
Johannes 6,47-51
Himmlischer Hunger | Lätare | 30.o3.2025 | Joh 6,47-51 | Paul Wellauer |
| Psalmgebet im Wechsel | Psalm 84,2-13 | Lutherbibel 2017* |
| Freude am Hause Gottes |[1 Ein Psalm der Korachiter, vorzusingen, auf der Gittit.]
I 2 Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR Zebaoth!
II 3 Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott.
I 4 Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen – deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott.
II 5 Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar. [Sela.]
I 6 Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln!
II 7 Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen hüllt es in Segen.
I 8 Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren Gott in Zion.
II 9 HERR, Gott Zebaoth, höre mein Gebet; vernimm es, Gott Jakobs! [Sela.]
I 10 Gott, unser Schild, schaue doch; sieh an das Antlitz deines Gesalbten!
II 11 Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend. Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause als wohnen in den Zelten der Frevler.
I 12 Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild; der HERR gibt Gnade und Ehre. Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.
II 13 HERR Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verlässt!
I&II AMEN
| Lesung Predigttext | Johannes 6,47-51 | Das Brot des Lebens | Die Zürcher Bibel, 2007** |
Jesus sagte zu ihnen:
47 Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat ewiges Leben.
48 Ich bin das Brot des Lebens
49 Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben.
50 Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt: Wer immer davon isst, stirbt nicht.
51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben; und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, für das Leben der Welt.
Selig ist jeder Mensch, der Gottes Wort hört, in seinem Herzen bewahrt und danach lebt. Amen
| Predigt | Himmlischer Hunger |
Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern durch die Liebe und Gnade Gottes
1. «Amen, Amen»
«Amen, Amen», so beginnt unser heutiger Bibeltext für die Predigt. Wir sind uns gewohnt, am Ende eines Gebets «Amen» zu sagen. Im kurzen Wörtchen Amen steckt eine ganze Pallette von Deutungsmöglichkeiten: «So ist es!», «So soll es sein!», «So geschehe es!». Wer Amen sagt, der bestätigt und bekräftigt das vorgängig Ausgesprochene: «Ja, das Gesagte gilt, ich stelle mich dahinter und wünsche mir , dass es so geschieht, bzw. das Gott dies so geschehen lässt, wie dafür gebetet wurde.»
Amen meint ursprünglich «verwurzelt sein, sich fest machen, verankert sein». Wenn ich in einem Gebet Amen sage, spreche ich Gott mein tiefes Vertrauen aus: «Ich will in dir verwurzelt sein, du bist mein Halt, mein sicheres Fundament.» Die hebräische Wortwurzel von Amen bedeutet auch Treue (vgl. Jesaja 65,16), Verlässlichkeit, Zuversicht und Glaube (vgl. 1. Mose 15,6).
Ich kann euch nur ermutigen, selbst nachzuforschen, was in diesem unscheinbaren und oft beiläufig gesagten Wörtchen alles steckt! Und überlegt euch immer neu, was ihr sagt und tut, wenn ihr am Ende eines Gebetes Amen sagt.
Vor gut 35 Jahren haben meine Frau Barbara und ich eine sehr spannende Predigt zu diesem einen Wort Amen gehört: Wir haben uns nach dieser Predigt entschieden, in unsere Eheringe das Wort AMEN gravieren zu lassen! «So sei es!»
Im Neuen Testament kommt «Amen» insgesamt 152 mal vor, im Alten Testament 30 mal.
In den Geschichts- und Prophetenbüchern des Alten Testaments ist es oft das Volk, das nach der Ansprache eines Propheten oder Priesters dazu aufgerufen wird, das Gesagte mit dem gemeinsamen Amen zu bestätigen. Ganz ähnlich, wie wir dies meistens in unseren Gebeten tun, wird in den Psalmen nach ausführlichem Lob und Anbetung für Gott Amen als Abschluss verwendet.
Im Neuen Testament steht das Amen allerdings weit häufiger am Anfang einer wichtigen Rede von Jesus, als wollte er sagen: «Was ich jetzt sage, ist zutiefst in Gott verwurzelt, ist eine Kernbotschaft, die ihr euch merken müsst. Hört doppelt gut zu und beherzigt, was ich euch nun sage!»
