
Lukas 5,1-11
Wir sind das Wunder dieses Sonntags | 5. Sonntag nach Trinitatis | 20.07.2025 | Lk 5,1-11 | Marianne Frank Larsen |
Unmöglich sie alle zu zählen,
die Arten von Moos und Flechten,
die auf dem Steindamm wachsen
am Wege. Ich muss mich damit begnügen,
eine neue Art zu finden,
wann immer ich vorbeigehe,
das ist ein Wunder,
besonders wenn der Regen fällt,
und der Nebel sich dicht legt
zwischen den Birken, und die Farben glühen.
So schreibt der Dichter Eske K. Matthiesen in einem seiner Gedichte, und so findet er Worte und Bilder für ein Wunder. Das Wunder, dass es viele verschiedene Arten gibt von Moos und Flechten in verschiedenen Farben, dass er sich damit begnügen muss, eine neue Art zu finden, wenn er vorübergeht. Das ist eines der Wunder, bei denen uns die Dichter helfen müssen, sie zu entdecken und nicht nur vorüberzugehen – die Wunder des alltäglichen Lebens, an denen die Welt um uns gerade jetzt ganz voll ist. Die Schwalben, die Rosen, die Kornfelder. Und hier danken wir dem guten Gott dafür, dass er so freigiebig und reichlich damit segnet.
Ich beginne hier, mit den zahllosen Wundern des Alltags, um damit zu sagen, dass das Wunder, das wir im heutigen Evangelium sehen, nicht darin besteht, dass Jesus etwas Übernatürliches und Außergewöhnliches schafft, dass man zuvor nie gesehen hat. Es gibt ja schon Fische im See Genezareth. Das sind nur allzu wenige für alle die müden Fischer an diesem Sonntagmorgen. Das Wunder besteht darin, dass Jesus die wenigen Fische in einen enormen Schwarm verwandelt, eine so große Menge, dass die Netze fast gesprengt werden und die Boote zu versinken drohen. Das ist mehr als zu viel für Petrus, Jakobus und Johannes, und auch mehr als reichlich dafür, dass die Scharen an Land sich satt essen können. Es ist ganz wie die Speisung in der Wüste, wo Jesus die fünf kleinen Brote in ein üppiges Abendmahl für fünftausend Leute verwandelte. Weil Jesus das Wenige, was da ist, ein bisschen Fisch und etwas Brot, nimmt und verwandelt, mit einer Großzügigkeit, die überwältigend ist. Wo er am Werk ist, ist keine Not. Da ist Nahrung und neues Leben für alle.
Und deshalb verstand Petrus, wer er ist, der Mann, der sein Boot geliehen hatte als Kanzel an diesem Morgen. Denn so wie Jesus die Fische im See vermehrte, genauso vervielfältigt der gute Gott ja die Arten von Moos und Flechten auf dem Steinwall am Weg und die Samen, wenn wir sie in die Erde säen. Und auch die Zeichen der Liebe und warmen Worte, die wir einander geben. Das versteht Petrus. Die Großzügigkeit, die Kraft, das Wenige in ganz Großes zu verwandeln, die Jesus heute offenbart, das kann nur von einem Ort kommen. Deshalb fällt Petrus auf die Knie und bittet Jesus, von ihm fortzugehen, denn er ist ein sündiger Mann, gar nicht bereit, dem Angesicht des guten Gottes von Angesicht zu Angesicht zu begegnen an einem gewöhnlichen Sonntag am See Genezareth.
