
Markus 4,35–41
Wach auf, Jesus! | 4. Sonntag vor der Passionszeit | 09.02.2025 | Mk 4,35–41 | Paul Wellauer |
| Psalmgebet im Wechsel | Psalm 18,1–20 | Lutherbibel 2017* |
| Dank des Königs für Rettung und Sieg |
[1 Von David, dem Knecht des HERRN, der zum HERRN die Worte dieses Liedes redete, als ihn der HERR errettet hatte von der Hand aller seiner Feinde und von der Hand Sauls; vorzusingen.]
I 2 Und er sprach: Herzlich lieb habe ich dich, HERR, meine Stärke!
II 3 HERR, mein Fels, meine Burg, mein Erretter; mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz!
I 4 Ich rufe an den HERRN, den Hochgelobten, so werde ich vor meinen Feinden errettet.
II 5 Es umfingen mich des Todes Bande, und die Fluten des Verderbens erschreckten mich.
I 6 Des Totenreichs Bande umfingen mich, und des Todes Stricke überwältigten mich.
II 7 Als mir angst war, rief ich den HERRN an und schrie zu meinem Gott. Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel, und mein Schreien kam vor ihn zu seinen Ohren.
I 8 Die Erde bebte und wankte, und die Grundfesten der Berge bewegten sich und bebten, da er zornig war.
II 9 Rauch stieg auf von seiner Nase und verzehrend Feuer aus seinem Munde; Flammen sprühten von ihm aus.
I 10 Er neigte den Himmel und fuhr herab, und Dunkel war unter seinen Füssen.
II 11 Und er fuhr auf dem Cherub und flog daher, er schwebte auf den Fittichen des Windes.
I 12 Er machte Finsternis ringsum zu seinem Zelt, dunkle Wasser, dichte Wolken.
II 13 Aus dem Glanz vor ihm zogen seine Wolken dahin mit Hagel und Blitzen.
I 14 Der HERR donnerte im Himmel, und der Höchste liess seine Stimme erschallen mit Hagel und Blitzen.
II 15 Er schoss seine Pfeile und zerstreute die Feinde, sandte Blitze in Menge und erschreckte sie.
I 16 Da sah man die Tiefen der Wasser, und des Erdbodens Grund ward aufgedeckt vor deinem Schelten, HERR, vor dem Odem und Schnauben deines Zorns.
II 17 Er streckte seine Hand aus von der Höhe und fasste mich und zog mich aus grossen Wassern.
I 18 Er errettete mich von meinen starken Feinden, von meinen Hassern, die mir zu mächtig waren;
II 19 sie überwältigten mich zur Zeit meines Unglücks; aber der HERR ward meine Zuversicht.
I 20 Er führte mich hinaus ins Weite, er riss mich heraus; denn er hatte Lust zu mir.
I&II AMEN
| Lesung Predigttext | Markus 4,35–41 | Die Stillung des Seesturms | Die Zürcher Bibel, 2007** |
35 Und er [Jesus] sagt zu ihnen am Abend dieses Tages: Lasst uns ans andere Ufer fahren. 36 Und sie liessen das Volk gehen und nahmen ihn, wie er war, im Boot mit. Auch andere Boote waren bei ihm. 37 Da erhob sich ein heftiger Sturmwind, und die Wellen schlugen ins Boot, und das Boot hatte sich schon mit Wasser gefüllt. 38 Er aber lag schlafend hinten im Boot auf dem Kissen. Und sie wecken ihn und sagen zu ihm: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir untergehen? 39 Da stand er auf, schrie den Wind an und sprach zum See: Schweig, verstumme! Und der Wind legte sich, und es trat eine grosse Windstille ein. 40 Und er sagte zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? 41 Und sie gerieten in grosse Furcht, und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm selbst Wind und Wellen gehorchen?
| Predigt | Wach auf, Jesus! |
Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern durch die Liebe und Gnade Gottes
«Wach auf, du kommst zu spät zur Schule! Wach auf!» Wer von euch kann sich noch an einen derartigen oder ähnlichen «Weckruf» aus seiner Kindheit und Jugend erinnern? Gut möglich, dass solche Aufwecksituationen zu unseren frühesten Kindheitserinnerungen gehören. Wer kommt schon gerne zu spät zur Schule? Und wer möchte von seine Eltern geweckt werden, wenn er den Wecker nicht gehört und verschlafen hat? Das ist doch doppelt peinlich! Solche Erinnerungen brennen sich tief in unsere Kinderseelen.
Viele von uns kennen wohl auch die umgekehrte Situation: Als Eltern mussten wir auch ab und zu unsere Kindern wecken: «Wach auf! Die Schule beginnt bald! Wach auf und beeil dich!» Aus der Sicht der Eltern sieht die Sache ganz anders aus: Wir tun den Kindern einen Gefallen, wenn wir sie wecken, wir nehmen unsere elterliche Erziehungspflicht ernst. Die Schule ist wichtig, gehört zur Pflicht und bereitet für das Leben vor. Dazu gehört auch ab und zu, dass wir unsere Kinder aufwecken: «Wach auf!»
