Matthäus 13,44-46

· by predigten · in 01) Matthäus / Matthew, 9. So. n. Trinitatis, Aktuelle (de), Beitragende, Bibel, Deutsch, Hansjörg Biener, Kapitel 13 / Chapter 13, Kasus, Neues Testament, Predigten / Sermons

9. So. n. Trinitatis | 28.07.2024 | Mt 13,44-46 | Hansjörg Biener |

Jesus erzählte einmal zwei Gleichnisse über das Reich Gottes, mit dem alles gut wird:

„Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg;

und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte,

und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“

(Mt. 13,44-46)

Jesus erzählt von zwei Männern, die zugegriffen haben, als es wichtig war, und vergleicht das mit dem Kommen des Himmelreichs. Übersetzt: Die beiden Männer haben gehandelt, als sich ihnen die Chance ihres Lebens bot. Genauso sollen wir zugreifen, wenn uns „das Himmelreich“ angeboten wird. Was immer das Reich Gottes ist. Mehr dazu später.

Ich habe die Fantasie in mir geweckt und möchte Ihnen zunächst die beiden Männer vorstellen. Auf der einen Seite der Landmann in seiner einfachen Kleidung, der zufällig einen Schatz gefunden hat; auf der anderen Seite der weit gereiste, weltgewandte Kaufmann, dessen Suche nach schönen Perlen sich in der schönsten vollendet hat. Hören wir als ersten den Tagelöhner, dem die Erde seine Arbeit gelohnt hat.

Die Stimme eines einfachen Mannes

»Ich bin immer ein einfacher Mann gewesen. Ich habe nur einen kleinen Gemüsegarten rund ums Haus. Der gibt mir zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Ich musste immer dazuverdienen. Unbedingt. [Pause] Es ist ein Elend. Morgens mit anderen am Dorfplatz warten. Hat jemand was für dich? Wenn’s gut kommt, kommt ein Gutsverwalter und hat Arbeit. Einen Acker umgraben. Oder man räumt einen Weinberg auf. Alle rufen durcheinander und bedrängen den Mann: „Nimm mich!“ [Pause] Und wennste Pech hast, werden andere genommen. Dann stehste da, wie bestellt und nicht abgeholt. Und man traut sich ja auch nicht weg. Vielleicht kommt noch wer. Vielleicht bekommste von dem was zu tun.

Ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was das heißt. Am Morgen nicht wissen, was man am Abend hat. [Pause] Ich habe manchmal versucht, mir vorzustellen, wie das wär, wenn ich einmal reich wär. Wenigstens ein Stück Land, das mehr ist als ein Gemüsegarten. Ich hab versucht, dafür zu sparen. Aber das ist nicht einfach, wennste mal Arbeit hast und mal nicht. [Pause] Und dann kam der Tag, wo ich die alten Münzen gefunden habe. Ich mein: Es war ja schon toll, dass ich was zu tun hatte. Und wie ich so den Boden hack, da knirscht’s. Ich schau hin. Und ich hab den Tonkrug gesehen, den ich kaputtgemacht habe, und die Münzen. Das ist mir durch und durch gegangen. Ich hab am ganzen Leib gezittert. So eine Aufregung. Natürlich hab ich schon gehört, dass einer einen Schatz findet. Reiche vergraben schon mal was. Aus Angst vor Räubern und Dieben.

Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen. Sie haben bestimmt ein Konto auf der Bank, aber so was gibt es bei uns nicht. Das Loch, das war jetzt meine „Bank“. Bei uns heißt‘s: Wer einen Schatz findet, dem gehört er auch. Das war jetzt meine Gelegenheit. Ich hab den Schatz ausgebuddelt und woanders vergraben. Ich mein: Bestimmt ist der Besitzer längst tot; sonst hätte er den Schatz längst wieder geholt. Aber ich wollte ganz sichergehen. Ich mein: Das fällt ja auf, wennste plötzlich alte Münzen vorzeigst. Und wennste sagst, du hast sie bei der Arbeit gefunden, dann kommt der Besitzer von dem Acker und behauptet, das ist sein Geld. Also habe ich alles zusammengekratzt, damit ich meine „Bank“ auch kaufen kann. Aber das war jetzt wichtig. So eine Chance haste nur einmal.

