
Johannes 6,30-35
Im Restaurant Christi | 7. So. n. Trinitatis | 03.08.2025 | Joh 6,30-35 | Ralf Reuter |
Man geht nicht jeden Tag ins Restaurant. Auch nicht in die Kirche. Viele kochen selber. Es gibt Kochbücher. Doch da musst du dich selber bedienen. Bekommst nichts vorgesetzt, ist kein Platz für dich eingerichtet. Ohne Restaurant ist es wie ohne Kirche, dir fehlt Entscheidendes zum Leben, du wirst nicht an den Tisch des Herrn geladen.
Also geh ins Restaurant „Jesus Christus“. Im Evangelium des Johannes erzählt das ganze 6. Kapitel vom Brot des Lebens. Später wird das immer wieder reflektiert, im Bild des Weinstocks, in der Begegnung mit dem Auferstandenen am Tisch, in der Speisung des Volkes.
Kirche wie in einem Sternerestaurant, kann diese Idee Geschmack machen auf die göttliche Fülle? Klar, aber dann muss auch frisch gekocht werden. Nichts Vorgefertigtes auftischen, nicht künstliche Geschichten oder bibelferne Märchen erzählen, nichts Gegoogeltes unterjubeln.
Einzig Schwarzbrot des Glaubens servieren. Vielleicht etwas feiner, die hohe Schule des Kochens, der Theologie, die vielfältig ist und immer auch dauert. So müssen die Worte geerntet, geschält werden, geistvoll gekocht, mit Hoffnung anschwitzt, bissgerecht gereicht, liebevoll serviert.
Der Gruß aus der Küche, das Orgelvorspiel, muss zur Predigt passen. Also zu dem, was dann für 8 bis 12 Minuten auf den Teller kommt. Starter mit Psalm, Ehr sei dem Vater, Kyriegebet, und mit Gloria und der Lesung sind die Vorspeisen beendet. Und dazwischen trinken, Lieder als Weinbegleitung.
Die Liturgie ist ein Menü, sie führt dich regional, saisonal, spirituell durchs Kirchenjahr. Lass dir an der Kirchentür den Aperitif in die Hand drücken, bei uns tut`s auch das Gesangbuch. Wenn hier der Pastor steht, schon im Talar, oder die Pastorin, und den Kommenden zulächelt, beginnt es himmlisch.
Bei allem Arrangement, allem Orgelrausch, allen Sommerblumen, Kerzenglanz und Leinendecken, im Spiel des Herrn zählt nur die Qualität des Produkts auf dem Teller. Was du isst, was dich nährt, von dem du wirklich satt wirst, vom lebendigen Wort Jesu Christi. „Ich bin das Brot des Lebens“.
Also Brot des Lebens, Sehnsuchtsspeise eines tragenden Glaubens, in allen Bereichen des Irdischen, wie soll ich es anders formulieren. Ganz himmlisch und zugleich auf Erden, voll und ganz Mensch sein, lebendig wie Gott selber der oder die werden, den oder die er in dir sieht, in dir angelegt hat.
Leben von diesem Brot wird dann wohl bedeuten, bitte nicht erschrecken, diesen Christus mit Haut und Haaren zu verspeisen. Vielleicht erst einmal seine Worte kauen und zerkleinern. Erinnere dich an den Taufspruch oder dem zur Konfirmation. Überhaupt geprägte Worte, der Herr ist mein Hirte.
Nicht die Zähne ausbeißen, viel mehr probieren, auf der Zunge zergehen lassen wie einen Heilbutt vom Chefkoch. In späteren Jahren entfalten sich die Aromen noch mal anders und intensiver. Doch Vorsicht, schling nicht runter, meine nicht, du müsstest gleich den Teller leerputzen und das ganze Evangelium lesen.
Schon manches Gleichnis wird dir unverdaulich sein wie ein fetter Braten. Lass ihn dir vom Bodenpersonal in kleine Portionen teilen, finde dein Maß des Lesens und Durchdenkens. Und, als Idee dieser Predigt, fang doch mit den Geschichten des Essens an, schon im ersten Wunder wandelt Jesus Wasser zu Wein.
Oft sind es die harten Ereignisse des Lebens, Krisen, Zweifel, Ungerechtes, all die Widerfahrnisse, die man nicht will, nicht braucht, die einen dann tiefer verstehen lassen, näher an Kreuz und Auferstehung führen. Dazu braucht es die Stärkung des Himmels, Christi Leib für dich gegeben, Christi Blut für dich vergossen.
