
Matthäus 16,13-36
Der Schlüssel zu Gott und zum Mitmenschen | 5. Sonntag nach Trinitatis | 30.06.2024 | Mt 16,13-36 (dänische Perikopenordnung) | Poul Joachim Stender |
Da gab es Mädchen in meiner Jugend, die hatten einen undurchdringlichen Firewall. Ich kam mit Witzen, ließ mich von der Sonne bräunen, um gut auszusehen. Aber ich hatte keinen Schlüssel zu 99,9% von ihnen. Wenn ich die Mädchen fragte: „Was ist dein Code? Was ist der Schlüssel zu dir?“ machte das alles nur schlimmer. So ist es noch immer mit unserem Verhältnis zu unseren Mitmenschen. Wir haben keinen Pin-code oder eine Karte, um die Menschen aufzuschließen. Man kann versuchen, ob man den Firewall zu einem Mitmenschen durchbrechen kann mit Höflichkeit oder Bildung oder einem Lächeln. Aber das wird nicht immer gelingen. Jesus sagt im heutigen Text zu Petrus: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“. Wenn man nur solch einen Schlüssel hätte. Aber andererseits haben wir als Menschen auch Macht zu binden und zu lösen.
Wir sind imstande, unsere Mitmenschen auszuschließen. Sei ein Schwein. Sei ungebildet. Rede hässlich. Du hast sie ausgeschlossen. Bildung, Anstand, Charme, Mut, neue Sicht auf das Leben. Wir haben die Schlüssel, einander einzubinden und aufzuschließen. Jesus kam in die Welt, um uns eine Art Code zu geben, mit dem wir in den Himmel und zu einander kommen. Das klingt banal. Aber der Glaube an Jesus als den lebendigen Sohn Gottes ist der Schlüssel zum Himmelreich, und die Liebe, die er uns gab, ist der Schlüssel zu unseren Mitmenschen.
Jesus fragt die Jünger, wer er ist. Wir haben den lieben Gott abgewertet mit den Antworten, die wir heute geben. Wir haben Jesus zu einem netten Mann gemacht, einem großen Denker, einem Beispiel für die Liebe. Und natürlich ist er das. Aber vor allem ist er Gott selbst. Nichts ist so unfassbar, so groß, so unkontrollierbar, so undefinierbar wie Gott. Als er fragt, wer er ist, sagt Petrus sehr genau das, was wir nur zögernd bekennen: „Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn“. Besser und treffender kann man das nicht sagen. Unsere Volkskirche beruht auf diesem Bekenntnis. Unsere Grundlage ist nicht eine grüne Kirche oder Umwelt oder ein gutes Arbeitsmilieu. Die Grundlage ist das Bekenntnis: „Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn“. Wir dürfen deshalb nicht vergessen, dass wir Kirche sind, um zu verkünden, dass Jesus der Sohn des lebendigen Gottes ist. Das ist nicht ein toter Gott, eine Statue, ein goldenes Kalb, das wir anbeten. Wir beten zu einem lebendigen Gott, und wenn wir einen lebendigen Gott haben, sollen wir Menschen auch lebendig sein und keine vertrockneten Mumien, Stockfische, die nur an Geld, Karriere oder Pension denken.
Nachdem Petrus gesagt hat, wer Jesus ist, sagt Jesus zu Petrus: „Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“! Und da stand Petrus. Klein und verletzlich neben den enormen starken soliden Felsen bei Cäsarea Philippi. Sollte unsere christliche Kirche auf etwas so Wackeligem und Beugsamem wie ihm beruhen? Der Stein, der von Jesus Grab rollte, war ein Rollstein. Der rollte weg vom Tode und schuf neues Leben für Jesus und damit für uns alle. Und wenn Jesus bei Cäsarea Philippi eine Kirche auf Petrus bauen wollte, so deshalb, weil seine Kirche in Bewegung sein soll, neues Leben schaffen soll, sie soll rollen können, sie soll immer unterwegs sein in Richtung auf mehr Liebe, mehr Mitmenschlichkeit, mehr Kontakt zu Gott. Und wir Christen sollen auch Rollsteine sein. Nicht in dem Sinne, dass wir offensein sollen für alles und dem kleinsten Wind nachgeben. Vielmehr soll Jesus Christus, der Sohn Gottes, uns mit seinem Wort in Bewegung setzen können zu ihm und zueinander. Wir sind die rollende Kirche – die rollenden Christen – immer auf dem Wege zu Gott, zueinander, zu Frieden, zu Liebe.
Was ist das Höchste, was ein Mensch erlangen kann? Ist es Wissen? Tugend? Güte? Schönheit? Sieg? Da ist etwas, was höher und mächtiger ist. Ehrerbietung. Nichts ist so groß wie Ehrerbietung, die entsteht, weil wir verstanden haben, dass das Leben ein Geschenk ist. Das Leben gehört nicht uns. Es gehört Gott. Und wahrlich, wir haben das Leben anderer Menschen in unseren Händen. Ich bin es, der das Leben meines Mitmenschen in der Hand hat. Und wenn wir vor einem anderen Menschen stehen, erfüllt uns Ehrerbietung. Dieser Mensch ist im Bilde Gottes geschaffen. Wir sind nicht wie die Felsen von Cäsarea Philippi. Wir sind wie der Fels Simon Petrus. In Ehrerbietung für das Leben, das uns Gott gegeben hat, können wir Meinungen und Einstellungen sowohl als Kirche als auch als Menschen ändern, wenn uns das in Bewegung setzt zu Gott und zueinander, zu Liebe und Frieden.
Gott befohlen. Amen.
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Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
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