Lukas 21,25-36

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Die Büchse der Pandora und die christliche Hoffnung | 2. Advent | 08.12.2024 | Lk 21,25-36 (dänische Perikopenordnung) | Laura Lundager Jensen |

Es gibt zwei grundlegende Traditionen, die das abendländische Denken geprägt haben – die alten Griechen und der christliche Glaube. Es gibt auch viele andere Strömungen, aber diese beiden Einflüsse tauchen immer wieder auf und haben ihre Spuren in unserem Denken hinterlassen.

Das macht sich auch bemerkbar, wenn wir von der Hoffnung sprechen.

Auf die christliche Hoffnung werde ich zurückkommen – ich möchte aber damit beginnen, von dem griechischen Mythos von der Büchse der Pandora zu erzählen – von der Ankunft der Hoffnung in der Welt der Menschen. Die Geschichte spielt sich zu einem Zeitpunkt ab, als die Menschen in der Welt ganz ohne Bosheit und Unglück lebten. Befreit von Arbeit und von Krankheit und Tod. Immer fröhlich und nie voller Angst oder Streit. Bei den Göttern sieht das anders aus, denn Prometheus hat das Feuer der Götter gestohlen, um es den Menschen zu geben. Das ist ja so gesehen schön von ihm, aber das findet Zeus nicht. Er ist wütend und will deshalb sowohl Prometheus als auch die Menschheit bestrafen. Deshalb lässt Zeus die schönste Frau erschaffen. Ihr Name ist Pandora, das bedeutet: „Diejenige, die mit allen Gaben gesegnet ist“ – und sie trägt Züge von allen Göttern, so dass sie wirklich eine Gabe ist. Klug und tüchtig und listig und ganz unwiderstehlich für Männer. Mit sich führt sie noch eine Gabe – eine Büchse, die Büchse der Pandora. Und mit dieser wird sie hinab zu den Menschen geschickt. Aber obwohl sie davor gewarnt wurde, die Büchse zu öffnen, war die Neugier zu groß, und Pandora öffnet die Büchse. Und was geschieht – es entwichen alle Plagen der Welt: Krankheit, Trauer, Armut, Verrat, Kriminalität usw., usw.

Schnell schließt sie die Büchse, rechtzeitig um nur eine Plage zurückzuhalten, nämlich die Hoffnung.

Die Welt wurde darauf ein fürchterlicher Ort, und die Menschheit litt und kämpfte – bis zu dem Tage, als Pandora wieder die Büchse öffnete.

Und da kam die Hoffnung heraus. Aber die Erzählung sagt, dass es sich zeigte, dass dies die letzte und schlimmste Plage war, genauso unwiderstehlich wie alle die anderen Plagen, getragen von Selbstbetrug, einem verwirrten Gemütszustand, der den gesunden realistischen Menschenverstand schwächt. Naives Wunschdenken, grenzend an gefährliches Blendwerk.

Alles zerstörend, weil sie stets mit der Zeit und schließlich endgültig enttäuscht.

Die Erzählung von der Büchse der Pandora und der falschen enttäuschenden Hoffnung hat in vieler Hinsicht unser abendländisches Denken geprägt. Dass dies noch immer gilt, zeigt sich ja stets, wo Menschen, statt auf die Zukunft zu hoffen, konsequent das Gegenteil tun: „Das geht nie gut“ – „Der Kampf um das Klima ist verloren“ – „Die Wirtschaft bricht ein“ – „Die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine hören nie auf“ – „Die kommende Regierung Trump zerstört das Gleichgewicht in der Welt“ – „Die Massenüberwachung im Internet und auf der Straße bedroht die Freiheit von uns allen“ – und „wenn wir etwas anderes glauben, graben wir unser eigenes Grab“. So ist es mit der Plage der Hoffnung von Pandora.

Aber zum Glück erhielt die griechische Hoffnung eine Antwort vor etwa 2000 Jahren mit der Erzählung, dass sich mitten in den Plagen der Welt, mitten in Bosheit, Krankheit, Finsternis eine Hoffnung einfand als das Licht des Lebens selbst. Mit der Erzählung von dem Kind in Bethlehem.

