Markus 16,1-8

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Oster ist ein reißender Strom der Störung | Ostersonntag | Mk 16,1-8 |Eva Holmegaard Larsen |

Frohe Ostern – Christus ist auferstanden! Ostermorgen ist wie eine Trompetenfanfare. Steh nun auf, Halleluja! Die Sonne bricht durch die Fenster am frühen Morgen und stört alle die, die sich unter den Kissen verstecken. Das Licht weckt uns fast anmaßend, bis wir uns ergeben und aufstehen und ins Licht hinausgehen.

Frühjahr und Ostern. Das Schlüsselwort ist „Störung“. April ist ein grausamer Monat, schreibt der englische Dichter T.S. Eliot in dem Gedicht „The West Land“, die Ödnis. April ist der grausamste Monat, weil er Fliedern aus der toten Erde heraustreibt und müde Wurzeln mit Frühlingsregen belebt…

So ist der April. Eine Störung. Das Licht ist zu stark und zu aufdringlich. Wir stehen mit unseren Maulwurfsaugen und blinzeln zur Sonne und fühlen uns überrumpelt und um eine Leichtigkeit gebeten, zu der wir nicht bereit sind.

So ist Ostern! Das Grab ist leer, Geh nun hinaus und lebe ohne Furcht, denn Jesus ist auferstanden, Gott durchbricht die Finsternis des Todes mit der alles durchdringenden Macht seiner Liebe. Und wie Fliedern werden wir aus der toten Erde zum Morgen der Auferstehung herausgetrieben.

Ostern sollen wir uns aufrichten, unsere Glieder in den Himmel recken und uns offen freuen über das Leben und das Wunder, dass wir existieren und immer weiter da sind in allen Transformationen, die Gott uns im Leben und im Tod bereithält.

Der Ostermorgen stört unsere furchtsame Vorsicht und fordert allen Zweifel am Sinn des Lebens heraus. Denn hier sind wir ja, unter dem Himmel, und feiern Frühjahr und Ostern und sind vereint in einem jubelnden, trotzigen Glauben an den Sieg des Lebens. Gott schenkt uns Leben in diesen Tagen in einem überwältigenden Maße, als ein Zeichen der Natur und der Schöpferkraft, die auch weiter uns das Leben schenkt und auch im Dunkeln wirkt. Denn wir sind nicht vergessen, wenn wir einmal unter der Erde liegen. Wir werden, wie Grundtvig das in seinem herrlichen Osterlied[1] sagt, „umgeschmolzen im Dunkeln“ und „als Licht am Grab funkeln“.

Ostern stört nämlich auch unsere Trauer – aus Erde sind wir genommen, zu Staub sollen wir werden. Ja – das wissen wir. Denn wir haben da draußen an Erde und Grab gestanden und haben Abschied genommen, manchmal so schwer, dass wir selbst ein wenig mit hinabgesunken sind.

Ostern ist eine Störung für unseren erdverbundenen Verstand. Die Auferstehung ist ein Kreuz für den Verstand, sagt Paulus. Das widerspricht der konkreten Erfahrung, dass die Toten tot sind. Dass wir sterben müssen, und das war es dann. Da ist eine Seite in uns, die nie dazu kommt, an die Auferstehung zu glauben, denn wir können es nicht verstehen. Wir können es nicht sehen.

Verstehen wir aber die wunderbare Verwandlung, die direkt vor unseren Augen im mächtigen Frühjahr geschieht? Verstehen wir, wie die Buchenhecke ihre Blätter bekommt und die Osterblume ihren Weg aus der winterharten Erde findet? Die Auferstehung reißt auf in der toten Erde. Das können wir nicht sehen, aber wir können sehen, dass etwas auf uns zukommt, ohne dass wir verstehen warum.

Und so ist es oft. Woher kommt die Liebe? Woher kommen die Kinder? Warum steht die Welt noch nach all den Versuchen, sie zu zerstören? Woher kommt der Mut, der uns ergreift, wenn es darauf ankommt? Woher kommt all das Gute gerade dort, wo wir uns so sehr an das Böse gewöhnt haben? Warum kehrt die Freude zurück zu dem Trauernden? Warum verschwindet die Wolke vor der Sonne? Warum holen wir noch Luft an den Tagen, wo es so ist als wäre uns die Luft völlig ausgegangen?

