Lukas 16,1-9

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9.Sonntag nach Trinitatis | 17.08.25 | Lukas 16,1-9 (dänische Perikopenordnung) | Von Rasmus Nøjgaard |

Generosität

Was verstehen wir unter Generosität (bzw. Großzügigkeit)? Vielleicht so überwältigend, wie die Erzählung vom Gutsverwalter das versteht. Der Gutsverwalter verschwendet ja das Eigentum und Vermögen des reichen Gutsbesitzers. Nachdem ihn der Gutsbesitzer entlassen hat, nimmt er die Möglichkeit wahr, sich gute Freunde zu verschaffen, die seine Zukunft sichern können. Höchst überraschend wird der Gutsverwalter gelobt, der doch unehrlich oder treulos gehandelt hat bzw. wie die Tradition das griechische ’ἀδικίας’ übersetzt hat, direkt übersetzt ungerecht. Der Gutsverwalter wird direkt für seiner Weisheit gelobt, und der Herr, ὁ κύριος, fordert, dass auch die Kinder des Lichts den Reichtum dieser Welt nutzen, um sich Freunde zu sichern, die sich ihrer im Himmel annehmen. Vielleicht ist das direkt so zu verstehen, dass die Kinder des Lichts, bei denen es sich um die Jünger oder die Gemeinden handeln muss, von der Welt lernen sollen und Kirchen und Gemeinden schaffen sollen, die die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sich all derer anzunehmen, die darum bitten?

Die Auslegung dieses nicht unmittelbar begreiflichen Gleichnisses ist natürlich höchst verschieden und zeigt sich schon in Übersetzungen und Überschriften. In dänischer Tradition erhält das Gleichnis die Überschrift: „Der unehrliche Gutsverwalter“. Er ist ja ‚unehrlich‘ oder ‚untreu‘. In der deutschen Übersetzungstradition hat man Verständnis dafür, es das Gleichnis vom klugen Gutsverwalter zu nennen. Wo bürgerliche Moral in einer dänischen Tradition vorherrscht und dies seit Augustin üblich war, der so weit geht, dass er sich selbst fragt, ob dieses Gleichnis vielleicht gar nicht in die Evangelien gehöre wegen des verwerflichen Handelns des Gutsverwalters, sieht die lutherische Tradition mehr darauf, dass der Gutsverwalter klug handelt, einsichtsvoll, ’φρονίμως’. Lukas formuliert mit einem neckischen Wortspiel, dass der Herr, ὁ κύριος, den ungerechten, ’ἀδικίας’, Verwalter für seine Klugheit lobt!

Einerseits können wir daran Anstoß nehmen, dass der Gutsverwalter hinter dem Rücken seines Arbeitsgebers handelt. Dazu kommt noch, dass er seine Freunde kaufen will, indem er die Schulden erlässt, sogar für das Geld seines Arbeitsgebers. Wir erhalten den Eindruck, dass er einfach entlassen wird., weil er faul ist und ein Schuft. Eine dänische Nummer auf der Hitliste trifft sehr gut die bürgerliche Moral:  Freunde kann man nicht für Geld kaufen. Das Gleichnis zeugt jedoch von einer anders realistischen Auffassung von der Wirklichkeit. Der Verwalter betrügt so den Gutsbesitzer und sichert sich damit gute Verbündete in einer unsicheren Zukunft.

Schon der Kirchenvater Origines stellt einst im 3. Jahrhundert die Frage: Wer ist der Gutsbesitzer? Eine sehr verbreitete allgemeine Fehldeutung ist nach Origenes, dass er Gott selbst ist. Origenes hat den spitzfindigen Kommentar, dass das Gleichnis den Leser narrt, indem es sowohl den Gutsbesitzer als auch Jesus den ‚Herren‘ nennt in bestimmter Form: ὁκύριος, so wie Gott oft in den biblischen Schriften genannt wird. Lukas führt den Gutsbesitzer ein als den reichen Mann, der den Verwalter angestellt hat. Und der Verwalter ist es, der den Gutsbesitzer „meinen Herren“ nennt, ὁ κύριος μου(Vers 3). Das nächste Mal taucht der Herr auf in Vers 8, wo Origenes darauf verweist, dass dies nicht mehr dem Gutsbesitzer gilt, sondern Jesus selbst, ὁ κύριος. Es ist also Jesus, der das Gleichnis abschließt, indem er feststellt, dass die Kinder des Lichts (das müssen die Jünger sein und die, die Jesus folgen, vielleicht die Gemeinden aus der Zeit des Lukas) sich Freunde schaffen durch den elenden Mammon, so dass sich die Freunde ihrer annehmen, wenn ihr Geld alle ist. Origenes verweist darauf, dass es um alle Lebensnotwendigkeiten (Öl und Weizen) handelt. Jesus rät seinen Jüngern, so viel wie möglich zu brauchen um sicherzustellen, dass eine Gemeinde, sowohl hier auf Erden als auch im Himmel existiert, die für ihr Heil sorgt.

