Matthäus 11,25-30

· by predigten · in 01) Matthäus / Matthew, Aktuelle (de), Anne-Marie Nybo Mehlsen, Aus dem Dänischen, Bibel, Deutsch, Ewigkeits- / Totensonntag, Kapitel 11 / Chapter 11, Kasus, Neues Testament

Wenn die Hoffnung größer ist als der Glaube… | Ewigkeitssonntag | 24.11.2024 | Mt 11,25-30 (Micha 4,1-3; 1Kor 3,10-17) – dänische Perikopenordnung | Anne-Marie Nybo Mehlsen |

Der Herr des Himmels und der Erde hat es offenbart für die Unmündigen – und es den Weisen und Verständigen verborgen, sagt Jesus.

Bedeutet das nun, dass wir unsere gesunde Vernunft nicht gebrauchen dürfen? Dass wir uns nicht besinnen dürfen, sondern uns unterwerfen sollen als wären wir Sklaven?

Ende November und bei diesem Zustand der Welt fühlt man sich leicht entmündigt von größeren Mächten; ganz verzagt in der Finsternis und gedemütigt von der unerbittlichen Forderung, Unglücke, Krieg und Konflikte wahrzunehmen. Sich als kleiner Mensch zu fühlen angesichts der Finsternis, das kann einen überwältigen. Wo sind alle die Weisen und Vernünftigen? Alle die, die Macht und Mittel haben, etwas zu unternehmen? Wo ist Gott?

„Kommt zu mir“, sagt Jesus… und wir kommen. Wir sind auf dem Wege, und wir hoffen…

Vielleicht ist die Hoffnung größer als der Glaube? Jetzt im November.

In diese Hoffnung spricht Jesus zu uns an den letzten Tagen des alten Jahres. An Tagen, wo die Finsternis scheinbar die Macht übernommen hat, kann es schwer sein, daran zu glauben, dass alles schon gut gehen wird.

Was machen wir mit der größeren Hoffnung und dem kleineren Glauben? Jesus sagt, wir sollen nur kommen, wie wir sind. Auch müde und beschwert, gebeugt von der Belastung.

Wir können die Bilder und die Schrecken des Krieges nicht begreifen, wir können nicht genug Sandsäcke füllen um das Meer fernzuhalten, wenn es kommt. Wir können den Regenwald nicht retten… Wir können nur in der Welt sein und unseren kleinen Beitrag im Alltag leisten. Denn es gibt noch immer Arbeit, nur nicht für alles auf einmal. Es muss mit dem gearbeitet werden, was wir haben, mit dem, was gerade an der Hand liegt. Und auch wenn alles nur heiße Luft ist!

Unsere Arbeit soll erprobt werden, sagt Paulus. Feuerprobe! Wir werden schon alles schaffen, wir werden gerettet, schreibt er im selben Atemzug, aber das können wir kaum hören aus lauter Angst vor dem Knistern und Brüllen des Feuers. In der Praxis sieht es so aus, als hätten wir das Feuer auf den Fersen. Seht nur alle die Forderungen nach Erfolg, Glück, Arbeit, Status, Zugänglichkeit, die wir erfüllen wollen. Seht auf die, die ruhen, die nicht mehr mitmachen wollen oder können. Seht wie sie schnell beiseitegeschoben werden, stehengelassen werden von den anderen, die immer weiterwollen. Worum geht es eigentlich? Was ist das für ein Gericht, dem wir uns unterworfen haben? Wem und was haben wir uns schon unterworfen als unmündige Sklaven?

Kommt zu mir, sagt Jesus – ich will euch erquicken… Also runter mit dem Rucksack, mit den Lasten – einen Moment im grünen Gras mit dem Rücken gelehnt an einen von der Sonne gewärmten Stein, ein Schluck vom frischen Wasser, der Blick ruht auf dem Horizont.

Lasst uns von der Hoffnung sprechen.

Hoffnung, die so leicht verwechselt wird mit Bestellung, als wäre es ein Wunschzettel für Weihnachten. Dann ist Hoffnung nur die Erwartung, dass es uns so geht wie wir wollen, eine Art Wunschschloss.

Die Hoffnung ist viel größer als Wünsche und Erwartungen, denn die Hoffnung hat ihre Quelle in der Möglichkeit Gottes, die auch da ist, wo du und ich stöhnen müssen, dass dies ja unmöglich ist! Unerträglich! Die Hoffnung ist kein Werkzeug, das bewirkt, dass wir all das Schwere nur noch eine Weile aushalten können. Jesus spricht nicht von einem solchen Joch.

Nimm dir also Zeit zur Ruhe mit dem Rücken an einem sonnenwarmen Stein, spür wie sich Wärme ausbreitet, das weiche dicke Gras, nimm noch einen Schluck vom frischen Wasser, das guttut.