Luther kann als Folge dieser Speisung von einem Tausch reden, er übernimmt mein Leid, ich bekomme sein Heil übertragen. Johannes spricht von der Einwohnung Christi in unserem Herzen. Ob real erfahren oder zeichenhaft verstanden, es geht um die eigene Ich-Zentrale.
Hier übernimmt Christus und kocht mit dir für andere. Das ist, so glaube ich, die Weiterführung vom Glauben zum Handeln. Es braucht etwas Besinnung, um zu sehen, wo man selber für andere kocht. Ist dein Wochenplan nicht der eines Restaurants? Niemals arbeitest und sorgst du nur für dich, oder?
Immer sind es die Einsätze für andere, für Kunden, Mitarbeitende, Kinder, für Enkel und Gemeinde, in denen sie dich ebenso aufessen wie du den Herrn Jesus Christus. Die ganzen Unternehmen und Engagements, als Folge des Glaubens, sie werden zu Werken des Heiligen Geistes.
So beginnt das gelebte Evangelium von Jesus Christus mit der selbstgekochten Suppe, die mir meine Mutter nach schweren Infektionen in der Kindheit kochte und Löffel für Löffel zu schlürfen gab. Ist nicht ihr Einsatz die Inkarnation des Lebensbrotes, ihre Zuwendung die des sich erbarmenden Christus?
Und geht dies, um nur dieses Beispiel einmal weiterzudenken, auf das Kochen auf der Jugendfreizeit über, wie es bei uns einige aus dem Kirchenvorstand tun. Schade, wenn 70jährige sagen, ich koche nicht mehr, damit bin ich durch. Ich kenne 90jährige, die selbst noch im Altersheim die Soße verfeinern.
Brot des Lebens ist göttliches Manna auf dem Weg in die Ewigkeit. Hier gehen wir als Volk Gottes von Station zu Station. Immer warten neue Herausforderungen, immer wirst du mehr gefordert als du erst einmal magst. Erst später, in den Rückblicken, wirst du spüren: Das war die schönste Zeit.
Man geht nicht jeden Tag ins Restaurant, nicht in die Kirche, und steht doch am Herd, am Tresen, auf der Kanzel, im Bemühen um eine bessere, ehrliche Welt, in Sorge um die Seinen, unterwegs, mitgenommen auf dem großen Weg in die Ewigkeit. All das vollbringt Christus in dir, er ist dein Brot des Lebens.
Der Käse kommt vor dem Dessert, klar, aber dann ran an den Nachtisch. Das Spielerische, Schöne, Verzaubernde, vielleicht einfach Erdbeeren mit etwas Minze im Juni, Pflaumenkompott im Herbst. Überhaupt, Christus schenkt ein, vergesst auch die Getränke nicht. Und schenkt selber aus, was andere belebt, nehmt vom Besten.
Und unsere lieben Kirchen: Sommergottesdienste in und vor den Kirchen sind Feste, mit Eis und Kinderlachen und Seniorentischen im Schatten. Dann die Einschulungen, das Segnen der Kleinen in den Kirchen. Bald kommen auf den Bauernhöfen die Erntedankgottesdienste, mit diesem Geruch von Kartoffeln und Erde.
Das Brot des Lebens lässt die Tage zum Fest werden. Immer begrenzt, nie gesichert, sind sie geschenkte Zeit. Darin ist Hiersein herrlich, köstlich wie Champagner. Doch es hängt nicht am Geld, überall wird gekocht, gebacken, gesungen, oft ganz einfach und schlicht.
Lass es geschehen, lass es gut sein mit deiner Ungeduld, der Unzufriedenheit. Kehre immer wieder in die Gasthäuser des Göttlichen ein, betreibe sie selber in Beruf und Familie, auf der Erde und zuhause. Niemals mehr wirst du hungern und dürsten, mit dem Brot des Lebens im Restaurant Christi.
Pastor Ralf Reuter
Göttingen
E-Mail: Ralf.Reuter@evlka.de
Ralf Reuter, Pastor der Ev.-luth. Weststadt-Kirchengemeinde Göttingen, der Göttinger Westdörfer und der Region Göttingen-West, gelegentlich auch als Pastor für Führungskräfte im Kloster Loccum tätig
Literatur:
Jean Zumstein: Das Johannesevangelium 2016, bes. S. 240-286 (zur Auslegung von Kap. 6)
Reinhard Schwarz: Martin Luther, Lehrer der christlichen Religion 2015, bes. 205-227 (zum Tausch bei Luther)
Vincent Moissonnier/Joachim Frank: Der Käse kommt vor dem Dessert, 2023
Vincent Moissonnier/Bert Gamerschlag: Ein Tisch am Fenster. Geschichten aus einem besonderen Restaurant, 2025