Es ist als würden wir von Kräften außerhalb von uns selbst getragen, die uns ganz sanft und milde weiterführt wie die ersten Frühlingsblumen im beginnenden Frühjahr.

Die Auferstehung ist eben hier. Dennoch können wir es nicht verstehen. Denn das stört etwas, was wir um alles in der Welt festhalten wollen – wir wollen es begreifen und kontrollieren. Auch wenn all das Beste im Leben nicht von uns kontrolliert wird. All das, von dem wir leben, Kinder und Enkelkinder, gute Nachbarn, Vergebung, Hilfsbereitschaft, Fürsorge, die Wärme der Sonne und die Frucht des Feldes – all dies ist nicht etwas, was wir verlangen oder erzwingen können. Das ist etwas, was wir nur dankbar annehmen können – denn wir können nichts anderes tun.

Das stört jedoch die Vorstellung von unserer eigenen Macht über das Leben und das Dasein. Aber siehe doch: Wir können viel, richtig viel. Aber können eben nicht das herbeizwingen, nach dem wir uns alle am meisten sehnen.

Die Kunst besteht darin, sich stören zu lassen. Und wenn jemand die Dinge stören konnte, so was es Jesus, Er kam als die am meisten provozierende, störende Gestalt in die Welt und stellte vieles auf den Kopf, wenn er Engherzigkeit und Vorurteile und die Blindheit der Macht herausforderte. Wenn er Kinder und Frauen und Kranke und Arme und Verurteilte pries.

Die größte Störung brachte er jedoch gerade, indem er der Sonn Gottes selbst auf Erden genannt wurde, gestorben und auferstanden, nicht weil er ein Mensch war, der göttlich genannt wurde. Das war man damals gewohnt. Verschiedene Formen menschlicher Göttlichkeit waren ganz gängig. Die römischen Kaiser wurden als Gottheiten verehrt. Das Ungewohnte lag darin, dass dieser sogenannte Sohn Gottes ein Sohn des armen Zimmermanns aus Nazareth war.

Man war in der damaligen gewaltigen Mannigfaltigkeit von Religionen und Göttern auch an den Tod der und die Auferstehung von Göttern gewohnt. Es war in der Tat ganz gewöhnlich, dass der Gott immer wieder auferstand, gerade zusammen mit dem Frühjahr und der Natur. Aber dass dieser verurteilte und gedemütigte Mensch, der litt und hingerichtet wurde wie ein Verbrecher – dass er auferstehen sollte wie ein Gott? Das war ein schockierender und nahezu unanständiger Gedanke.

Das war eine große Störung in all dem, was normal und glaubwürdig war. Deshalb ist es auch das größte Geheimnis des Christentums, dass diese nahezu unanständige und geschmacklose Behauptung von der Auferstehung dieses Nobody zu der machtvollsten Glaubensbewegung der Welt wurde. Das größte Geheimnis liegt nicht in all den Fragen zur Jungfrauengeburt und dem Sohn Gottes auf Erden – das Geheimnis besteht darin, dass nicht alles mit der Niederlage und der Tragödie von Karfreitag endete.

Götter verbindet man mit Erfolg. Götter finden sich nicht ab mit Niederlagen. Götter beugen sich nicht vor etwas, Götter lassen sich bewundern und zujubeln, nicht auspeitschen, verhöhnen und hinrichten. Warum starb das nicht? Vielleicht weil eben diese Störung der Weltordnung so kräftig explosiv war, dass die Welt seitdem nie wieder dieselbe wurde.

Gott erhöhte das Gedemütigte. Gott ist mit dem Gescheiterten, dem Verurteilten, Gequälten, einem der fertig gemacht ist. Diese Störung war ein so kraftvoller Appell, was, wie wir in unserem Herzen wohl wissen, in einem tieferen Sinne wahr ist, als wir es erklären können.

