Josua 3:5-11.17

· by predigten · in 06) Josua / Joshua, Aktuelle (de), Altes Testament, Bibel, Deutsch, Kapitel 03/ Chapter 03

Erster Sonntag nach Epiphanias, 13.01.2019

Ihr seid ja noch nie auf diesem Weg hinübergezogen!
Predigt zu Josua 3:5-11.17, verfasst von Manfred Mielke

Liebe Gemeinde,

wie haben Sie den Jahreswechsel erlebt? Im Trubel – oder eher still und besinnlich? Haben Sie mit einem bewussten oder einem zögerlichen Schritt das alte Jahr verlassen und das neue begonnen? Die Bibel kennt das Bild der Durchquerung eines Flusses; ohne Brücke, ohne Fähre, also zu Fuß. Das Bild passt nicht nur zu einem Jahreswechsel, sondern auch zum Beginn und zum Ende des Lebens. Die alten Griechen gaben ihren Verstorbenen eine Münze mit, damit der Fährmann sie ins Totenreich hinüberrudert. Und in der Ökumene werden Babys getauft, indem sie ins Taufbecken eingetaucht und „aus der Taufe gehoben“ werden. Ähnlich plastisch sehen wir das bei Jesus. Er begab sich in den Jordan hinein zum Taufbad durch Johannes. Danach ging er als ein Anderer wieder heraus – als Bote Gottes. Das prägt jeden von uns.

Lange Zeit vor Jesus zog das Volk Israel durch die Wüste. Nach Moses Tod kam die Frage auf: Wer soll uns nun führen, durch Gefahren hindurch? Aus dem Josuabuch hören wir, wie Gott half. Das wird auch uns Mut machen, quer durch Hindernisse etwas Neues anzugehen. Wir hören: Josua sprach zum Volk: Reinigt euch, denn morgen wird Gott Wunder unter euch tun. Und zu den Priestern sprach er: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Dies taten sie. Dann sprach Gott zu Josua: Ab heute werde ich dich groß machen, damit alle wissen: So wie mit Mose, werde ich auch mit dir sein. Und nun gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. So sprach Josua zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte eures Gottes! Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter. Denn siehe, die Lade des Bundes des Herrschers über alle Welt wird vor euch hergehen in den Jordan… Und die Priester, die die Bundeslade trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war. (Josua 3,5-11+17)

Liebe Gemeinde,

was spüren unsere Füße? Jahrzehntelang immer nur Wüstensand, doch jetzt unvermutet durch fremdes Wasser? Der Jordan ist zwar schmal, kann aber auch kaltes, reißendes Wasser führen. Zuerst mag das ja eine Wohltat sein, aber was, wenn wir in der Mitte versinken? Jetzt müssten wir unsere Habseligkeiten verschnüren und sie auf dem Kopf balancieren. Aber Josua fordert die Priester auf, die Bundeslade zu schultern. Die Bundeslade, groß und schwer wie eine Aussteuertruhe!

Was spüren wir dabei? Unter uns eine rutschige Böschung, über uns eine Glaubenskiste. Das ist eine schwierige Situation. Gerade dann, wenn wir Probleme durcharbeiten wollen, beschweren uns manche Gottesbilder. Aber es kommt noch schlimmer. Zum sandigen Untergrund und zum Gewicht des Glaubens kommen noch eine schlechte Aussicht und ein rigoroser Befehl hinzu! Die schlechte Aussicht sind die Ureinwohner am anderen Ufer; schon ihre Namen machen Angst. Nirgendwo sind Bäche aus Milch und Honig zu sehen, vielmehr lauert dahinten ein Riegel aus 7 Wehrdörfern! Und dazu noch der rigorose Befehl: „Bleibt mitten im Fluss stehen!“ Da spürt jeder von uns: „Das ist Zuviel verlangt. So dumm positionieren sich doch nur Opfer!“ Und jeder von uns erinnert sich ans eigene Stöhnen: „Wenn Du Gott brauchst (und Du‘s am mindsten gläubst), bürden sie Dir Ratschläge auf und stellen Dir den Horizont zu!“ Da wäre es naheliegend, zu sagen: „Nein Josua, bitte nicht!“ Aber es ist weiterführend, die Dinge einzubeziehen, die Gott bereits vorangestellt hatte. Sie halfen damals, sie helfen auch uns. Es ist einmal die Bundeslade selbst, dann die Vorbereitung und drittens die Marschordnung.