Dann bin ich zu dem Besitzer von dem Acker. Ich hab ihm gesagt: Ich hab was gespart. Ich will mir endlich einen eigenen Acker kaufen. Ob er mir vielleicht das Stück gibt, wo ich schon gearbeitet hatte. Und dann hab ich mit dem verhandelt. [Pause] Der hat mich bis aufs letzte Hemd ausgezogen, aber dann hatte ich den Acker. Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen. Ich bin ein Leben lang ein einfacher Mann gewesen, aber da musste ich einfach zugreifen. So eine Chance haste nur einmal im Leben.«

Ein Tagelöhner, dem die Erde seine Arbeit gelohnt hat. Mit Schweiß hat er bisher sein Brot gegessen; nun hat er die Chance seines Lebens genutzt. Wir mögen zweifeln, ob seine Taktik so in Ordnung war. In den meisten deutschen Bundesländern ist es Unterschlagung, wenn man einen Fund nicht meldet und beim Staat abgibt. Nach damaligem Recht war in Ordnung, was er getan hat.

Hören wir nun das Zeugnis des anderen Mannes, der als Perlenhändler eine Perle fand, die dem Händler für immer blieb.

Ein Mann im Dienst der Perlen

»Ich bin Perlenhändler von Beruf. Für mich ist das aber nicht einfach ein Beruf. Es ist eine Berufung! Ich glaube, man kann nur dann ein guter Perlenhändler sein, wenn man Perlen liebt. Man muss sich an ihrem Glanz erfreuen und man muss wollen, dass sie in Schmuck verarbeitet noch mehr glänzen können.

Manche Perle hätte ich fast selbst behalten. [Pause] Ich denke, das beweist die Qualität der Perlen, die ich kaufe und verkaufe. Zu meinen Kunden gehören nur erste Adressen. Da braucht man Stil und ein erstklassiges Sortiment. Es ist ja nicht so einfach, Fürsten und Grundbesitzer zufriedenzustellen. Darum habe ich immer eine exquisite Auswahl dabei. Durch meine Reisen und weltweiten Kontakte kann ich das auch sicherstellen.

Leider kann man zu meiner Zeit nicht so angenehm reisen wie zu Ihrer. Reisen ist beschwerlich und gefährlich. Hitze, Kälte. Unzuverlässige Führer, schlechte Dolmetscher, Räuber. Da geht man ein großes Risiko für Leib und Leben ein. Manchmal habe ich mich gefragt, ob es das alles wert ist. Das Geld, das einem durch die Hände fließt, belohnt ja nicht. Es entschädigt nicht für die Mühen und Gefahren, die man im Dienst der Perlen auf sich nimmt.

Eines Tages habe ich dann die Perle meines Lebens gefunden. Viele gute Stücke sind schon durch meine Hände gegangen. Aber diese Perle erschien mir wertvoll wie keine. [Pause] Das ist, als ob dein ganzes Leben in dieser Perle zusammenkommt. Ein Leben lang auf der Suche, aber nun: Gefunden! Deshalb bin ich auch ein Risiko eingegangen wie nie zuvor. Ich habe alles, was ich dabei hatte, verkauft und für diese Perle gegeben. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen. Aber man gönnt sich ja sonst nichts.«

Zugreifen, wenn es nötig ist

Die beiden Männer haben zugegriffen, als es wirklich wichtig war. Der Tagelöhner hatte bisher beackert, was nicht sein war; nun war ein Acker sein. Und der Perlenhändler bekam die Perle, die nicht mehr weiterzuverkaufen war. Alles, was er bisher gesucht und getan hat, kommt in dieser Perle zusammen. Nicht mehr „kaufen und verkaufen“, sondern „haben“. Beide haben bekommen, was sie immer gewollt haben. Ihr Leben hat sich damit auf eine gewisse Weise erfüllt. Es wäre schön, wenn auch unsere Lebensthemen auf so eine Weise eines Tages ihren Frieden finden.

Jesus hat diese Geschichten aber nicht allein wegen der beiden Männer erzählt. Es geht Jesus um den Vergleich mit dem Himmelreich, denn es geht ihm um das Finden Gottes. Das Himmelreich ist nicht nur jener Moment, wenn man sich fühlt „wie im Himmel“, weil man einen Schatz gefunden hat oder eine Perle. Das von Jesus Christus verkündigte Himmelreich umfasst mehr. Es verbindet Zeiten und Orte, in denen wir unser Glück finden, mit einer Zeit und einem Ort jenseits unserer bisherigen Erfahrung, die unser Glück ist.

