Matthäus 11,2-10

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Dritter Sonntag im Advent | 15.12.24 | Matthäus 11,2-10 (dänische Perikopenordnung) | Von Marianne Frank Larsen |

Höre, was er sagt, und siehe, was er tut!

Als Hillevi an einem Wintermorgen 1916 in Buch der schwedischen Autorin Kerstin Ekman: „Gottes Barmherzigkeit“[1]mit Halvorson losfahren will, sieht sie, wie er das Gepäck an dem kleinen Wagen festbindet. Und sie sieht, wie er das Pferd mitten in den Schneewehen anhält und sich aus der Fußbedeckung windet und das Band am Bauch des Pferdes löst, weil, es zu stramm sitzt, es noch einmal versucht, als er es festgezurrt hat, und erst in die Kutsche zurückkehrt, als er zufrieden ist. Sie sieht, wie er das Pferd wieder anhält, als sie auf dem gefrorenen Schnee fahren, und noch einmal das Geschirr des Pferdes kontrolliert. Und als sie an einem Sommermorgen ein halbes Jahr später wieder losfährt, sieht sie, wie er das Gepäck an Wagen festbindet. Sie sieht, wie er die Decke um ihre Schultern legt und um sie wickelt, eng und gut, ehe sie losfahren. Alles tut er bedächtig und ordentlich. Sie hört, wie er von dem Pferd erzählt. Sie sieht die Freude in seinem Gesicht. Sie hört, wie er fragt, ob sie sich ausruhen möchte. Und als er schließlich die Haarnadeln aus ihren Haaren nimmt, sieht sie, wie er sie sorgfältig in seine Jackentasche steckt. Das schreibt Kirst in Ekman: „Es ist klar, dass ein Mensch derselbe Mensch ist, was er auch tut. Halvorsen gleicht sich selbst, fürsorglich und geduldig, ob er nun Waren auf einen Wagen spannt, das Geschirr am Pferd anlegt oder Fräulein Hillevi Klarin die Bekleidung abnimmt“. Und so kommt es, dass Hillevi an Halvorsen glaubt. Indem sie hört, was er sagt, und sieht, was er tut. Aus dem, was sie ihn machen sieht, und dem, was sie ihn sagen hört, erwächst ihr Vertrauen zu ihm. Sie sollte eigentlich einen langweiligen Pfarrer heiraten, aber sie glaubt nun so sehr an Holvorsen, dass sie ihn einige Monate später heiratet. So wie sie gesehen hat, wie er das Geschirr am Pferd angebracht hat und das Gepäck am Wagen festgezurrt hat, ist sie sicher, dass er in ihrer Ehe Fürsorge und Aufmerksamkeit zeigen wird. Er ist einfach ein ordentlicher Mann.

So wie Hillevi schließlich an Halvorsen glaubt, so geht es ja auch zu, wenn wir zum Glauben an unseren Herrn finden. Das tun wir, indem wir auf das hören, was er sagt, und sehen, was er tut. Wenn wir die Erzählungen von ihm hören und die Lieder über ihn singen, kann es geschehen, dass das Vertrauen in uns wächst. Weil wir das hören, was er sagt, und sehen, dass er Dinge tut, die wir brauchen. Es kann natürlich auch sein, dass uns das nichts sagt. Dass wir nur in Zweifel geraten. Denn eines sind ja die Stimmen der Engel zur Weihnacht, die davon singen, dass er kommt mit Frieden zu den Menschen. Etwas anderes sind alle die anderen Stimmen, die wir auch hören können. Zornige Stimmen, klanglosen Stimmen, kalte Stimmen. Die sind da noch immer. Der Friede ist schwer zu sehen, wenn wir uns in der Welt und den Kreisen um uns umsehen. Was soll man da glauben?

Johannes der Täfer ist in Zweifel geraten. Deshalb fragt er im heutigen Evangelium so wie er fragt. Bist du der, der kommt, oder sollen wir auf einen anderen warten? Bis du er Erlöser, auf den wir gewartet haben? Wenn man wie Johannes im Gefängnis sitzt hinter verschlossenen Türen, ohne Auswege, ohne Zukunft, liegt viel daran herauszufinden, wem man vertrauen kann. Mit seiner Frage formuliert Johannes die Zweifel, die wir auch kennen. Wenn andere Stimmen die Stimmen der Engel und die Stimme unseres Herren zu übertönen drohen und wir keinen Ausweg und keine Zukunft sehen, wie in aller Welt können wir dann daran glauben, dass Jesus wirklich der ist, der mit Frieden und Erlösung kommt.

