
Matthäus 16,13-19
Schlüsselszenen eines höchst Begnadeten | Pfingstmontag | 09.06.25 | Mt 16,13-19 | Markus Kreis |
Sanft drückt es ihn ins Offene wie einen Schirmflieger im Wind. Der Mann geht seine Tour unter Sonnenblau von Stadt zu Stadt in einem Land mit Grassteppen, Büschen und Bäumen, über das Ocker von Wüste und Bergen oder entlang des Laufs von Gewässern. Wieder eine Rundreise, die er sich traut. Sein erster Aufbruch damals hatte sich, obwohl eine für ihn sehr gewagte Jungfernfahrt, als von Erfolg gekrönt gezeigt. Seine Spur wendet sich von der Küste eines Binnensees weg in den Süden des Landes und steigt an. Am liebsten will er gleich nach diesem Besuch zurück in seine Heimat, dort seiner Aufgabe nachgehen. Aber als ob ihm verwehrt sei, die einmal erreichte Höhe zu verlassen, geht er nun über das Hochland Richtung Süden, einmal mehr in die Hauptstadt. Wenn es läuft, dann läuft es! Auch dort liefen ihm, dem Landei, Menschen zu. Die Städter hören auf ihn, auf seine Reden und seine Ratschläge, bewundern seine Taten. Die Mitstreiter, die er jüngst in der Hauptstadt gewonnen hatte, die brauchen ihn, denen muss er beistehen. Die werden doch verfolgt, bedroht und bekämpft. Ein paar mussten sogar schon sterben, und doch bleiben die neuen Leute meist bei seiner Sache und ihr treu. Da kann er doch nicht so tun, als wär´ nix und einfach zu Hause bleiben – obwohl ihm das ehrlich gesagt am liebsten wäre.
In der Hauptstadt wird er zweimal angegangen. Einmal von den eigenen Anhängern, zum Glück nur in Diskussion und Gespräch. Die werfen ihm vor, zu eng mit gewissen Leuten geworden zu sein, deren Umgang man besser meiden soll. Er kann ihnen klar machen, dass das durchaus im Sinne Gottes geschehen ist. Ja, dass Gott ihm zu diesem Thema extra eine Himmelsschau gegönnt hat – die er natürlich auch diesen seinen Leuten schildert. Im zweiten Fall sieht es anders aus. Er kriegt von höchster Stelle gewaltige Probleme, findet sich unversehens im Gefängnis wieder. Der dortige Herrscher hat nämlich Blut geleckt. Hat gemerkt, dass er mit dem Blut von Christen politisch an Boden gewinnt. Ganz ohne Prozess und Verhandlung, geschweige denn Anhörung. Obwohl der Staat dieser Gegend für sein gutes Rechtswesen bekannt war. Nur ja keine Zeugen! Vielleicht nimmt man es deshalb besonders genau mit den Pflichten. Und lässt ihn von vier Trupps zu je vier Mann bewachen, dazu ab in die hinterste Zelle. Dort mit zwei Ketten gefesselt und mit zwei Bewachern an beiden Seiten, und wiederum zwei halten Wache vor der Zellentür. Von wegen, wenn es läuft, dann läuft es! Nichts geht mehr, Pustekuchen!
Mit Einschlafen wird das wohl nix, zu unbequem und ungewohnt, hier zu liegen – und dazu noch gerahmt von zwei Wachmännern. Leon wälzt sich hin und her, so gut das eben geht und fixiert, wie er ist. Eine Melodie kommt ihm in den Sinn. Er summt mit aneinander gepressten Lippen vor sich hin, vielleicht hilft das ja, um runterzukommen. Er gerät darüber ins Dämmern. Plötzlich schreckt er hoch, diffus leuchtet es in der Zelle. Und ein neuer und Dritter steht in der Zelle über ihm, beugt sich zu seinem Ohr und meint: Steh auf, wir gehen. Leon glaubt sich verhört zu haben. Oder befindet er sich in einem Traum. Und das, was er sieht, geschieht außerhalb der wirklichen Welt, nur in seinem Gehirn. Der Mensch nickt ihm aufmunternd zu. Und als wär‘ er dessen Marionette, folgte Leon schließlich seinem Puppenspieler. Als er sich aufrichtet, merkt er, dass die Ketten ihn freigeben und er sie also irgendwie losgeworden sein muß. Richte Deine Kleidung und ziehe Deine Schuhe an, sagt der Neue. Schlüpfe auch gleich in deinen Mantel und dann folge mir. Aber leise! Der fremde Mensch hält seinen rechten Zeigefinger hochkant aufgerichtet an seine Lippen.
Traum oder Wirklichkeit? Beim Schleichen durch die Gänge schießt es Leon durch den Kopf. Es gibt ja immer Sachen, die genau da sind, wo sie eigentlich auf keinen Fall sein sollen. Feuerwerk im Stadion zum Beispiel. Offiziell ist der Verein und natürlich seine Führung dagegen. Aber wie durch ein Wunder und allen Kontrollen beim Eintritt zum Trotz – die Ultras kriegen es immer fertig, was rein zu schmuggeln. Und ziehen dann ihre Pyroshow ab. Auch vom Gefängnis kennt man das ja, werden dort doch z.B. Drogen gehandelt oder noch härtere Waren. Es passieren darin auch noch andere Sachen, die laut Knastordnung nicht nur nicht vorgesehen, sondern sogar ausdrücklich verboten sind – und da ist von Ausbrüchen gar nicht die Rede. Es muß sich jemand gefunden haben, der sich auskennt und Ordnung samt Kontrolle hintergeht und überlistet. Besucher oder Wärter oder Fachkräfte, die von außen kommen oder wer und was auch immer. Trotzdem merkwürdig das alles! Leon wiegt kurz und heftig sein Haupt. Erfüllter Traum oder nur ein Alptraum? Fast sehnt er sich in die Zelle zurück, da sind die Verhältnisse nämlich schön einfach und klar. Indessen passieren sie den ersten und zweiten Wachposten, auch das letzte Tor zur Stadt lässt sich ohne Probleme öffnen. Dahinter laufen sie den Gehweg entlang und biegen bei der ersten Querstraße um die Ecke. Als Leon gleich danach in die Flucht dieser Gasse blickt, ist sein Begleiter verschwunden.