In unserer heutigen Erzählung aus dem Leben von Jesus geht es auch ums Aufwecken. Allerdings ist die Situation weit ernster, als die Gefahr, zu spät zur Schule zu kommen. Es geht um viel mehr: Um Leben und Tod. Ein Boot im Sturmwind. Es füllt sich bereits mit Wasser. Die erfahrenen Fischer Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes sind in Todesangst. Und mittendrin schläft Jesus. Er schläft wohl im wahrsten Sinn des Wortes den Schlaf des Gerechten.
«Wach auf, Jesus, und hilf uns, wir kommen um!» [vgl. Matthäus 8,25], rufen, schreien, flehen die Jünger, um den Sturm zu übertönen. «Wach auf, wir kommen um!»
Bevor ich in der Geschichte weitergehe, will ich mit euch zurückblicken: Weshalb war Jesus denn so müde und erschöpft, dass er mitten im Sturm so selig schlafen konnte? Vor der Fahrt auf dem See hatte Jesus von Gottes Reich auf dieser Erde erzählt, er hatte ausdauernd gepredigt, ermutigt und ermahnt. Er verwendete Vergleiche aus der Natur. Von ganz unterschiedlichen Böden war da die Rede, auf die ein Sämann seinen Samen streut, in der Hoffnung, dass die Saat aufgeht. Den Jüngern erklärt er, dass er damit Gottes Wort meint, die frohe Botschaft, die er verkündet. Die Samenkörner fallen auf den Weg, auf felsigen Boden und unter Unkraut und Dornen: Kaum eine Chance, dass hier etwas wächst. Ein Teil fällt aber auf guten, fruchtbaren Boden und bringt reiche Ernte. So beschreibt Jesus Menschen, die sein Evangelium voll Glauben annehmen. Jesus erzählt zwei weitere Gleichnisse mit Samen, der von selbst wächst und vom Senfkorn, das zu einem grossen Strauch wird. Wunderschöne, farbige und hoffnungsvolle Vergleiche verwendet Jesus, um den Menschen Gottes Reich und Botschaft nahe zu bringen. Aber eigentlich sind seine Geschichten auch ein Weckruf: «Wach auf, du verpasst sonst dein Leben! Wach auf, hör auf die gute Botschaft und achte darauf, dass sie in deinem Herzen guten Boden findet!»
Und nach dem lebensbedrohlichen Erlebnis im Sturm auf dem See geht es ähnlich bewegend weiter, wieder mit Begegnungen, in denen es um Leben und Tod geht. Jesus wirkt Wunder: Er heilt den besessenen Gerasener und schenkt ihm ein selbstbestimmtes, freies Leben zurück, er lässt sich von einer Frau berühren, die damals als unrein und unberührbar galt, weil sie während 12 Jahren dauernd Monatsblutungen hatte. Auch sie heilt er und schenkt ihr ein Leben in der Gemeinschaft zurück. Und danach auferweckt er die 12 jährige Tochter des Jairus aus dem Tod.
Es ist wohl kein Zufall, dass die Erzählung mit dem Sturm auf dem See inmitten dieser Gleichnisse und Wunder berichtet wird. Da ist eine ganze Reihe von Weckrufen zu entdecken, sinngemäss:
Zum Gerasener: «Wach auf aus deinem fremdbestimmten Leben und gestalte dein Leben in der Freiheit, die Gott dir schenkt!» Zur Frau mit Blutfluss: «Wach auf aus deiner Unreinheit und Not und lebe in der Gemeinschaft, in die Gott dich ruft!» Zur Tochter des Jairus: «Wach auf aus dem Tod zu neuem Leben, das Gott dir anvertraut!»
Und mittendrin die Jünger in Not, die ihrerseits Jesus wecken und rufen: «Wach auf, Jesus, und hilf uns, wir kommen um!» Vielleicht brauchte es diese lebensbedrohliche Situation, damit die Jünger und auch wir begreifen, dass es in der Botschaft von Jesus um Leben und Tod geht. Die Jünger haben Jesus von Angesicht zu Angesicht erlebt, haben seinen eindücklichen Reden über das Reich Gottes gelauscht und aussergewöhnlich Wunder erlebt. Aber haben sie damit schon automatisch begriffen und beherzigt, worum es Jesus ging? Sind die Worte von Jesus wie Samenkörner in ihren Herzen gewachsen und haben guten Ertrag gebracht? Aus den Berichten der Evangelien wissen wir, dass auch die Jünger voller Zweifel und Ängste blieben, trotz aller Nähe und Vertrautheit mit Jesus. «Wach auf, Jesus, und hilf uns, wir kommen um!» Die Lösung ihrer lebensbedrohlichen Not beginnt mit diesem ehrlichen und beherzten Weckruf. «Wach auf, Jesus!» stösst auf offene Ohren, denn Jesus ist ja mit ihnen im selben Boot.