Zum einen die Bundeslade. Sie wird auch die „Treue Gottes“ genannt, denn in dieser Truhe liegen die Erinnerungsstücke der Rettung aus Sklaverei und Flucht. Unter anderem die beiden Gebotetafeln und eine Portion unverderbliches Manna. Also kein Ballast und kein Diebesgut, sondern ein symbolischer Vorrat der unermüdlichen Gemeinschaftstreue Gottes. Diese andere Sicht der Bundeslade hilft uns. Es ist ja doch die Treue Gottes, die uns vorangeht. Sie tragen wir zielführend über unseren Köpfen. Gott drückt uns also nicht in den Schlamm, sondern er bewegt uns wie in einer Schublade. Oder, treffender: wie in einer Ziehlade, denn seine Treue zieht uns nach vorne. Sie ertüchtigt uns zum gemeinsamen Mut.

Die zweite Hilfe liegt in der Vorbereitung. Drei Tage lang durften sie noch ihre Vorräte aufbrauchen. Dann erteilt Josua ihnen den Auftrag zur Heiligung. Ich stelle mir vor, dass sie dazu Wasser aus dem Jordan benutzten. Darin läge für mich eine starke Vorwegnahme. Bevor die Fluten sie ersäufen, haben sie ein wenig zur Reinigung und Heiligung abgeschöpft. Martin Luther hat die Teufelsfratzen vertrieben durch den Ruf: „Ich bin getauft!“ Mit ihm lernen wir, uns vor der großen Flut mit ein paar Tropfen Taufwasser zu präparieren. Darin sehe ich die Hilfe in der Heiligung vor dem Aufbruch. Eine ungewohnt gewordene Übung für uns, aber eine hilfreiche. (In vielen Kirchen befindet sich am Eingang ein kleines Wasserbecken. Vielleicht benutze ich mal ein paar Tropfen daraus, wenn ich die Kirche verlasse in Richtung anstehender Probleme.)

Den dritten Schritt der Ermutigung sehe ich in der Marschordnung. Josua befiehlt: „Wenn ihr seht, dass die Priester die Bundeslade eures Gottes schultern, dann folgt Ihm (!) im Abstand von ungefähr 2000 Ellen. Kommt nicht näher an Ihn heran, damit ihr den Weg erkennt, den ihr mit Ihm gehen sollt; denn ihr seid ja noch nie auf diesem Weg hinübergezogen!“ (V3f nach BigS) Demnach blieb das Volk erst einmal stehen und würde nun aus großem Abstand zuschauen dürfen, „wie alles den Bach runtergeht“. Zuerst würden die Priester ertrinken, dann würde die Bundeslade untergehen, zum Schluss würden die beiden Schutzengel obendrauf verschwinden.

In diesem Augenblick stelle ich mir vor, wieviel Mut ich bräuchte als einer der Priester, diese Schritte zu tun, dieses Tragen zu wagen und diesen Untergang zu riskieren. Nicht nur ich, sondern auch jeder von uns. Wo Du diesen Deinen unsichtbaren Gott hochhältst, begibst Du dich in dieses Wagnis. Also lasst uns zusammenstehen und -gehen im Priestertum aller Glaubenden. Denn wir sind ja auf das Wunder vorbereitet, das dann passiert. Die Bundeslade beinhaltet nun für uns die Treue und den Mut Gottes, damit wir ein altes Ufer verlassen und ein neues ertasten. Wir haben uns zudem mit wenigen Wassertropfen der Zusage Gottes vergewissert: „Geht ohne Angst ins Ungewisse. Ich bin bei euch, bis dass ich die Welt durch ihre Talsohle führe!“ Und wir sind gewiss, dass Gott keine Sintflut mehr schicken wird, sondern Einzelne befähigt wie Noah, die Josua-Priester oder jeden von uns, um als Erste der Neuen Schöpfung voranzugehen.