Jetzt muß der Traum doch aufhören! Er steht immer noch allein am Rand der Gasse im Dunkeln. Er kneift sich, erst in den Unterarm und dann in die Brust. Aus der Traum vom Traum. Aber immer noch fühlt er sich am selben Platze, wenn auch im Dunkeln. Leon besinnt sich. Ein Traum, weil kein Traum, er ist tatsächlich frei. Was nun? – Schnell untertauchen, klar! Am besten bei jemandem von seinen Leuten. Bald danach weiß er, was er will und vorhat. Und geht zum Haus der Marie, der Mutter von Jan. Die werden überrascht sein, wenn er da so plötzlich vor ihnen auftaucht, statt im Gefängnis zu schmoren. Die Freude wird groß sein. Groß genug jedenfalls, so dass ihnen nur am Rand in den Kopf kommt: Wir sind ja Mittäter, falls man dem Flüchtling auf die Spur kommt und ihn fasst. Seine Gedanken springen weiter. Wer weiß, was das für ein Typ war, der junge Mensch, der ihn da aus dem Knast hinaus gelotst hat. Vielleicht ein Doppelagent. Um noch mehr Leute von ihm zu fassen zu kriegen. Aber das bekümmert seinen Kopf nur wenig länger als die Frist, die er veranschlagt für das Sorgen im Kopf seiner Leute um eine Anklage wegen Mittäterschaft.
Und wieder öffnet sich ihm eine fremde Welt und wieder verschließt sich ihm eine vertraute. Eine fremde Welt öffnet sich ihm, als er aus der Zwinghaft überraschend befreit worden ist. Und Vertrautes verschließt sich ihm, als er sich auf das Wirken Gottes in dieser Sache keinen Reim zu machen weiß. Ähnliches passiert ihm im Haus der Marie. Dass ihm dort die Aufnahme verweigert werden würde, das liegt außerhalb seines Sinnens und Denkens. Aber so trägt es sich zu. Leon schlägt am Hoftor seiner Leute den Schlegel auf die Eisenplatte, um sich bemerkbar zu machen und um Einlass zu bekommen. Darauf wird eine Servicekraft zum Tor geschickt, um zu hören, wer da was begehre. Und als diese die Stimme von Leon hört und erkennt, läuft sie ganz aufgeregt wieder zurück ins Haus und berichtet, dass er draußen vor der Tür stehe. Als die Leute das hören, halten sie die Frau für durchgedreht und plemplem. Und als sie sich dagegen verwahrt und darauf besteht, dass sie die Wahrheit sagt, tun sie das wiederum ab und spotten, dass der da draußen wohl sein Engel sein muss. Leon aber klopft draußen weiter an, leicht verzweifelt und angefressen zugleich. Schließlich gehen einige zum Tor, öffnen es, reißen die Augen auf und staunen nicht schlecht. Peinlich berührt tuscheln sie aufgeregt durcheinander. Und überspielen so vielleicht, was sie insgeheim erwarten: Nämlich von ihm ordentlich in Harnisch gestellt zu werden, weil sie das Wunder seiner Befreiung und seines Hierseins so freiweg von der Hand gewiesen und hartnäckig abgewehrt haben.
Szenenwechsel. Drinnen hebt Leon seine Hand und bedeutet ihnen zu schweigen. Und dann erzählt er, was ihm im Gefängnis widerfahren ist. Die Strafpredigt lässt er ganz wegfallen. Und er erklärt auch warum. Schließlich ist es ihm bei seiner Flucht aus dem Gefängnis ähnlich ergangen wie ihnen mit seiner Befreiung. Unterwegs aus dem Bau hat er doch sehr lange gefragt und gezweifelt: Wenn sich mir verschlossene Türen wie durch ein Wunder öffnen – erlebe ich da einen erfüllten Traum? Oder einen Alptraum, der mit einem bösen Erwachen endet? Und dem weiteren Entzug von Freiheit? Da kann er ihnen wegen ihrer falschen Erwartung kaum ernsthaft böse sein. Jeder von ihnen, der vorher ernsthaft Leons Freilassung behauptet hätte, dem hätten doch die anderen den Respekt entzogen. Ja sogar die Vernunft dessen in Abrede gestellt, der das behauptet. Und doch ist das Unmögliche wahr geworden. Mit der Zeit bringt sich Gott immer wieder ins Spiel. Weder Leon noch die Seinen wissen immer, sich auf das gute Wirken Gottes einen rechten Reim zu machen. Aber wie durch ein Wunder geschieht es doch. Manchmal ganz schön Nerven aufreibend und anstrengend, die gute Sache. Das auf und ab, das hin und her, das ist ihm inzwischen vertraut und kaum mehr fremd. Und doch sehnt sich Leon in die Ruhe seiner Heimat zurück. Da war alles so einfach und klar geordnet, als er von dort aufgebrochen ist. Amen.
13 Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? 14 Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten. 15 Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? 16 Da antwortete Simon Petrus und sprach: „Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ 17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. 18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. 19 Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.
Markus Kreis
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