Ein steiler Sprung ins hier und heute, ich behaupte zwei Dinge
1. Jesus ist auch mit dir und mir im selben Boot und
2. Jesus lässt sich wecken
1. Jesus ist auch mit dir und mir im selben Boot: Wir sehen zwar Jesus nicht leibhaftig in unserer Mitte, aber wir dürfen darauf vertrauen, dass er uns ebenso nahe ist wie den Jüngern im Boot, dem Gerasener, der blutflüssigen Frau und der Tochter des Jairus. Er hat sich hineingekniet in die Not, Angst und Schuld dieser Welt. Sogar in unserem Todeskampf ist er uns unsagbar nahe. Das hat er auf Golgatha am Kreuz bewiesen. Allerdings hat er auch einen Weckruf für uns bereit: «Wacht auf!» – «Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?» (Vers 40) So fordert Jesus die Jünger im Boot und auch uns heute im «Kirchenschiff» heraus. Mein praktischer Tipp für die kommende Woche: Ich will jeden Morgen zu Jesus sagen: «Danke, dass du heute mit mir im Boot bist, in allen Stürmen und ruhigen Momenten, die ich erleben werde.»
2. Jesus lässt sich wecken: «Wach auf, Jesus, und hilf mir!» Ebenso wie ich überzeugt bin, dass Jesus mit uns im Boot ist, vertraue ich darauf, dass Jesus sich von uns «wecken» lässt. Die Frage ist wohl mehr: Will ich das auch wirklich, Jesus wecken, so dass er in mein Leben hineinwirken kann? Diese Frage darf und muss jede und jeder von uns ganz persönlich beantworten. Wenn du sie wie ich gerne mit Ja beantwortest, wäre mein zweiter Tipp für die kommende Woche: Ich will in jeder stürmischen Situation bitten: «Wach auf, Jesus, und hilf mir!»
«Jesus wecken» kann heissen: Ich will Jesus gegenüber meine Fragen, Ängste und Nöte offen und direkt an- und aussprechen. Ich bitte ihn und den Heiligen Geist, mir in stürmischen Zeiten nahe zu sein, Halt, Sicherheit und Ruhe zu schenken. Dabei muss es nicht um «Leben und Tod» gehen, aber auch diese Dimension darf ich vertrauensvoll mit ihm besprechen. Jesus lässt sich ja nicht nur «aufwecken», er wurde darüber hinaus aus dem Tod auferweckt zu neuem ewigem Leben und will uns auf den Weg des ewigen Lebens mitnehmen.
Am Ende unserer Geschichte heisst es: «Und sie gerieten in grosse Furcht, und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm selbst Wind und Wellen gehorchen?» (Vers 41) Die Erzählung im Markusevangelium gibt uns keine unmittelbare Antwort. Markus bewegt diese Frage «wer ist denn dieser Jesus» durch sein ganzes Evangelium hindurch. Theologen nennen dies das «Messiasgeheimnis bei Markus». Doch alle weiteren Ereignisse machen deutlich: Solche Wunder kann nur jemand vollbringen, der mit göttlicher Vollmacht wirkt oder selbst Gott ist. In den Psalmen wird die Kraft Gottes, Wind und Wellen zu gebieten, an verschiedenen Orten besungen und gelobt, u.a.: «Lobpreis gebührt dir, du Gott auf dem Zion, […] der das Brausen der Meere stillt, das Brausen ihrer Wellen und das Tosen der Völker.» (Psalm 65,1a.8)
Amen
Liedvorschläge
ERG 483 Wach auf, mein Herz
ERG 557 All Morgen ist ganz frisch und neu
ERG 656 Ist Gott für mich
ERG 659 Jesu, meine Freude
ERG 674 Auf meinen lieben Gott
ERG 680 Befiehl du deine Wege
ERG 700 Weit wie das Meer
RW 72 In Christus ist mein ganzer Halt
RW 116 May Your life
*) Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
**) Die Zürcher Bibel, Ausgabe 2007, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich
ERG = Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich 1998
RW = Rückenwind, Lieder für den Gottesdienst, Hrsg. Evang Landeskirche des Kantons Thurgau, Theologischer Verlag, Zürich 2017
Pfr. Paul Wellauer, Bischofszell, Schweiz
E-Mail: paul.wellauer@internetkirche.ch
Web: www.internetkirche.ch | www.internetkirche.ch/livestream | www.evang-tg.ch
Paul Wellauer, geb. 1967, Pfarrer und Mitglied im Kirchenrat der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, Schweiz. Seit 2009 in Bischofszell-Hauptwil, 1996-2009 in Zürich-Altstetten, davor 1993-1996 Seelsorger und Projektleiter in der Stiftung Sozialwerke Pfr. Ernst Sieber, Zürich