Die Antwort Jesu ist einfach und direkt. Seht und hört, sagt er zu den Jüngern von Johannes und zu uns. Das ist es, woraus der Glaube entsteht. So wie der Glaube von Hillevi an Halvorsen aus dem kam, was sie hörte und sag an einem Wintermorgen und einem Sommermorgen in den schwedischen Wäldern. Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt. Das ist es, was die Jünger sehen können, wenn sie in der Stadt umhergehen, und das können wir sehen, wenn wir die Erzählungen hören: Überall, wo Jesus umhergeht, wird das Leben funkelnd neu und freudenreich für die, die vorher davon ausgeschlossen waren. Und das Evangelium wird Armen verkündigt. Das ist es, was die Jünger und wir anderen hören können: Überall, wo Jesus zu Worte kommt, ist das eine frohe Botschaft, ein Evangelium, das verkündigt wird. Eine frohe Botschaft von Vergebung und Hoffnung und Liebe – auch für uns heute.

Seht und hört. Mehr sagt er nicht, als Johannes fragt. Er hätte sagen können: Ja, ich bin der, der kommt, und du musst nur an mich glauben! Und er hätte Johannes und uns anderen Zweiflern Beweise dafür liefern können, dass er wirklich der ist, der mit Frieden und Heil kommt. So dass wir genötigt wären, uns ihm zu beugen. Aber das tut er nicht, Er begnügt sich damit, auf das zu verweisen, was wir hören und sehen können. Zeichen und Worte. Denn daher kommt der Glaube. Und Glauben will er in uns wecken. Nicht Unterwerfung, sondern Vertrauen. Wie das Vertrauen von Hillevi zu Halvorsen. Wie unser Vertrauen zu denen, die uns Gutes tun. Vertrauen darauf, dass er der ist, der kommt, und dass er kommt mit Frieden und Freude.  Das Risiko ist natürlich, dass wir in Zweifel geraten. Aber das Risko will er eingehen. Denn Glaube kann nur in Freiheit entstehen. Indem man hört und sieht und selbst denken und fühlen darf, dass der, der redet und handelt, der ist, der es gut mit mir meint. Das Einzige, was mich dazu zwingt zu glauben, ist also die Liebe in dem, was ich höre und sehe – so wie nur die Liebe zwingen kann mit der wunderbaren Kraft, die sie hat.

Jesus nennt Johannes mehr als einen Propheten. Das tut er, weil Johannes selbst die Erfüllung einer alten Prophezeiung von dem Engel ist, der dem Herrn den Weg bahnt, wenn er kommt. Deshalb hören wir am dritten Advent, was Johannes sagt. Weil er der Engel ist, der Sendbote, der den Weg bereitet für Ihn, der zu Weihnachten kommt. Und das ist Johannes, gerade weil er heute seine zweifelnde Frage stellt. Denn indem er fragt, wie er es tut, ob Jesus nun auch der ist, der kommt, oder ob wir auf einen anderen warten sollen, formuliert er unsere zweifelnden Fragen – und bereitet den Weg für die Antwort, die Jesus gibt. Die frohe Botschaft, dass Blinde sehen, Lahme gehen, Tote aufstehen und das Evangelium für die Armen verkündigt wird. Es liegt also an uns, ob wir ihm glauben sollen oder nicht. Halvorsen war derselbe, ob er das Geschirr an das Pferd anlegte oder seiner Frau die Kleider abnahm. Wenn wir die Augen und Ohren öffnen, werden wir hören und sehen, dass unser Herr auch derselbe ist in allem, was er sagt und tut. Schwer nicht daran zu glauben. Vielleicht können wir dann auch sehen, dass er der ist, der kommt. Wir sollen auf keinen anderen warten. Amen.

Pastorin Marianne Frank Larsen

DK 8000 Aarhus C

mfl(at)km.dk

[1] Deutsch Am schwarzen Wasser, 2000.