Matthäus 17,1–9

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Der große Augenblick – und die Wirklichkeit des Alltags | Letzter Sonntag nach Epiphanias | 09.02.2025 | Matthäus 17,1–9 (dänische Perikopenordnung) | Mikkel Tode Raahauge |

Es ist wohl der Natur der Sache nach von Mensch zu Mensch verschieden, unter welchen Umständen und auch in welcher Form es sich zeigt. Aber sicher ist es, dass es nie vorherzusehen ist, wann es wirklich geschieht. Es kann wie ein Blitz aus klarem Himmel kommen, und ich denke dabei natürlich an die völlig einzigartigen Augenblicke im Leben, wo alles gleichsam zusammenkommt und wo man an keiner anderen Stelle sein will als eben dort, wo man nun einmal ist.

Es ist einzigartig jedes Mal, und ich selbst bin damit gesegnet, eben einen dieser Augenblicke in meinem eigenen Garten erlebt zu haben. An einem der lauen Sommerabende, nach denen man sich zurzeit so leicht sehnen kann, wo man spürt, dass der Winter so langsam seinem Ende zugeht. An diesem Abend war die Sonne fast untergegangen; überall an den Tischen saßen meine Freunde, in Woll-Tücher gehüllt; das Licht von den kleinen Lampen im ganzen Garten kam in der Dämmerung endlich zu seinem Recht, wir hatten gegessen, und die Gläser waren gefüllt, lebhafte Gespräche, und alles war so, wie es sein sollte. Und ich erinnere mich, wie ich dieses mein Glück überblickte und dachte, wie man dies in solchen Augenblicken tut, dass ich hier immer bleiben könnte, wenn es sein soll. Gerade hier war kein Grund, nach dem Sinn des Ganzen zu fragen, denn ich ahnte, dass ich mitten drin war – in dem, was als völliges Einssein erlebt wurde mit Gott, mit der Welt, mit meinen Mitmenschen und mit mir selbst. So als wäre das alles ein Traum, ein kleines Licht der Ewigkeit im Leben.

Wie gesagt, es gibt wohl große Unterschiede, unter welchen Umständen und Gestalten sich solche Augenblicke zeigen. Aber ich hoffe sehr, dass Ihr alle an Augenblicke in eurem Leben denken könnt, wo alles gleichsam zusammenpasste und genau so war, wie es sein soll – eben für euch. Und wenn ihr das könnt, dann kennt ihr wahrscheinlich auch die besondere Form von Wehmut, die sich auch dabei einfinden kann – vielleicht schon in derselben Sekunde. Die Wehmut nämlich, die aus der Erkenntnis folgt, dass es nicht möglich ist, den Augenblick für immer festzuhalten – weil wir im Innersten sehr wohl wissen, dass wir nicht in einer Traumwelt leben, sondern hier in der wirklichen Welt, wo die Zeit vergeht und wo das Glück wechselhaft ist.

Ich vermute, dass es auch diese Erfahrung war, die der gute Petrus schon gemacht hatte, er mit Jesus und den beiden Brüdern Jakob und Johannes auf den Berg stieg. Hier wird Jesus plötzlich vor ihren Augen verklärt: Sein Antlitz beginnt zu strahlen wie die Sonne, und Moses und Elia erscheinen und reden mit ihm wie Freunde an einem lauen Sommerabend. Und alles stimmt gleichsam zusammen, und der Sinn des Ganzen ist plötzlich sonnenklar: Dass Jesus wirklich der ist, von dem sie im Gesetz gelesen haben, und der, von dem die alten Propheten geweissagt haben. Es ist wie ein Traum, ein kleiner Strahl aus der Ewigkeit in der Zeit; und gerade hier schlägt Petrus nun vor – wie in einem Protest gegen den Gang der Zeit und der Wechselhaftigkeit des Glücks – ein Haus zu bauen für jeden von ihnen auf dem Berg, um den einzigartigen Augenblick für immer festzuhalten. Aber kaum hat er seinen Vorschlag gemacht, wird er von einer Stimme im Himmel unterbrochen, die ihnen verkündet, dass Jesus der geliebte Sohn des Vaters ist und dass sie auf ihn hören sollen. Und sogleich ist die Traumvision verschwunden in den Nebeln der Wirklichkeit, und Jesus bleibt allein zurück auf dem Berg mit den Jüngern.