Und wenn Jesus sogar «Amen, Amen» sagt, muss danach wohl etwas ausserordentlich Wichtiges präsentiert werden:
2. «Wer glaubt, hat ewiges Leben.» In fünf kurzen Worten wir das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus zusammengefasst und verdichtet. Die Perspektive und Hoffnung seiner Reden und seines Lebens ist die Ewigkeit, und der Zugang dazu ist unser Glaube. So einfach kann christlicher Glaube sein, so schlicht darf unser Glaube beginnen, wachsen und reifen: «Ich glaube und freue mich auf das ewige Leben!» Wir leben in einer Zeit der Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung, wir packen möglichst viel Konsum, Reisen und Erlebnisse in unser irdisches Leben. Die sozialen Medien heizen diesen Drang nach immer mehr zusätzlich an: Man sieht, was andere erleben, geniessen und konsumieren und möchten dies auch haben. «FOMO», Fear of missing out, die Angst, etwas zu verpassen, wird dieser unselige Kreislauf genannt und als «erste social-media-Krankheit» bezeichnet. Als Christinnen und Christen haben wir eine ganze Ewigkeit vor uns, weshalb sollten wir uns dann einen solchen Stress machen, möglichst viel in unser irdisches Leben zu packen? Der Glaube an eine ewige Heimat bei Gott kann uns viel vom Druck dieses irdischen Lebens abnehmen. «Sub specie aeternitatis», lateinisch für «unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit» relativieren sich unsere Alltagsfragen und -sorgen und werden in einen grossen, umfassenden Zusammenhang gestellt. Wenn wir morgens, abends oder auch zwischendurch beten, schenkt uns dies jedes Mal die Möglichkeit, unser Leben durch die gütigen und ewigen Augen Gottes zu betrachten. Mir hilft dies, Drängendes von wirklich Wichtigem zu unterscheiden und Vergängliches nicht zu ernst zu nehmen, wenn Gott mir die Türe zur Ewigkeit offenhält.
«Wer glaubt, hat ewiges Leben.» kann auch als Überschrift und Zuspitzung der folgenden Sätze von Jesus verstanden werden.:
3.«Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt: Wer immer davon isst, stirbt nicht.» Die meisten von uns würden wohl sagen, dass unser Glaube eine Sache des Herzens und unseres Geistes ist. Bei Jesus wird’s nun aber sehr körperlich: Von Brot ist da die Rede, vom Brot des Lebens, das wir essen sollen. Und wenn wir es essen, sterben wir nicht. Und die provokativste Aussage ganz zu Beginn, Jesus sagt von sich: «Ich bin das Brot des Lebens.»
Unser erster Gedanke führt uns wohl zum Abendmahl, wo Jesus sehr Ähnliches sagt: «Und während sie assen, nahm er Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es ihnen und sprach: Nehmt, das ist mein Leib.» Markus 14,22 (vgl. Matthäus 26,26, Lukas 22,19) Johannes erzählt uns in seinem Evangelium nicht vom Abendmahl, wie wir gewohnt sind, es zu feiern. Wo Matthäus, Markus und Lukas sehr ähnlich vom letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern berichten, teilt Johannes eine andere Erinnerung mit seinen Leser/-innen: Jesus wäscht seinen Jüngern die Füsse und «so erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.» (Johannes 13,1) Auch bei Johannes verbindet Jesus diesen wohltuenden Liebesdienst mit dem Hinweis, dass er bald nicht mehr unter ihnen weilen wird. Deutlicher als die anderen drei Evangelisten ermahnt Jesus bei Johannes seine Jünger, die Liebe ganz praktisch mit den Mitmenschen zu teilen, zum Beispiel, indem man einander die Füsse wäscht.
Ich stelle mir vor, dass Abendmahlsfeiern mit gegenseitigem Füsse waschen auch sehr feierlich und besinnlich sein können, darüber hinaus im wahrsten Sinne des Wortes sinnlich, berührend und bewegend. Wie wäre es, wenn wir dies bei einer der nächsten Abendmahlsfeiern einmal versuchen?
Auch wenn Johannes kein klassisches Abendmahl beschreibt, vermittelt er uns an verschiedenen Orten die grundlegenden Aussagen des Abendmahls: «Ich bin das Brot des Lebens. […] Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt: Wer immer davon isst, stirbt nicht.»
Wenn wir die feierliche Form des Abendmahls einmal ausklammern: Wie sieht das ganz praktisch aus, wenn wir Jesus als Brot des Lebens «essen» wollen? Könnte das heissen, dass wir seine Worte und Taten in uns «hineinfressen», damit sie unsere Gedanken und Taten nähren und beflügeln? Bedeutet dies, dass wir seinem Beispiel folgen und Brot verteilen und Füsse waschen sollen? Wenn wir Jesus als Brot des Lebens «essen», meint dies wohl auch, dass wir seinen Tod ernst nehmen, in dem sein Leib «gebrochen» wurde, wie man einen Laib Brot bricht, um ihn dann zu verteilen und zu essen.