Was wäre die Welt ohne diese trotzige Manifestation von Würde? Was wäre die Welt ohne diesen zerbrochenen Erlöser am Kreuz, der am Ostertag auferstand zu Ehre und Würde – für uns alle? Auferstand für alle und um uns den Weg zu bereiten und uns die glaubwürdigste Hoffnung von allen zu schenken:

Dass Gott mit uns ist im Leben wie im Tode. Und das kein Menschenleben verlorengeht, weil wir geschaffen und geliebt sind wie ein Kind von unserem himmlischen Vater.

Der Osterglaube gibt Sinn und Würde für all das, was gefallen ist: Sowohl das, was gefallen ist, weil es fallen musste – alls auch das, was fällt, weil wir es fallen lassen. Der Osterglaube gibt dem Leben Würde, das im Krieg und auf dem Schlachtfeld verloren geht. Leben, das verloren geht, weil man nicht imstande ist, sich selbst zu erheben. Verlorenes Leben, das sich nie entfalten konnte. Der Osterglaube gibt den Gedemütigten Würde, den Unterdrückten, Ohnmächtigen und den Übersehenen.

Gott erhob den gequälten, gekreuzigten Menschen – denn wir sind mehr als die Welt aus uns macht. Wir sind auch mehr als das, was wir aus uns selbst machen können. Gott vergisst niemanden.

Und dann stehen wir hier und wackeln zwischen der Auffassung, dass dies ja im tiefsten Sinne Sinn macht und zugleich sinnlos ist. Auferstehung ist und bleibt ein Kreuz für das Denken, aber vielleicht verstehen wir es am besten, wenn wir erschüttert und außer uns sind. Wenn die Schutzmauern fallen und alles zusammenbricht.

Der Osterglaube ist nämlich kein Gedankenspiel. Der Osterglaube ist Wirklichkeit, eine lebendige Hoffnung so dicht bei uns in den tiefsten Bewegungen unseres Lebens – denn wenn wir erschüttert und außer uns sind, können wir das sehen, was über unseren Horizont hinausgeht. Und dann greifen wir nach dem, was wir sonst nicht begreifen können.

Wie die Frauen am Grabe Jesu am Ostermorgen. Und wir alle trauernd am Grabe unserer Lieben. Es ist nicht so schwer, die Stimme der Engel zu hören, wenn man dort steht. Wir werden durch das Beben unserer Herzen zu Gott geführt. Und dann kann der Sargdeckel noch so festgenagelt sein und der Stein noch so sehr vor das Grab gerollt sein. In der Tiefe unseres Bewusstseins wissen wir etwas, was wir nicht immer wissen. In der Tiefe unseres Herzens sind wir bereit, die Hoffnung hineinzulassen.

Deshalb feiern wir Ostern. Deshalb sollen wir das Osterevangelium hören von den Frauen, die zum Grabe kamen und es leer fanden – wir sollen es immer wieder hören.

Immer, wenn wir uns von unseren Lieben verabschieden, sollen wir es hören. Die störenden Worte, wo wir nicht immer wissen, was wir damit anfangen sollen. Sie geben uns Mut, die unseren eigenen Worten widersprechen. Sie konfrontieren die rationale Feststellung mit einer unmöglichen Hoffnung. Aber wir sollen es hören. Auch wenn es ist wie mit dem Kopf an die Wand rennen.

Denn manchmal brauchen wir das, mit dem Kopf an die Wand rennen und unseren Kopf einen Augenblick an die Grenze dessen stoßen, wo unsere Worte hinreichen.

Ostern ist dafür Störung und Halleluja. Ostern ist Aufstand gegen kalte Tatsachen. Die Macht des Todes ist gebrochen. Gott hat das letzte Wort. Die Welt ist trotz Trauer und Schmerz und Absurdität nicht sich selbst überlassen, sondern getragen von einer tiefen Liebe, die unter uns lebt als Grund eines Brunnens oder Grund eines Abendmahlskelches – und uns mitnimmt hinein in das Leben und wieder hinaus.

Gott bewahre unseren Ausgang und Eingang. Amen.


Pastorin Eva Holmegaard Larsen

Nødebovej 24, Nødebo, DK-3480 Fredensborg

E-mail: ehl(at)km.dk

[1] Dänisches Gesangbuch 236, V. 5, Deutsch-dänisches Kirchengesangbuch 236,5.