermehrer ein gutes Leben jetzt ermöglicht. Sie glauben und wissen nicht, dass dieser Jesus Gottes Sohn und Gesandter ist, über dem der Himmel offen ist. (Joh. 1, 51- vgl. Mt. 17, 1-9)

Der Streit darum, wer Jesus ist, zieht sich durch das 6. Kapitel des Johannesevangeliums. Ein paar Verse später sagen die, die Jesus suchen: „Wir kennen doch seinen Vater und seine Mutter! Er ist doch Jesus, der Sohn Josefs! Wie kann er behaupten: Ich komme vom Himmel?“ (V. 42). Der Streit darum, wer Jesus für uns ist, wird auch heute geführt; in kirchlichen Verlautbarungen wird gerne der Jesus genannt, an dem wir uns orientieren sollen. In den Hintergrund aber tritt Jesus als der, durch den Gott rettet, was doch unbedingt im Vordergrund stehen müsste. In Tirol habe ich in vielen katholischen Kirchen folgendes gesehen: Am Übergang des Chorraums zum Gemeinderaum steht eine Marienfigur; Jesus hängt hinten, weit oben im Chor am Kreuz. Die oft geäußerte Behauptung, Maria leite hin zum Christus, überzeugt mich nicht. Wer sieht noch den fernen Christus als Heiland, wenn Maria den Blick gefangen nimmt? Wer vertraut sich ganz dem Retter Jesus an, wenn die Orientierung an seinem Vorbild als das allgemein Christliche gilt? Das ist der Weg des Gesetzes, nicht der in Jesus Christus erschienen Gnade Gottes!

„Ich bin das Brot, das Leben schenkt, sagte Jesus zu ihnen. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein. Wer sich an mich hält, wird keinen Durst mehr haben.“

Wenn wir diese überspitzte johanneische Lehre von Jesus ins Zentrum stellen, verliert die Kirche alle gesellschaftliche Relevanz, höre ich manche Leute sagen. Dann regiert in ihr eine weltabgewandte Innerlichkeit, die unfähig ist, Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu geben! Mag sein, dass wir uns dann nicht mit immer neuen Positionspapieren zu Zeitfragen äußern. Mag sein, dass eine Kirche, in deren Zentrum die Feier Jesu als Lebensbrot geschieht, auf viele Fragen keine Antwort weiß. Aber in ihr werden Menschen zusammenkommen, die erfüllende Gemeinschaft in der Feier des Abendmahls gefunden haben – und das strahlt aus! Wer bei Jesus aus der tiefen Sinnlosigkeit eines nur dem eigenen ICH dienenden Lebens befreit wurde, wer bei ihm das helle Licht eines zu Gott hin offenen Himmels gesehen hat, wer aus der Unordnung eines Lebens, getrieben von der Gier, zum Frieden gelangen durfte, der hat wirkliches Leben! Der lebt mit Jesus in Gott! Und das strahlt aus! Wenn ich Jesus und die urchristliche Gemeinde recht verstehe, dann ist unser Auftrag nicht, ‚die Welt zu einem besseren Ort zu machen‘, sondern durch Jesus in Gott zu leben, durch Jesus „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt“. (1, 29) Es ist unbezweifelbar, dass die Welt auf diesem Weg zu einem besseren Ort wird!

Jesus, Brot des Lebens für uns: Wie kommen wir zu ihm? Wie finden wir zum Glauben an ihn? Wirkt diese Jesus-Religion nicht wie ein Versuch, sein Leben auf etwas zu gründen, das nicht Wirklichkeit dieser Welt ist?

Wir haben die Berichte der Bibel, wir haben geschichtliche Anhaltspunkte für Jesus, wir haben eine Wirkungsgeschichte, die dann hell und strahlend wirkt, wenn Menschen sich auf Jesus eingelassen haben und eben nicht angepasst an die Ideale und Vorgaben der Zeit lebten. Wir haben dieses Zeugnis des Glaubens in erdenen Gefäßen, anders kann es nicht sein. Aber wir haben es! Es ist nicht den Gehirnen von Menschen entsprungen, die sich selbst groß machen wollten, sondern die leidensbereit ihr Leben hingegeben haben. Beweist das etwas? Nein, aber es ist ein starker Anstoß sich anreden zu lassen, auf das Zeugnis von Jesus als Lebensbrot zu antworten und zu erfahren, dass Gott antwortet. Wenn Gott dich durch die Botschaft von Jesus anredet, gib Antwort! Indem du antwortest, erweist sich die Wirklichkeit Gottes in Jesus.

Im Losungsbuch fand ich am 24.7. folgendes Gebet von Hanna Hümmer: „Du lässt uns nicht ohne dein Reden. Du lässt uns nicht ohne deinen Frieden. Deine Liebe ist so mächtig, dass sie Raum um uns bleibt, auch da, wo wir noch klagen und tief unglücklich sind in uns selbst. Du verstehst unsere törichten Gedanken. Du trägst uns auch in allen Anfechtungen, Nöten und Leiden. Du bist es, der unser tiefstes Fragen stillt. Zu dir dürfen wir reden, zu dir dürfen wir kommen allezeit, wenn wir nicht mehr weiter wissen.“ (aus Hanna Hümmer, Lass leuchten mir dein Angesicht – Gebete, Christusbruderschaft Selbitz, 5. Auflage 2020 www.verlag-christusbruderschaft.de)

So können wir Gott in Jesus, dem Lebensbrot erfahren; und wenn wir ohne Antwort zu bleiben scheinen? Warte, sei geduldig mit Gott und dir selbst. Amen

 

Liedvorschläge: Such, wer da will, ein ander Ziel, EG 346; In Christus ist mein ganzer Halt, Nr. 66, Das Liederbuch, Ev. Jugendwerk in Württemberg; Es gibt bedingungslose Liebe, Nr. 60, Das Liederbuch; Meine Seele singe, denn die Nacht ist vorbei, Nr. 67, Das Liederbuch; (aus meiner Jugendzeit: Du tust oft so klug und weise, A. M. Cocagnac, Nr. 127, Sein Ruhm unsere Freude 1988).


Winfried Klotz, Jg. 1952, Pfr. i. R. Bad König/ Odenwald; verh. drei erwachsene Kinder und ein Enkelkind. Theol. geprägt von Otto Michel und Hans J. Iwand, Mitglied Pfarrgebetsbund. Email: winfried.klotz@web.de