Deswegen berichtet die Bibel so präzise: „Als die Priester ihre Fußsohlen vorn ins Wasser tauchten, da stand das Wasser des Jordans aufgerichtet wie ein einziger Wall!“ (V15f). Sie wagten die paar Schritte in die Querströmung, und siehe da, der Fluss stoppte und der Untergrund trug sie als Priester plus die Bundeslade. Und sie standen still und spürten die Stille, die sich „tief“ (!) unter ihnen ausbreitete. Nun ging das Volk auf die „Treue Gottes“ zu und ging wieder von ihr weg. Schnell nahmen sie noch 12 Steine mit aus dem Flussbett, um gemeinsam ein Mahnmal aufzurichten. Und dann feierten sie das Passah – wie im Himmel, so auf Erden.

Liebe Gemeinde,

es geht Ihnen vermutlich wie mir: Die ganze Zeit denke ich, die Geschichte habe ich doch schon einmal gehört, aber irgendwie anders. Nicht mit Josua, eher mit Mose, und nicht am Jordan, sondern am Roten Meer. Ja, das stimmt, das geschah 40 Jahre zuvor. Damals lag vor ihnen die Wüste, jetzt das Gelobte Land. Damals trugen sie nur ihr Flüchtlingsgepäck, diesmal die Bundeslade als Zeichen für Gottes Durchhaltekraft. Damals ertrank die Streitmacht Pharaos, diesmal ertrinkt niemand, die Priester nicht, die Bundeslade nicht, die Cheruben obendrauf auch nicht.

Heute sehen wir also als Bild für den Jahreswechsel eine Flussdurchquerung mit interessanten Details. Mit der Treue Gottes, die uns vorauseilt, uns aber auch den Vortritt lässt. Mit der Erfahrung, dass jeder von uns ein mutiges Vorbild ist und ein mutiger Nachfolger. Mit einem Gott, der Deine Füße auf weiten Raum stellt. Der Dir ein Zusammenleben zumutet mit denen, die schon vor Dir da Heimat hatten. So mag jeder seine eigene Variante durchspielen – die mit Mose, die mit Josua, oder die mit der Taufe im Jordan. Mittendrin werden wir innehalten und werden weiterschreiten auf einem Wegabschnitt, den wir „so noch nicht gegangen sind“. Aber wir sind bestens vorbereitet. Amen

Liedvorschläge aus dem Gesangbuch:

EG 361 Befiehl Du deine Wege – mit V.10: „da dus am mindsten gläubst“

EG 245 Preis, Lob und Dank – mit V.3: „des Todes Flut wird sie verschonen“

EG 279 Jauchzt, alle Lande – mit V.3: „ins Trockne wandelt er die Meere“

EG 117 Der schöne Ostertag – mit V.3: „Der Fluß reißt mich nicht fort“

EG 677 Die Erde ist des Herrn – mit V.2: „wer was Neues schafft, der läßt uns hoffen“

Liedvorschläge aus „Lieder zwischen Himmel und Erde“: (tvd Düsseldorf 2010)

129 Wade in the water (trad.)

280 Ich will gegen das Geläut der Leute (W. Willms) – mit V.4: „die große Flut der Tränen“

203 Ich steh vor Dir mit leeren Händen (L. Zenetti) – mit V.3: „schließ auf das Land“

229 Hoffen wider alle Hoffnung (H.M. Lonquich)

237 Lied der Heimkehr (Th. Laubach) mit V.3: „Schritte finden, Schritte gehen“

Vorschlag für ein Gebet:

Verse 2+4-6 von EG 168, 4-6: Du hast uns, Herr, gerufen

Text und Melodie: Kurt Rommel 1967

  1. Du legst uns deine Worte und deine Taten vor.

Herr, öffne unsre Herzen und unser Ohr.

  1. Wenn wir jetzt weitergehen, dann sind wir nicht allein.

Der Herr hat uns versprochen, bei uns zu sein.

  1. Wir nehmen seine Worte und Taten mit nach Haus

und richten unser Leben nach seinem aus.

  1. Er hat mit seinem Leben gezeigt, was Liebe ist.

Bleib bei uns heut und morgen, Herr Jesu Christ.

Amen

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Manfred Mielke, geb 1953, Pfarrer in der EKiR. Verheiratet, 2 erwachsene Söhne; sozialisiert in Freikirchen und im Ruhrgebiet; ökumenisch engagiert in Ungarn, Ruanda und Türkei; musikalisch aktiv im Church-Pop; pädagogisch unterwegs für Inszenierungen mit Konfirmanden

Pfarrer Manfred Mielke
Reichshof, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
E-Mail: Manfred.Mielke@ekir.de