
Markus 14,16-20
Himmelfahrt | Markus 14,16-20 (dänische Perikopenordnung) | 29.05.25 | Von Anna Jensen |
Himmelverbindung darf nicht entfernt werden
„Erdung darf nicht entfernt werden“. So steht es auf einem alten Emallieschild an der Kellerwand eines Pfarrhauses. Eine Erdung darf nicht entfernt werden, wenn man elektrische Stöße vermeiden will. Erdung ist in unserer hektischen Welt ein positives Wort. Wenn du es allzu eilig hast und mit flüchtigen Themen beschäftigt bist, kann es gut tun, einen Spaziergang im Wald zu machen oder direkt Erde unter den Fingernägeln zu bekommen, wenn du deinen Küchengarten pflegst. Der große Flow von Dingen, Informationen und Themen, zu denen wir uns verhalten sollen in unserer Welt, entfremdet uns, so dass wir den Kontakt zur Welt und uns selbst verlieren. Ohne Erdung sind wir freischwebend.
Wir müssen auch heute die Verbindung zur Erde bewahren, wenn wir das Markusevangelium lesen. Die Erzählung von der Himmelfahrt Christi ist schwebend, und sie steht im Gegensatz zum übrigen Markusevangelium. Zu Ostern hörten wir von den drei Frauen, Maria, die andere Maria und Salome, die wohlduftende Salben gekauft hatten und zum Grabe gingen. Zu ihrer großen Überraschung war das Grab leer, stattdessen begegnete ihnen ein Engel, der ihnen erzählte, dass sie sich nicht erschrecken sollten. Jesus war auferstanden, ja er war ihnen vorausgegangen nach Galiläa.
Es ist aber nicht in Galiläa, wo wir Jesus im heutigen Evangelium antreffen. Drei Mal nach seiner Auferstehung zeigte sich Jesus. Das erste Mal war Ostermorgen selbst, wo sich Jeses Maria Magdalene zeigte, danach erzählte sie das alles den Jüngern, aber die glaubten ihr nicht. Das zweite Mal zeigte er sich zwei Jüngern, während sie auf dem Wege ins Land waren. Die Auferstehung Jesu geschah in Judäa, um nach Galiläa zu kommen, muss man Samaria passieren, aber das ist kaum das „Land“, auf das das Evangelium hinweist. Lesen wir das Lukasevangelium, so begegnen die beiden Jünger Jesus nahe dem Dorf Emmaus, das 23 km von Jerusalem liegt. Die beiden Jünger erzählten auch den anderen von ihrer Begegnung mit Jesus, aber die andren wollten ihnen nicht glauben. Zum dritten Mal „schließlich“, wie es im heutigen Evangelium heißt, begegnet Jesus dann allen elf Jüngern zugleich. Zunächst wirft er ihnen ihren Unglauben vor. Warum glaubten sie nicht den Frauen und den beiden Jüngern? Dann wechselt das Anliegen seiner Rede. Er gibt ihnen eine Aufgabe, eine Mission. „Geht hin in alle Welt und verkündigt das Evangelium für die ganze Schöpfung“, d.h. für alle oder jeden Menschen. Wer das glaubt und getauft wird, wird erlöst werden, wer das aber nicht tut, wird gerichtet. Es ist leicht, die zu kennen, die daran glauben, denn bei ihnen geschehen Wunder.
Erlösung ist Befreiung. Davon befreit sein, für sich selbst leben und überleben zu sollen, befreit zu sein von allen finsteren Kräften. Wer nicht an Christus glaubt, ist sich selbst überlassen, selbst den Weg seines Lebens zu sichern und zu finden. Das Gericht besteht also nicht darin, dass man in die Hölle kommt, wie es bei Dante beschrieben wird, wo man langsam im Feuer gebraten wird. Nein, das Gericht besteht darin, dass man außen vor ist, dass man keinen Vater im Himmel kennt, an den man sich halten kann, wenn man von Schrecken heimgesucht wird, von Einsamkeit oder Versagen. Das Gericht bedeutet, dass man keinen Gott kennt, dem man danken kann, einen Gott, zu dem man mit seinen Hoffnungen und Gebeten kommen kann.
Wer glaubt und erlöst wird, wird dagegen ein Leben in enger Zugehörigkeit zu Gott leben, in diesem und im kommenden Leben.
Man kann die Glaubenden erkennen, sagt Jesus, denn Wunder oder Mirakel geschehen bei ihnen. Er gibt einige Beispiele: Z.B. Austreibung von Dämonen, so wie wird das auch sahen in Kapitel 6, wo Jesus den Jüngern Macht über die unreinen Geister verlieh, und Kapitel 9, wo die Jünger nicht einen anderen Mann daran hindern durften, unreine Geister auszutreiben, solange er das im Namen Jesu tut. Ein anderes Beispiel ist die Zungenrede, die auch an mehreren Stellen in der Apostelgeschichte und im ersten Korintherbrief. Das Beispiel vom Trinken todbringenden Gifts, ohne zu erkranken, ist mehr kryptisch, dafür gibt es keine anderen biblischen Beispiele, aber dass ein frommer Mann Gift trinken kann, ohne Schaden zu nehmen, ist Teil einer Legende im Christentum. Das letzte Beispiel, die Heilung durch Handauflegung, ist in der Bibel weit verbreitet.