So wie die beiden Männer zugriffen, als es wichtig war, sollen wir zugreifen, wenn wir von Gott hören. Und es ist wie in dem Gleichnis, wo der eine zufällig sein Lebensglück bei der Arbeit im Ackerboden findet und der Perlensucher in einer Perle, die er einfach für sich behalten muss. Gott begegnet jedem so, wie er oder sie es braucht.

Auch Dir das Reich Gottes

Wir alle wissen, dass Gott mehr ist, als menschliches Reden erfassen kann. Genau deshalb ist er aber auch wichtig, wenn unser Leben gelingen soll. Er ist Licht, aber mehr. Er ist Gemeinschaft, aber mehr. Heilung, Zustimmung, Ruhe, Friede, aber mehr. Wir können von Gott und seiner Welt nicht anders als in Bildern reden, so wie es ja auch Jesus gemacht hat. Darum in der Nachfolge Jesu ein paar Aktualisierungen der beiden Gleichnisse für heute:

Nehmen wir die junge Frau, die von Job zu Job lebt und viel umzieht. Manche mögen das. Anderen aber wird es schwer, dass sie noch nirgendwo „angekommen“ sind. Ein Sprichwort lautet: „Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt.“ Damit sind Umzugskosten und Beschädigungen gemeint. Ich denke aber auch an die Menschen, die man zurücklässt und irgendwann verliert, und an die Preise, die man zahlt, wenn man neue Freunde und „Lebensabschnittspartnerschaften“ finden muss. Jesus stellt ihr eine himmlische Heimat vor Augen. Er bietet eine Wohngemeinschaft mit Gott als Ziel der Lebensreise an. Wer hier von Wohnung zu Wohnung zieht, soll dort Ruhe finden. Endlich angekommen! Und vielleicht wird mit dieser Aussicht das Leben etwas weniger rastlos. Glücklicherweise findet sich an vielen Orten ein Gotteshaus, wo man Rast machen kann, und hoffentlich auch eine Gemeinde, die zu einem passt.

Man kann sich aber auch zu gut in seinen irdischen Gütern einrichten. Keller und Dachboden sind voll – und die Garage ist es auch. Von so viel Unnötigem und Vergessenem hat man sich noch nicht getrennt. Diese Leute ruft Jesus auf, sich auf einen Umzug in den Himmel vorzubereiten. Bei diesem Umzug zählt dann nicht, was man auf Erden angesammelt hat. Was wirklich von einem Leben bleibt, sind die „Schätze im Himmel“, also die Dankbarkeit der Menschen, dass es Dich gegeben hat.

Dem Mann, der „cool“ bis „zynisch“ von allem Distanz hält, tritt Jesus selber zu nahe. Er befragt ihn auf die Nächstenliebe und den Sinn seines einsamen Lebens. Und es mag sein, dass der Mann mit Gott im Herzen auch anderen sein Herz schenken kann. Als letztes Beispiel die Frau, die ständig tut und macht und sich nach Kräften unentbehrlich macht. Sie wird lernen, dass sie für Gott nichts tun kann, wohl aber er für sie. Denn da gibt es etwas, das wir von uns aus nicht erringen können: die Gemeinschaft mit Gott. Sie ist Gottes freie Gabe, die unser Leben aus aller Zwanghaftigkeit befreit und uns zu freien Menschen im Einflussbereich des kommenden Gottesreichs macht.

Zusammengefasst: Gott sucht uns dort, wo die ganz persönliche Lebenslust und Lebenslast ist. So wie die beiden Männer zugriffen, als es wirklich wichtig war, sollen wir reagieren, wenn wir die gute Nachricht über Gott hören. „Willst du da nicht zugreifen?“ Wer diesen Schatz in seinem Lebensacker findet, soll sich das Eigentum daran sichern. Und wer einmal im Glanz dieser Perle gestanden hat, dem werden alle anderen Perlen des Lebens zweite Wahl und man kann sie gerne eintauschen.

Amen.