Statt einer Moralpredigt kann das Gleichnis eher als Erbauung verstanden werden. Die Erzählung von dem unehrlichen Gutsverwalter ist keine Aufforderung, einander in erfinderischer Weise auszunutzen. Es handelt sich auch nicht darum, Reichtum oder dreiste Manöver am Rande des Gesetzes zu verurteilen (auch wenn sowohl Reiche als auch Schlingel in der Tat im Lukasevangelium wahrlich nicht in hohem Ansehen stehen). Es ist vielmehr eher eine Erinnerung daran, dass wir die in dieser Welt vorhandenen Mittel und unsere eigne Erfindungsgabe benutzen müssen, um einander zu helfen (idealistisch zum Heil) und nicht hinter der Hartnäckigkeit und dem Ideenreichtum von Schlingeln zurückstehen. Es nützt niemandem, hier fein zu sitzen, rein und ohne Tadel, wenn das daran liegt, dass wir uns nur an Regeln halten aus Furcht vor dem Buchstaben des Gesetzes und der Sorge um das eigene Ansehen. Es geht nicht um Ansehen für den Blick der Menschen, sondern den Blick von Gott dem Herrn. Wir müssen also lieber die Ärmel hochkrempeln und uns an die Arbeit machen, auch wenn wir unseren guten Ruf aufs Spiel setzen.

Oder anders gesagt: Nicht in einer irdischen, sondern in einer himmlischen Perspektive geht es darum, sich die richtigen Freunde zu sichern und nicht in schlechte Gesellschaft zu geraten.  In der Trinitatiszeit ist das ein Thema, wo die Lage auf den Kopf gestellt wird und reich und arm, heilig und sündig, erlöst und verloren den Platz tauschen.

Das Spaßige an dem Gleichnis ist, dass man es so unterschiedlich wenden und lesen kann und dass dies in der Tat geschehen ist. Der Verwalter kann ein großzügiger Schlingel gesehen werden, den man verurteilt, er kann aber auch die Barmherzigkeit selbst repräsentieren, die den Verschuldeten befreit, ganz gleich welche Strafe ihn dafür erwartet, man hat so in ihm Jesus selbst gesehen.

Mein alter kluger Rektor am Predigerseminar hat in einem Buch Trinitatis. Ein homiletischer Reisebericht (2015) überzeugend dafür argumentiert, dass kaum ein Zweifel daran bestehen kann: Liest man das Evangelium im Kontext des Kirchenjahres, dann geht es darum, sich klarzumachen, sich mit der Welt zu versöhnen, sich dem Herrn zu öffnen und seinem Weg zu folgen. Die Texte sind: Der reiche Mann und Lazarus in Abrahams Schoß (1. S. n. Tr.), die große Festmahlzeit (2. S. n. Tr.), das wiedergefundene Schaf und die verschwundene Münze (3. S. n. Tr.), der Splitter im Auge deines Bruders und der Balke in deinem eigenen Auge (4. S. n. Tr.), der Fischzug von Simon Petrus (5. S. n. Tr.), das Gebot der Versöhnung (6. S. n. Tr.), das Gastmahl beim dem Zöllner Zachäus (7. S. n. Tr.), falsche Propheten, die bissige Wölfe sind,  und dass man an den Früchten erkannt wird (8. S. n. Tr.).

Wenn man dem Beispiel des Herrn für Generosität folgt, ist das nicht ohne Unkosten. Man verliert vielleicht Reichtum und Ansehen in dieser Welt., aber dafür verliert man nicht sich selbst, sondern gewinnt sich selbst voir Gott dem Herrn. Wenn man so entdeckt als gefunden und entlarvt als ein zweiter Zachäus, dann offenbart sich die Welt erneut mit einer ganz anderen Generosität, die nicht der Flüchtigkeit der Welt verfallen ist, sondern etwas anderes empfangen hat, das ewig ist und voller Hoffnung. Amen.

Pastor Rasmus Nøjgaard

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