Doch Jesus vermehrt nicht die Fische im See, um die Sündenerkenntnis in Petrus zu wecken. Er tut das, um Petrus wissen zu lassen, wer der ist, der ihn nun ruft, ihn mitnimmt und in Arbeit bringt. Dass es der gute Gott ist, der ihn in seine Arbeit einbezieht, Leben zu schützen und neues Leben zu schaffen für die Menschen. Er steht hier auf der Erde als ein Mensch von Fleisch und Blut mitten im gewöhnlichen Dasein von Petrus, er hat Petrus erwählt und ihn berufen, und von nun an wird er Petrus dort mitnehmen, wo er hingeht, Petrus und den anderen folgen, mitten unter ihnen sein alle Tage. Es ist wohl möglich, dass er in Petrus einen sündigen Mann sieht, aber er bleibt stehen und ruft ihn, weil er ihn vor allem als einen Menschen sieht, der etwas kann! Oder jedenfalls als einen Menschen, der etwas können wird. Ein Mensch der imstande ist, mit ihm zusammenzuarbeiten, andere Menschen mit seinem Wort und seinen Taten zu fangen. Sein Leben in anderen Menschen hervorzurufen. Menschenfischer zu sein wie Jesus selbst. Das ist die große Aufgabe, die Jesus Petrus und den anderen anvertraut.
Und wenn sie alles liegen lassen, was sie in den Händen haben, und Garn und Boote und Frauen und Kinder verlassen, um Menschenfischer zu werden zusammen mit ihm, so gehen sie mit der Erinnerung daran, wie großzügig er die Fische im See Genezareth vermehrte, so dass genug für alle da war. Genau so müssen sie darauf vertrauen, dass er ihre ungenügenden Worte und Taten künftig vermehren wird, so dass sie seine Worte und Taten werden und genug für alle da ist. Das ist die Verheißung, die unausgesprochen in dem mirakulösen Fischzug des Petrus liegt.
So wie wir es verstehen, ist dies eine Verheißung, die der Auferstandene jeden Sonntagmorgen erfüllt, auch im Juli 2025. Denn wir kommen ja, um die die Wunder zu sehen und zu hören, die er hier tut: Es handelt sich nicht um etwas Extremes oder Übernatürliches, sondern darum, dass er die gewöhnlichen kleinen Dinge nimmt, die nun vor der Hand liegen, und sie vermehrt. Ein paar Handvoll Wasser am Taufbecken. Die unsichtbaren Striche des Kreuzes. Ein kleines Stück Brot und ein Schluck Wein. Das sieht nach wenig aus wie der Fischbestand im See Genezareth in der Nacht, bevor Jesus kommt. Aber der Auferstandene nimmt das Wasser und das Brot und den Wein und die kleinen Striche des Kreuzes und macht sie wunderbar groß, denn sie werden Zeichen dafür, dass er auch heute unter uns ist, so wie er bei ihnen an jenem Morgen am See Genezareth war. Er steht hier und teilt aus nach rechts und links aus seinem eigenen Leben. Das Leben, das immer beginnt. Hier ist kein Mangel. Hier ist genug für alle, die wollen.
Mit gewöhnlichen Worten und Zeichen ruft er uns heute. Und das ist das wirkliche Wunder im heutigen Evangelium. Dass er auch zu uns kommt und uns ruft, weil er uns ausersehen hat und dort dabeihaben will, wo er hingeht. Ein kluger Kollege sagt es einfach so, dass wir das Wunder des 5. Sonntages nach Trinitatis sind. Nicht dass etwas völlig Neues geschieht, sondern dass wir neu werden! Das werden wir durch seinen Blick und seinen Ruf und das neue Leben, das er uns gibt. Weil wir es heute sind, die seine Jünger werden, und er will bei uns sein, unseren Worten und Taten, in denen er sich offenbaren will. Wir, die er als Menschen sieht, die andere fangen können mit Taten, in denen er sich selbst wiedererkennen kann, sein Leben in anderen Menschen wirksam sein zu lassen. Wir haben schon Petrus sagen hören wie: Indem wir Mitgefühl zeigen, brüderliche Liebe, Barmherzigkeit und Demut. Indem wir nicht Böses mit Bösem oder Schimpfworten vergelten, sondern vielmehr mit Segen, denn zum Segnen sind wir berufen. So haben wir die Möglichkeit, sein neues Leben bei jedem Menschen hervorzurufen, mit dem wir zu tun haben. Wenn wir von hier gehen mit dieser Aufgabe, gehen wir gottseidank zusammen mit ihm, der die Kraft hat, das Wenige, was er vorfindet, in unermesslich Großes zu verwandeln. Amen.
Pastorin Marianne Frank Larsen
DK 8000 Aarhus C
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