Dr. Hansjörg Biener (*1961) ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und als Religionslehrer an der Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg tätig. Außerdem ist er außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (Hansjoerg.Biener (at) fau.de)

allgemeine Anmerkung

Religionsunterricht zu erteilen, schärft das Problembewusstsein für die (Un-)Verständlichkeit der Bibel. Das Gleichnis von der Perle wird in etwa verstehbar, wenn der Händler alles verkauft, was er an Ware dabeihat. Andernfalls wäre er zwar Besitzer der wertvollen Perle, aber sonst völlig mittellos und nicht überlebensfähig. Beim Schatz im Acker ergeben sich einige Fragen mehr. „Wieso macht sich der Mann, der den Schatz zufällig findet, auf einem fremden Acker zu schaffen?“ Ein Tagelöhner? Völlig mittellos darf man ihn sich aber auch nicht vorstellen, denn er kann ja eine Summe aufbringen, um den Acker zu kaufen. „Wieso wird niemand misstrauisch, wenn er ‚alles‘ verkauft, aber unbedingt diesen Acker haben will?“ „Was sagt denn seine Frau dazu, dass er ‚alles‘ verkauft?“ Da man Gleichnisse zerstört, wenn man sie erklärt, wurde versucht, Plausibilisierungen und sozialgeschichtliche Informationen in Erzählungen zu verpacken.

Literaturhinweis zur Exegese:

Müller, Peter: Die Freude des Findens (Vom Schatz im Acker und von der Perle). Mt 13,44.45f, in: Zimmermann, Reuben, u. a. (Hrsg.): Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2007, S. 420-428.

Literaturhinweis zur Sozialgeschichte

Stegemann, Ekkehard und Wolfgang: Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christengemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart u. a.: Kohlhammer, 1995, S. 106-107:

„FIENSY hat in einer sorgfältigen Analyse der Quellen (insbesondere Josephus, rabbinische Literatur und das Neue Testament, ferner archäologische Evidenzen) eine Übersicht über mittleren und großen Landbesitz in Palästina während der herodianischen Zeit erstellt. Er unterscheidet zwischen königlichem und aristokratischem Großgrundbesitz. Unter den nichtherodianischen Großgrundbesitzern lassen sich auch eine Reihe von priesterlichen Familien namhaft machen. […]

FIENSY teilt (mit DOHR) folgendermaßen ein:

  1. Kleine Betriebe (10-80 iugera = ca. 2,5-20 ha)
  2. Mittlere Betriebe (80-500 iugera = ca. 20-125 ha)
  3. Große Betriebe (über 500 iugera = über 125 ha).

Als Ergebnis seiner Analyse faßt FENSY zusammen, daß großer und mittelgroßer Landbesitz – d.h. Besitz, der groß genug ist, daß man nicht selbst auf ihm zu arbeiten braucht, sondern Pächter, Tagelöhner und Sklaven für ihn anheuern muß – weit verstreut war. […]

106/107

Offen muß bleiben, wie das Verhältnis von Pächtern und freien Kleinbauern in römischer Zeit insgesamt gewesen ist. Waren diese noch in der Mehrheit oder waren es schon jene? Doch selbst wenn die Kleinbauern noch in der Überzahl gewesen sein sollten, muß man doch mit FIENSY annehmen, daß das von Herodes bzw. seinen Nachfolgern und den Oberschichten kontrollierte Land die Wirtschaft in Palästina nicht unbedeutend beeinflußt hat. […]

Die ökonomischen Veränderungen in Palästina seit der römischen Vorherrschaft lassen sich daher mit APPLEBAUM als „akuter Mangel an Boden, d.h. als Verknappung der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche pro Kopf der Bevölkerung charakterisieren. Immer mehr Menschen mußten von immer weniger Boden ihr Leben fristen. Die Folge davon war, daß die traditionellen Siedlungsformen aufgelöst wurden. Obwohl die Fläche des kultivierten Bodens immer weiter ausgedehnt wurde, bearbeiteten immer mehr Kleinbauern immer weniger Land. Zugleich engten Konfiskationen und drückende Abgabenlast den Spielraum zur Selbstbehauptung ein, so daß auch immer mehr Kleinbauern ihr Land verloren. Verschuldung und Enteignung der Kleinbauern sind daher das Kennzeichen dieser römischen Epoche.“