Matthäus 15,21-28

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Liebe ist nicht konsequent, sie überwindet stets Grenzen | Reminiszere | 16.03.2025 | Mt 15,21-28 (dänische Perikopenordnung) | Leise Christensen |

Zurzeit diskutiert man in Dänemark die Frage, was die christliche Taufe eigentlich ist: Was bedeutet es, wenn ein Kind getauft wird? Ist es schon ein Kind Gottes vor der Taufe, oder wird es erst ein Kind Gottes in der Taufe, so wie es im einleitenden Gebet in der dänischen Taufliturgie heißt? Wenn man das lutherische Bekenntnis betrachtet, das unserer Volkskirche zugrunde liegt, besteht kaum ein Zweifel: Das Kind wird ein Kind Gottes in der Taufe und jedenfalls nicht vorher. Luther spricht in recht harten Worten in dieser Hinsicht. Mancherorts in der Volkskirche wird das Bekenntnis als eine Art Heugabel benutzt, mit der man Leuten nachstellen kann, die versehentlich etwas anderes meinen als das, was das Bekenntnis z.B. in Bezug auf die Taufe erlaubt.

Jesus lebte auch mit einer Art Bekenntnis. Es war das Bekenntnis, das ihm sagte, dass er als Erlöser nur zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israels gesandt sei und nicht zu allen möglichen anderen Menschen. Nimm z.B. die verhassten Kanaanäer, mit denen ein ordentlicher Mensch bestimmt nichts zu tun haben wollte und von denen das Gesetz und das Bekenntnis außerdem sagte, dass sie schlimme Leute seien, mit denen man nicht verkehren sollte oder denen man gar helfen sollte. Als nun die kanaanäische Frau schreiend um die Ecke kam und Jesus darum bat, ihrer Tochter zu helfen, ignorierte er sie und war damit in Übereinstimmung mit dem Bekenntnis. Drei Mal versucht sie, Jesus dazu zu bringen, etwas zu tun – ja so sind Mütter, wenn das Kind in Not ist – und da wollte er sich dann doch nicht verweigern – mit oder ohne Bekenntnis im Rücken. Das tat er ja aus einem einzigen Grund, nämlich aus Liebe. Wenn seine wahre Natur Liebe ist, kann er natürlich nicht an einem leidenden Menschen vorübergehen, an einer ängstlichen inständig bittenden Mutter.

Ich finde, dies hier ist eine sehr wesentliche Erzählung, die wir heute hören. Sie ist wesentlich, weil wir nicht hier in der Kirche säßen, wenn Jesus nicht trotz des Bekenntnisses einer heidnischen Mutter geholfen hätte. Dann wäre das Christentum nie in unsere Gegend der Welt gekommen. Und dass ist die Geschichte wesentlich, weil sie ein Beitrag ist zu der aktuellen Diskussion über die Taufe. Natürlich wird man ein Kind Gottes in der Taufe. Mit diesem Trost und in dieser Gewissheit kann man sein ganzes Leben leben. Aber dass ich weiß, dass ich ein Kind Gottes bin, weil ich getauft bin, sagt ja nichts darüber, was die anderen sind, die nicht getauft sind. Ich glaube, Luther ist zu kategorisch in dieser Beziehung. Die Taufe hat den Sinn, dass der getaufte Mensch weiß, dass er oder sie Gott gehört, nicht dass Gott sehen kann, dass das hier eines seiner Kinder ist. Das ist Sache Gottes und nicht notwendigerweise offenbar für uns. Die Taufe ist da um des Menschen willen und nicht für Gott. Ich denke, dass wir dies aus dem heutigen Evangelium lernen können. Die Taufe verändert nicht Gott in seinem Verhältnis zu seinem Geschöpf, sondern sie verändert den Getauften, der im Glauben und Vertrauen zum Willen Gottes leben kann. Denn dieser Wille ist Liebe, selbst zu denen, die die Lehre oder das Bekenntnis nicht akzeptieren wollen wie z.B. die kanaanäische Frau. Lasst uns die Heugabel fortlegen und uns damit zufriedengeben, dass die Liebe Gottes – manchmal zu unserer Überraschung – viel größer und stärker ist als gewisse Prinzipien, auf die man sich stützen will. Liebe passt nicht zusammen mit Konsequenz, denn sie geht immer weit über Grenzen. Amen.


Pastorin Leise Christensen

DK 8200 Aarhus N

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