Als Jesus seine Abschiedspredigt gehalten hatte – kommen wir zum Bericht über das Ereignis der Himmelfahrt selbst. Sie wird nicht in großen Worten beschrieben, ganz nüchtern wird erzählt, dass Jesus in den Himmel aufgenommen wird und sich zur Rechten Gottes niederließ. Künstler haben uns im Laufe der Zeit mit Bildern von der Himmelfahrt und Thronbesteigung bereichert, wir sehen es vor uns. Markus schließt sein Evangelium damit, dass die Jünger taten, was ihnen aufgetragen war, sie gingen in alle Welt. Wo bleibt da die Verbindung zur Erde und zu Galiläa?
Jesus begegnete nach dem Markusevangelium den Jüngern also nicht in Galiläa, aber vielleicht ist der Schluss des Evangeliums, den wir hier heute in der Kirche lesen, nicht der originale? Unsere Bibel ist übersetzt aus einer Sammlung vieler unterschiedlicher Handschriften. Eine der Handschriften, der „Codex Biobiensis“, hat einen anderen Schluss, mehrere andere Handschriften haben beide Abschlüsse. Vielleicht würde dann das Evangelium am Ostertag so schließen: Nachdem der Engel den Frauen verkündet hatte, dass Jesus auferstanden war, gingen sie hinaus und flüchteten vom Grabe, denn sie waren entsetzt und außer sich. Und sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich. Aber alles, was ihnen befohlen war, berichteten sie kurz den Leuten um Petrus. Aber danach sandte auch Jesus selbst von Ost bis West die heilige und unvergängliche Botschaft von der ewigen Erlösung“.
In diesem Schluss erscheint Jesus nicht nach seiner Auferstehung, und das ist eine wichtige Pointe. Nicht die Jünger werden ausgesandt, sondern das Evangelium wird durch sie ausgesandt.
Der längere Schluss, der der Text für diesen Tag ist, deutet darauf hin, dass man einige Dinge zusammenbringen wollte. Die Szene mit Maria Magdalene, die Jesus am Ostermorgen begegnete, kennen wir auch aus dem Johannesevangelium. Die beiden Jünger, die Jesus in einer anderen Gestalt auf dem Wege begegneten, kennen wir aus dem Lukasevangelium, so wie wir den Bericht von der Himmelfahrt sowohl bei Lukas als auch in der Apostelgeschichte finden.
Wie bewahren wir die Erdgebundenheit in all dem? Was geschiert hier? Ja, wenn wir uns hier heute am Himmelfahrtstag versammeln, so feiern wir nicht, dass Jesus wie eine Neujahrsrakete gen Himmel fuhr, sondern wir feiern, was Himmelfahrt bedeutet. Wir feiern, dass Jesus in die Welt kam, ein Mensch wie wir wurde, am Kreuz für uns starb und dann gen Himmel fuhr, denn damit wurde Jesus selbst unsere himmlische Verbindung. Durch Jesus erhalten wir Eingang und Einblick i das Reich Gottes, Jesus öffnet nicht nur die Tür für uns, nein, er ist selbst die himmlische Verbindung.
„Erdung darf nicht entfernt werden“, steht auf dem Schild im Keller. Nein, das ist nicht so, dass wir freischweben wie ein Helium-Ballon, der sich von einem Mann im Tivoli losgerissen hat. Wir brauchen eine Schnur, die uns festhält. Es muss eine Erdung geben, die uns an unseren irdischen Ursprung bindet, dass wir Geschöpfe sind. Aber es muss auch eine himmlische Verbindung geben, die uns sagt, dass wir nicht nur Staub sind. Wir sind freigekauft, teuer erkauft von Jesus, und als Gottes ewig geliebte Kinder haben wir einen Platz im Reich Gottes. Wir sind Staub und Geist, wir sind Leben und Blut. Die Freude, der Friede, das Licht, der Glaube, die Hoffnung, die Liebe sind mit Jesus ein teil unseres Lebens geworden. Der Himmel ist offen für uns.
Im Keller, dicht über dem Fußboden, hängt das Schild. Ich wünsche mir ein entsprechendes Schild, das ganz oben unter dem Dach des Pfarrhauses hängen soll: „Himmelverbindung, darf nicht entfernt werden!“ Amen.
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Pastorin Anna Jensen
5230 Odense
Email: ansj(at)km.dk