Auch nach seiner Auferstehung hat Jesus mit seinen Jüngern Lebensbrot geteilt: Zunächst mit den beiden Jüngern, mit denen er nach Emmaus wanderte. Unterwegs erkannten sie ihn nicht, aber als er mit ihnen das Brot teilte, fiel es ihnen wie Schuppen aus den Augen und sie sahen den auferstandenen Jesus Christus. (Lukas 24,13-35) Und auch bei den Jüngern am See Tiberias heisst es: «Jesus kommt und nimmt das Brot und gibt es ihnen.» (Johannes 21,13a) «Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt», bedeutet dann sinngemäss: Jesus war im Totenreich, ist auferstanden und schenkt uns mit seiner Auferstehung «himmlisches Brot», Ewigkeitsperspektive, Nahrung, die den Tod überwindet.
Ich wünsche uns allen diesen «Himmlischen Hunger» nach ewiger Nahrung, nach dem wahren Brot des Lebens! Ich wünsche uns den himmlischen Hunger nach Liebe, die anderen die Füsse wäscht und Brot verteilt, ich wünsche uns den Hunger nach Gerechtigkeit und Frieden, der uns mutig macht, uns für die Schwächeren einzusetzen. – Aber ich wünsche uns weniger Hunger nach fast Food für Körper, Seele und Geist, weniger Hunger nach oberflächlicher Ablenkung, übermässigem Konsum und Nahrung, die nicht wirklich nährt. Die Passions- und Fastenzeit, in der wir uns gerade bewegen, kann uns hier viele wertvolle Um-Denk-Anstösse geben!
4. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben; und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, für das Leben der Welt. (Vers 51)
Der erste Teil des Satzes klingt wie eine Zusammenfassung des bisher Gesagten. Der Schluss weitet den Blick über unser persönliches Seelenheil und das Leben der christlichen Gemeinde hinaus in die Welt: «Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. […] für das Leben der Welt.» Jesus hat nicht allein den Glauben des Einzelnen im Blick und auf dem Herzen, er schenkt sein Lebensbrot gerne der ganzen Welt.
Und dafür sind wir gefragt als «Brotverteiler/-innen»: «Gebt ihr ihnen zu Essen!», sagt Jesus zu den Jüngern, als mehrere Tausend Menschen Jesus zuhörten und hungrig wurden. (Matthäus 14,16; Markus 6,37; Lukas 9,13)
Ich bin ausgesprochen dankbar, dass wir in unseren Kirchen engagierte und beherzte Menschen haben, welche bei Tischlein deck dich und Brot lindert Not Lebensmittel an Menschen weitergeben, die wenige finanzielle Mittel haben. Wo am Sonntag «geistliches Brot» für Herz und Seele gepredigt und gefeiert wird, erhalten Menschen am Montag, bzw. Donnerstag Brot und andere Lebensmittel für den körperlichen Hunger. Und ich freue mich auch sehr, dass viele von euch auch «geistliches» Brot verteilen, im Besuchsdienst, in der Familie und Nachbarschaft, in Hauskreisen und Teams und wo immer euch Gott hingerufen hat!
Dennoch wünsche ich uns allen einen wachsenden «himmlischen Hunger» nach dem lebendigen Brot, das Jesus uns gibt und mit dem er uns ewiges Leben schenkt.
Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat ewiges Leben.
Liedvorschläge
ERG 47 Wie lieblich ist das Haus des Herrn (zu Psalm 84)
ERG 318 Seht, das Brot, das wir hier teilen
ERG RG 323,1-3 Komm, sag es allen weiter
RW 52 Anker in der Zeit
RW 116 May Your life
M Kurt Grahl | T C.P. März Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht
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*) Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
**) Die Zürcher Bibel, Ausgabe 2007, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich
ERG = Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich 1998
RW = Rückenwind, Lieder für den Gottesdienst, Hrsg. Evang Landeskirche des Kantons Thurgau, Theologischer Verlag, Zürich 2017
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Pfr. Paul Wellauer, Bischofszell, Schweiz
E-Mail: paul.wellauer@internetkirche.ch
Web: www.internetkirche.ch | www.internetkirche.ch/livestream | www.evang-tg.ch
Paul Wellauer, geb. 1967, Pfarrer und Mitglied im Kirchenrat der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, Schweiz. Seit 2009 in Bischofszell-Hauptwil, 1996-2009 in Zürich-Altstetten, davor 1993-1996 Seelsorger und Projektleiter in der Stiftung Sozialwerke Pfr. Ernst Sieber, Zürich