
Lukas 10,38-43
Predigt zu Estomihi | 02.03.25 | Lk 10,38-43 | Es gut sein lassen | verfasst von Pfarrerin Suse Günther Mimbach-Webenheim-Böckweiler |
Predigt für den Sonntag Estomihi; Lk 10,38-42
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN
Als sie aber weiterzogen, kamen sie in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Sie hatte eine Schwester, die hieß Maria. Die setzte sich Jesus zu Füßen und hörte ihm zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat zu Jesus und sprach: „Herr, fragst Du nicht danach, dass mich meine Schwester allein dienen lässt? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll.“
Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: „Marta, Marta, Du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist nötig: Maria hat das gute Teil erwählt. Das soll nicht von ihr genommen werden.“
Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN
Liebe Gemeinde!
Schon wieder. Sie hat es schon wieder getan. Wer? Unsere Bibel. Was hat sie getan? Sie hat schon wieder uns ein Beispiel vor Augen geführt, das wirklich jeder und jede von uns aus dem eigenen Erleben kennen.
Denn wer wüsste das nicht: Die Rivalitäten zwischen Geschwistern zermürben. Zugegeben: in der heutigen Zeit gibt es viele, die keine Geschwister haben, sondern Einzelkinder sind. Die aber messen sich dann an Freunden und Freundinnen, Cousins und Cousinen.
Man kann sich noch so sehr anstrengen und sich selbst sagen: „da stehe ich drüber“- man bleibt trotzdem nicht unberührt von dem fragwürdigen Gefühl, das sich einstellt, wenn man den Eindruck hat, andere würden günstiger beurteilt als man selbst. Umso mehr, wenn es um den Eindruck geht, den man bei Jesus macht.
Wieder also eine Erzählung so mitten aus dem Leben heraus. Eigentlich. Dann doch wieder nicht. Denn in der Zeit Jesu war es absolut unüblich, dass solche Geschichten mitten aus dem Leben heraus von Frauen handelten. Frauen, die auch noch namentlich benannt waren.
Ich will Ihnen an dieser Stelle von einer anderen Frau erzählen. Auch die ist namentlich benannt. Elisabeth. Elisabeth Müller. 1932 in Pirmasens als einzige Tochter eines Metzgermeisters geboren. Tochter eines Metzgers zu sein, war in den 30er und 40 Jahren so etwas wie ein Sechser im Lotto. Trotzdem wurde Elisabeth nicht auf eine Haushaltungsschule geschickt, was sie optimal vorbereitet hätte auf die Ehe mit einem gestandenen Metzgersgesellen. Nein, sie durfte das humanistische Gymnasium besuchen, Latein und Griechisch lernen. Nach dem Abitur studierte sie Theologie, unter anderem in Basel bei Karl Barth. Ende der 50er Jahre wurde sie ordiniert als erste Pfarrerin der Pfälzischen Landeskirche in einer Gemeinde.
Später hat sie eine andere Laufbahn eingeschlagen, hat geheiratet, drei Kinder großgezogen und ihren Mann unterstützt. Damit war dann in dieser Zeit ihre Tätigkeit als Gemeindepfarrerin beendet. Bis zu ihrer Rente war sie allerdings Religionslehrerin am Gymnasium des Ortes, in dem sie inzwischen lebte.
Sie hatte wohl von beiden etwas, von Maria und von Marta. Das Interesse an Jesu Worten hat sie im Studium vertieft. Die mütterliche Rolle hat sie in ihrer Familie übernommen. Beides frei gewählt, so mein Eindruck. Ich habe sie im hohen Alter kennengelernt als kluge und zufriedene Frau. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie sich an anderen messen musste, die ,wie etwa ich, nach ihr geboren waren und also ohne Einschränkung den von ihr ursprünglich einmal gewählten Weg als Gemeindepfarrerin ausüben konnten, dabei noch heiraten und Kinder großziehen konnten.
Jesus sagt zu Marta auf deren Anfrage, warum Jesus Maria nicht dazu anhält, in der Küche zu helfen: „Maria hat das gute Teil erwählt“. Er sagt nicht: „sie hat das bessere Teil erwählt“. Maria macht es nicht besser als Marta, sie macht es gut. Sie macht es deshalb gut, weil sie mit dem, was sie tut, zufrieden ist. Es ist das, was für sie im Moment gut ist. Was an der Reihe ist. Jesus ist da. Ihm will sie zuhören.
Martas Leistung in der Küche ist genauso gut. Wäre genauso gut, wenn Marta damit zufrieden wäre. Wenn es für sie gut wäre. Aber genau das ist es offenbar nicht. Es sind nicht die anderen, die uns letztlich beurteilen. Letztlich sind wir es selbst. Sind wir uns gut? Wenn Marta entscheidet, diesen wichtigen Gast, Jesus, nicht unversorgt zu lassen, dann ist das für sie in Ordnung. Erst in dem Moment, wo sie sich an Maria misst, gerät alles in Schieflage. Auch Marta hätte sich zu Jesus setzen können, der sicherlich auch mit einem einfachen Abendessen, Fladenbrot und Oliven, zufrieden gewesen wäre.
Auch das ist eine Situation, die wir aus unserem eigenen Erleben vielfach kennen: Es wäre alles gut. Wenn wir es gut sein ließen. Wenn wir zufrieden wären. Mit uns und der Welt im Reinen. Dadurch dann auch mit Jesus im Reinen. Er ist mit uns sowieso im Reinen.
Genau das wusste Elisabeth, von der ich Ihnen am Anfang erzählt habe.
Ich habe ihr Bild auf dem Schreibtisch stehen. Es tröstet mich, wenn ich immer wieder an Beerdigunspredigten für Familien schreibe, die sich nicht einmal angesichts des Todes gemeinsam an einen Tisch setzen können. Zu tief ist das Gefühl, benachteiligt worden zu sein, nicht genug gewertschätzt worden zu sein. Ein Gefühl, das nicht immer, dann aber auch wieder doch seine Berechtigung hat.
Es gibt nur eine Möglichkeit, sich von dieser Beurteilung, die wir selbst und andere uns angedeihen lassen, zu befreien: Sich daran zu erinnern, dass wir von allem Anfang an gewollt sind von unsrem Schöpfer. Gut sind für unseren Schöpfer.
Mag sein, dass Elisabeth es da leichter hatte. Sie hat von Anfang an erlebt, dass sie wertvoll ist. Dass ihre Eltern sie so sehr lieben, dass sie sie in ihrem ungewöhnlichen Weg unterstützt haben. Umso mehr lohnt es sich für die, denen es nicht so leicht gemacht wurde, sich um diese Zufriedenheit zu bemühen.
Wie so oft bei Jesus heißt „Mühe“ dann aber nicht erbitterter Kampf. Es heißt das genaue Gegenteil: Den Boxring verlassen: Zur Ruhe kommen, sich beschenken lassen, sich Jesus zu Füßen setzen zuhören.
„Marta, Du machst Dir viel vergebliche Mühe“ -vielleicht ist damit gar nicht einmal die Arbeit in der Küche gemeint. Sondern vor allem der innere Aufruhr. Die Anstrengung, sich selbst beweisen zu müssen und die Anerkennung der andern zu erkämpfen. Vergeblich.
Es liegt in unserer Hand, das gute Teil für uns zu wählen.
Sicher gibt es bei uns allen Vorbilder, die uns das vorgelebt haben. Sie kennen die Namen. Einen Namen kennen wir jedenfalls alle: Jesus
AMEN