Sie auf all das, was du mit dir herumschleppst – und wisse, dass du es nicht mit dir von hier wieder mitnehmen kannst. Siehe, nun tauscht Jesus deine Last mit seiner eigenen – die leicht ist, wie er sagt. Er nimmt sich deiner Lasten an, nimmt alles auf sich.

Die Last, die du weitertragen sollst, sind die Lasten der Liebe. Die sind es, die wir für einander tragen, weil das Sinn macht, weil das Herz gerne will, und das macht es leicht, die Last zu tragen. Auch mit einem Lächeln und dem Willen, seine Kräfte zur Verfügung zu stellen, seine Zeit zu opfern, so dass die anderen folgen können oder eine Weile ruhen können.

In der Liebe handeln, dienen und tragen wir füreinander, und es ist eine große Ehre, dass man das darf.

Wir werden stark wie Ochsen durch die Liebe, froh wie frühlingsmuntre Füllen – auch Eselfüllen können ausgelassen vor Freude sein.

Ja, auch die Bürden der Liebe können schwer und anstrengend sein… Die Last, die du von Jesus als Tausch bekamst, ist auch mit dem Kreuz verbunden. Wie kein anderer weiß er, was das bedeutet, nicht anders zu können, keine Wahl zu haben, weil die Liebe uns zwingt, uns weiterzuschleppen für einen anderen, für die anderen…

Nun ist aber der Ort des Kreuzes verbunden mit der Möglichkeit der Auferstehung, mit all dem, was aus der Zukunft kommt, die wir nicht kennen. Die unbekannte Zukunft ist nun gefüllt mit der Möglichkeit Gottes. Auch an dem Tag, wo uns nichts gelingt und wo wir alles falsch machen. Dort, am Ort der Ohnmacht, wird uns klar, dass eine Stärke darin liegt, unmündig zu sein und nicht alles zu können. Gott selbst greift ein und sorgt für die Vollendung der Liebe, auch in dem, was verloren ging, misslang, zerbrochen und gebrochen ist. Er hebt die Scherben auf und heilt – siehe, alles wird neu! Du und ich erkennen das Neue wieder, auch wenn es viel schöner und stärker ist als das, was wir verloren haben. Auch das Neue ist verletzlich…

Verletzlich, wie wir es sind in unserer Menschlichkeit, aber Gott steht dafür ein, dass es hält, dass es trägt. Das Joch ist stark!

Vielleicht lässt die Ruhe am sonnenwarmen Stein im Gras die Tränen noch etwas fließen, wo du deine Müdigkeit und deine Sehnsucht spürst. Da war unterwegs so viel!

Es ist angebracht zu klagen, innerlich und eindringlich zu Gott zu beten, alles vor Christus zu bringen, wie du es erfahren hast und was es mit dir gemacht hat.

Die Klage hängt mit der Hoffnung zusammen! Die leidenschaftliche Klage ist ein Protest gegen die Finsternis. Damit ist die Klage ein Insistieren auf der Möglichkeit Gottes und den Sinn Gottes mit dem Leben, das uns gegeben ist! Die innerliche Klage im Leiden bahnt in ihrer Weise den Weg für das neue Leben, für die Neuschöpfung. Das Klagelied und das Gebet scheiden das Tote, den Ballast in den Lasten aus und legen es in die Hand Gottes.

Erst dann können wir das Neue aus der Hand Gottes empfangen, die leichtere Bürde, das starke Joch, das das Gewicht erleichtert.

Nun sind wir bereit, uns zu erheben und uns zu sammeln, um weiterzugehen. Steh langsam auf, strecke dich aus und empor, ehe du die Last auf dich nimmst. Deine neue Bürde, die dein Leben ist mit all der Liebe, die ihm Sinn gibt, und mit all der Sehnsucht, die es wert ist, weiter zu wandeln zur Hoffnung auf mehr, der Hoffnung, zu der Gott in seiner Verheißung steht. Die Hoffnung voll von Zukunft und unbekannter Möglichkeit, wo du nur sicher sein kannst in einer Sache: Dass sie gut ist, ganz gleich wie sie ist und was sie bringt. Dein Leben, dein Beitrag bedeutet etwas, der morgige Tag hat Wert und macht einen Unterschied in Bezug auf den großen Horizont der vollkommenen Liebe, die uns umfängt.

Du und ich können getrost weiterwandern in einem ständigen und bleibenden Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung im Großen wie im Kleinen, im Wissen über unsere Lage in der Natur als ein kleiner Teil des großen Horizonts. Wir können in Verbundenheit unseren Weg gehen.

Diese Weisheit sollte unser Herz wohl demütig machen, so dass wir als sanftmütige Diener den Dienst am großen Mysterium aufnehmen: Dass wir existieren! Dass Gott uns mitten in seine Liebe gestellt hat und will, dass wir in allem leben, was ist. Amen.

Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen

DK 4930 Maribo

Email: amnm(at)km.dk