
Lukas 1,26-39
Judika | Lukas 1,26-39 (Dänische Perikopenordnung[1]) | 06.04.25 | Von Laura Lundager Jensen |
”Eine Zeit – Ein Ort – Ein Mensch“
Diese Worte sind der Titel für eine Gedenkstätte, die auf dem Kastell von Kopenhagen zum Gedenken an den internationalen Einsatz Dänemarks seit 1948.
Das Monument besteht aus drei Räumen mit granitbekleideten Mauern mit Lichtsäulen. Im ersten Raum steht ein Licht in Form einer brennenden Fackel – die Flamme der Zeit, die eine Mauer erleuchtet mit den Namen der Konflikt- und Katastrophengebiete – die Namen der Orte. Und in dem innersten Raum des Werkes befindet sich ein Wasserbassin, umgeben von Mauern mit Inschriften mit Namen von Gefallelen – Menschen.
Die Menschen, die an einer Stelle waren zu einem Zeitpunkt – und ihr Leben verloren.
Das Werk hat eine gewaltige Wirkung, weil es ja von Menschen handelt, die nicht mehr sind. Zugleich aber imponierend, weil es festhält, dass wir Meschen immer gegenwärtig sind – eben dort, wo wir sind – an dem Ort und zu der Zeit, in der wir gerade leben.
Am Kastell haben diese Worte einen ganz besonderen Sinn, weil sie sich auf die Tatsache beziehen, dass Gegenwart seinen Preis hat – und zuweilen den höchsten Preis.
Aber diese Worte reichen in ihrer Bedeutung weiter.
Sie halten fest, dass es so mit uns gedacht ist, das ist unser Los – unsere Verpflichtung für die Welt – für einander – an unserem jeweiligen Ort. Wir können nicht „generell“ in der Welt leben, wir können nicht so ganz allgemein leben. Wir sind nicht nur Teil einer Herde. Wir leben immer als ein Mensch – der eben wir sind, in dem Zusammenhang, in den eben wir gestellt sind.
Und das kann der falsche Ort sein oder der ganz richtige Ort – je nach den Umständen.
Ganz gleich wie sehr wir versuchen zu generalisieren, ganz gleich wie gerne wir uns darüber äußern, wie „die Leute nun einmal meistens sind“, so sind sie nie so wie sie nun einmal sind. Gerade deshalb reden wir von Menschrechten, weil niemand einen Menschen kränken darf, alle haben ihr eigenes Recht. Aber wir sprechen auch von Menschenpflichten, wir sind in die Welt gesetzt, um Verantwortung zu übernehmen.
Diese Aufgabe haben wir seit der Schöpfung, und sie wurde uns in der Taufe eben auf die Schultern und in unsere Herzen gelegt. Gott will uns und will etwas mit uns, nicht allgemein, sondern eben mit uns – persönlich gegenwärtig in der Zeit.
Heute feiern wir die Verkündigung Mariä – die verständlichste und in gewisser Weise bedeutendste Feier des Kirchenjahres.
– an diesem Tage neun Monate vor Weihnachten, wo der Engel zu Maria kommt und ihr verkündet, dass sie den Sohn Gottes zur Welt bringen wird. Und auch wenn sie die Frage stellt, die jeder Logiker stellen würde: „Wie kann das zugehen? Ich war nie zusammen mit einem Mann“ – muss sie sich mit der Antwort abfinden, dass „nichts unmöglich ist für Gott“.
Heute wird es Maria verkündet, dass sie ein Kind erwartet – und das ist nicht zu verstehen, aber die Wahrheit ist, dass das Wunder geschah.
Das Mirakel, dass Gott Mensch wurde – an einem Ort – zu einer Zeit.