„Wo Leben ist, ist Hoffnung“ – sagen wir, mit einem Sprichwort, das sowohl in einer Entbindungsabteilung als auch an einem Sterbebett angebracht ist. Nicht als Blendwerk oder naiver Selbstbetrug, sondern als eine Schutzmauer für das Leben. Und wenn die Furcht am größten ist, wenn alle anderen Plagen aus der Büchse der Pandora um uns herumwirbeln wie ein Tropensturm, wird das sogar bei uns so gewendet, dass deutlich wird: „Wo Hoffnung ist, da ist Leben“.  In der Hoffnung ist das Leben.

Solange Hoffnung ist, zeigt sich die helle Flamme des Lebens, auch wenn sie noch so klein ist. Nicht als die schlimmste Plage der Büchse, sondern als das Beste.

Die Geburt unseres Herrn ist ein lebensnotwendiges Gegenstück zum Mythos der Griechen.

Daran hält uns die Adventszeit fest. Sie ist Zeit der Hoffnung.

Hier mitten im Nebel des Dezembers, mit beginnender Kälte und zunehmender Dunkelheit wird die Hoffnung langsam angefacht – Licht nach Licht, bis der ganze Kranz leuchtet. Um uns wieder entgegen zu leuchten, nicht für Pandoras leichtfertigen Umgang mit ihrer Büchse, sondern für die Erzählung von der Jungfrau Maria, die vor 2000 Jahren im Stall von Bethlehem einen Sohn zur Welt brachte.

Eine Hoffnung, die hinter den Sorgen und Unsicherheiten leuchtet, hinter den Zufälligkeiten und Umständen. Hinter der Angst, den ökonomischen Krisen, hinter Krieg und Terror, hinter Liebeskummer, Verlust und Tod – zurück zur Hoffnung, die einmal in die Welt gekommen ist und Menschen noch immer Leben schenkt – und uns zeigt: Wo Hoffnung ist, ist Leben.

Das ist es, was das heutige Evangelium verkündigt – es gibt Hoffnung.

Auch wenn die Krise da ist –

Und auch wenn Finsternis, Tod und Angst drohen, wird auf die Zeichen des Frühlings verwiesen, der auf uns wartet – und uns daran erinnert: Wenn der Feigenbaum und alle die anderen Bäume ausspringen, ist der Sommer schon nahe, wie Jesus sagt.

Das bedeutet nicht, dass die Nöte und der Schmerz nicht furchtbar genug sind, sondern das bedeutet, dass sie nicht das letzte Wort haben.

Wenn Jesus uns heute erzählt: Wenn wir draußen am Abgrund sind – oder über den Abgrund hinaus – dann stehen wir in der Tat „vor dem Menschensohn“. Als Bollwerk zwischen uns und dem Nichts. So dass weder die Plagen der Welt noch der bodenlose Schmerz der persönlichen allesumfassenden Krise im Nichts enden. Davor schützt uns das Wort Jesu, dass wir in ihm die lebendige Hoffnung finden.

Der Kern der Evangelien der Adventszeit ist, dass Jesus zu uns kommt, ja er ist auf dem Weg. Die Hoffnung kommt uns entgegen, und sie übergeht all das, was unerträglich ist, all das, was zuerst aus der Büchse der Pandora kam, mit der Botschaft von dem Kind zu Bethlehem, die alles neu macht. In dem Glauben, den er uns schenkt und der in ihm gründet, orientieren wir uns an der Hoffnung und nicht an der Furcht. Und es gibt zwar Plagen und Böses, Altes geht unter, und das schmerzt und bedrückt.

Aber Neues wird kommen.

Lasst uns in diesem Glauben die Hoffnung des Advents annehmen. Amen.

Pastorin Laura Lundager Jensen
Langetoften 1, Osted
DK-4320 Lejre
E-mail: luje(at)kp.dk