Und hier muss man auf das achten, was Jesus ihnen sagt und was sie also infolge der Stimme aus dem Himmel beherzigen sollen. Erstens, dass sie aufstehen sollen und keine Furcht haben. Das ist an sich schon Evangelium genug für ein ganzes Leben, aber er sagt auch zu ihnen, und das ist genauso wichtig: Sie sollen niemandem erzählen, was sie oben auf dem Berg erlebt haben, ehe er von den Toten auferstanden ist. Und mit diesem Befehl ruft Jesus die Jünger zurück in die wirkliche Welt, die ihre und unsere ist. Hierhin, wo die Zeit vergeht und das Glück immer wechselhaft ist. Und still begeben sie sich hinab vom Berg, und danach geht der Weg weiter nach Jerusalem, wo Jesus kurz darauf seinem Leiden und Sterben entgegengeht – nachdem eben dieser Petrus, der sonst gerade voller Glauben war, ihn dreimal verleugnet hat mit Fluchen und Schwören, wie es heißt, und gesagt hat: „Ich kenne den Menschen nicht!“

Das ist herzzerreißend, wenn man darüber nachdenkt in diesem Licht – oder vielleicht besser unter den Schatten. Selbstverständlich sowohl weil das Glück sich für sie alle plötzlich und gewaltsam veränderte. Aber auch, und das ist fast das Schlimmste, weil das gleichsam bedeutet, dass Petrus nur Gott anerkennen konnte, solange alles schön und gut war. Aber jetzt, wo sich die Finsternis über ihnen zusammengezogen hat, kann er weder Gott oder einen Sinn in dem Ganzen sehen.

Ich denke, wir alle können uns in die Lage des Petrus versetzen, denn auch in unserem Leben kann sich ja die Finsternis plötzlich über uns zusammenziehen. Und im Gegensatz zu den einzigartigen Augenblicken, wo alles zusammenstimmt und das Ganze wie ein Traum erfahren wird, können die Nebel der Wirklichkeit bewirken, dass es enorm schwer wird, Gott und den Sinn des Ganzen zu sehen. Und eben deshalb befahl Jesus den Jüngern, dass sie niemandem etwas von dem erzählen sollten, was sie dort oben auf dem Berg gesehen hatten, ehe er von den Toten auferstanden war. Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass Gott gekommen ist, um uns von der Wirklichkeit zu erlösen, oder dass es dort, wo Gott ist, immer hell und schön ist und kein Leiden oder Tod. Vielmehr ganz im Gegenteil: Hier, wo die Zeit vergeht und das Glück jederzeit wechseln kann und wo es deshalb Leiden und Tod gibt, hier ist Gott. Um gleichsam zu betonen: Auch Gott gehört nicht in eine Traumwelt, sondern er ist hier, in der wirklichen Welt, die die unsrige ist. Alles inklusive.

Und so werden Jesu Leiden und Tod also die große Er- und Verklärung dessen, wer er ist. Nämlich der geliebte Sohn des Vaters, der aus reiner Liebe darauf besteht, unsere ganze Wirklichkeit mit uns zu teilen. Und auf den wir hören sollen und auf diese Weise verstehen sollen: So wie sein eigener Weg zum Leben durch Leiden und Tod ging, so wird uns Gott auch zu unserer Erlösung führen. Zum Reich Gottes, zum endgültigen Durchbruch der Ewigkeit, wo alles zusammenkommt und wo kein Nebel und keine Finsternis mehr den Sinn zerstören, den wir hier in Augenblicken erlebt haben.

Und wenn wir dies hören, können wir vielleicht auch einen zarten Mut in der Tiefe unseres Herzens spüren. Einen Mut zum Leben, aufzustehen und auf dem Weg fortzufahren, der uns gegeben ist. Ohne Furcht, weil die Ewigkeit schon jetzt für uns leuchtet am Horizont der Zeit, und weil Gott selbst uns verheißen hat, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Im Namen Jesu. Amen.


Pastor Mikkel Tode Raahauge

Skovshoved, DK 2930 Klampenborg

Email: mitr(at) km.dk