Gott wollte nicht mehr nur der allmächtige Gott sein, der in seiner Allgegenwart Gott für alle und alles war, aber zugleich unpersönlich und fern blieb, und eben das ist das ganz Notwendige und Wichtige. Durch diese Verkündigung griff Gott ein in die Welt. Ging über vom Generellen zur Erwählung. Ging über vom guten Sein im brennenden Dornenbusch und ließ sich einwurzeln als Mensch in der Welt der Menschen – durch ein befruchtetes Ei im Leib der Maria.
So ist der Verkündigung der Maria der Beginn des Ganzen – der Anfang von all dem, was das Christentum ausmacht – die Verkündigung Mariä bestätigt, dass es tatsächlich geschah – an einem Ort, in der Zeit geschah.
Der Heilige Geist pflanzte Gott in die Mutter der Welt, und der Keim wuchs und wurde zum Licht, das am Morgen der Weihnacht die Finsternis durchbrach und am Ostermorgen mit dem Tod brach und den Menschen die Hoffnung gab zu glauben, dass eben wir einen Platz haben in dieser Erzählung.
Einen Platz dort, wo wir hingestellt sind – und wo unsere Wurzeln greifen dürfen und gestärkt werden, so dass wir wachsen können als Stämme und uns entfalten können in Taten, die die Welt tragen.
Die Erzählung von der Verkündigung Mariä ist notwendig, weil sie uns eben daran festhält, dass es etwas bedeutet, dass etwas einen Ausgangspunkt hat.
Die Geschichte erzählt uns: So wie Gott gegründet ist, sind wir gegründet. Und eben dies gibt einem Bedeutung.
Und ja, wir wissen es – denn deshalb nehmen wir ja unsere Ehepartner mit nach Hause an den Ort, wo wir aufgewachsen sind. Und wir ritzen unsere Namen in die Borke von Bäumen und kehren Jahrzehnte später zurück. Und wir errichten Denkmäler für denkwürdige Ereignisse, um den Augenblick festzuhalten.
Um einen Ort zu haben, an den de rote Faden anknüpft. Nicht so sehr um den Ort selbst zu heiligen – sondern um uns selbst am Konkreten festzuhalten.
Wir feiern Mariä Verkündigung – um zu feiern, dass Gott wirklich in die Welt kam, dass es wirklich geschah, dass der Gang Gottes wirklich auf unserer Landkarte geschah.
Jesus wurde Mensch im physischen Sinne – an einem Ort in einer Gemeinschaft – einer Familie – und in einer Zeit – um uns die Gabe zukommen zu lassen, dass wir nie allgemein und ganz generell leben, sondern jeder von uns sind und atmen und bedeuten wir etwas zur Freude und zum Nutzen Gottes. Und das ist menschlich wichtig.
Deshalb ist es auch schön, dass der Rahmen des heutigen Gottesdienstes ein neu geschaffenes Werk ist: „Der Klang vom Skjoldjunge-Steg“[2]. Ein Werk, dass unseren Gottesdienst zu einem Kantatengottesdienst werden lässt.
Das ist ein Werk, das sich auf unsere Gegend bezieht. Die beiden Musiker hören auf die Musik des Weges, setzen sie um in ein Werk für Cello und Saxofon, um uns Zuhörer die Möglichkeit zu geben, die Verbundenheit mit diesem Ort wiederzufinden, der eben unser Ort ist.
Das Leben kam in die Welt durch einen Menschen. Und die Liebe Gottes breitete sich dadurch aus zu Menschen auf der ganzen Welt.
Von hier her und hinaus, ganz konkret, wo es hinkam und sich einwurzelte –
und ganz konkret, wie es sich verwandelte in Liebe und Gemeinschaft zwischen Menschen, getragen von Gottes Gnade und gefüllt von seinem Geist der Vergebung. Amen.
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Pastorin Laura Lundager Jensen
Langetoften 1, Osted
DK-4320 Lejre
E-mail: luje(at)kp.dk
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[1] Dieser Sonntag wird in Dänemark als Mariä Verkündigung begangen)
[2] Ein lokaler dänischer Wandersteg, benannt nach einem mythischen dänischen Königsgeschlecht.