
Matthäus 2, 13-23
Das Jesuskind musste Heimat finden – in jedem Leben! | 1.S.n. Christfest | 29.12.24 | Mt 2, 13-23 | Markus Kreis |
13Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. 14Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, auf dass erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht Hos 11,1: »Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.« 16Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. 17Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht Jer 31,15: 18»In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.« 19Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten 20und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben. 21Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. 22Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er einen Befehl und zog ins galiläische Land 23und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen.
Das Jesuskind musste Heimat finden – Kindsmorddrohung, Vertreibung, Rückkehr – das kommt als Textthema häufig in alten Schriften am östlichen Mittelmeer und östlich davon vor. Schon Mose wurde als Säugling mit dem Tod bedroht, dann von seiner Familie in seine kleine persönliche Arche Noah gesetzt. Um quasi von dem aus dem Wasser gerettet zu werden, der befohlen hatte, alle männlichen Babys der Israelis umzubringen – das war der Pharao – und Frauen aus seiner Familie machten dessen Vorhaben zunichte, ohne es zu ahnen: Sie hatten den Kleinen aus dem Wasser gefischt. Sie nährten und zogen damit einen großen Gegner der Herrscher Ägyptens heran. Bekannt ist die zehn Folgen Debatte zwischen Mose und dem Pharao, bei der zehn Plagen die Punkte der jüdischen Seite eindrucksvoll stützten. Den Schlussstrich zog ein tödliches Vollbad im Roten Meer, das das Heer des Pharaos über sich ergehen lassen musste. Nördlich von Ägypten gleich übers Mittelmeer in Griechenland eine ähnliche Geschichte: Kindsmorddrohung, Vertreibung, Rückkehr.
Der König von Theben und seine Frau blieben lange kinderlos. Als sie endlich einen Sohn bekommen hatten, befahlen sie einem Diener, das Baby mit gefesselten Fesseln im Gebirge auszusetzen. Denn ein Orakel hatte dem Königspaar gesagt: Einmal erwachsen werde der Junge den Vater erschlagen und die Mutter heiraten. Der Diener bekam jedoch Mitleid und übergab ihn einem Hirten, der dort Schafe und Ziegen weidete. Dieser wiederum zog weiter, gab darauf den Säugling an den König von Korinth, der den Kleinen adoptierte und aufzog. Als junger Mann hörte er zufällig einen Höfling von der dunklen Herkunft des Königssohns reden, wurde neugierig, befragte ebenfalls das Orakel und bekam desgleichen zu hören: Du wirst Vater erschlagen und die Mutter heiraten. So verließ er Korinth und machte sich gleich aus dem Staub, nur um sich tiefer rein zu reiten. An einer Kreuzung gab es Ärger mit einem reichen Alten und seinem Fahrer wegen der Vorfahrt, die die ihm nicht gewähren wollten. Also nahm er sie sich und räumte die Gegner für immer aus dem Weg. Er setzte seinen Weg fort in Richtung der Stadt Theben, die gerade äußerst von einer Naturkatastrophe namens Sphinx bedrängt wurde. Die stellte den zu oder aus der Stadt Kommenden schwierige Quizfragen. Und tötete sie, falls die Antwort falsch war, was quasi immer geschah. Ödipus war sehr schlau, beantwortete alles richtig, so dass die Sphinx das Rumpelstilzchen machte. Zur Belohnung durfte Ödipus die Königin von Theben ehelichen, die jüngst Witwe geworden war. Die Stadt erholte sich von der Naturkatastrophe und blühte auf, einige Jahre lang. Bis zur nächsten Naturkatastrophe, einer Seuche. Als König wollte er wie einst bei der Sphinx die Sache aus der Welt schaffen, mit seiner Schläue. Er wollte herausfinden, welcher Umstand die Seuche verursachte, um den dann aus der Welt zu schaffen. Ein klassisches Prinzip der Vorbeugung, übrigens, aber es hilft nichts. Denn die Handlung verlagert sich immer mehr vom Körperlichen ins Seelische. Ödipus recherchiert Daten mit Hilfe von vielen Informanten, darunter einen Seher, einen Fahrbegleiter, einen Hirten und einen Diener. Und nach vielem Hin und Her mit Gesprächen und Einbestellung wird ihm klar, was Sache ist: Bei den Korinthern war er adoptiert worden, an der Kreuzung hatte er seinen leiblichen Vater getötet und in Theben seine Mutter geheiratet. Er war ja schon sehr schlau, siehe Sphinx, aber dass ihm das passiert sein könnte, darauf wäre er von alleine niemals gekommen. Um diese seine Einsicht zu zeigen, blendete er sich und ging in die Verbannung.
Jaja, was da so alles mitspielt. Wenn das Leben es will, dann kann ein geplanter Kindermord ein Leben des Erwachsenen und dessen schlimmes Ende nicht verhindern. Und dessen Schlauheit und gute Recherche helfen da auch kaum dagegen. Immerhin, der geblendete Ödipus, statt sofort und auf der Stelle getötet zu werden, stirbt später in der Verbannung, Umstände unbekannt. Und bei Mose gilt: Wenn das Leben es will, dann kann ein geplanter Kindermord ein gutes Ende des Betroffenen nicht verhindern. Selbst Angst oder Faulheit beim Reden, bei Debatten Gewalt androhen und austeilen und auch ein Totschlag halten da nichts auf. Die Israeliten entfliehen den Ägyptern und finden gutes Land für sich. Allerdings stirbt Mose vor der Ankunft eines natürlichen Todes und darf es erschauen von Ferne, kurz bevor er stirbt.
Eine ernste Morddrohung zu überstehen, das haben die Säuglinge Mose, Ödipus und Jesus gemeinsam. Im Leben danach taucht einiges auf, was jeweils verschieden ist. Mose und Jesus haben zwar gemeinsam, dass beide viel mit einer Gruppe reisen, Wunder tun und wissen, was sie bestimmt. Aber Jesus war weder zu bequem oder zu ängstlich zum Reden, noch drohte er bei Debatten mit Gewalt und zog diese dann durch. Geschweige denn, dass er einen Menschen erschlagen hat. Bei der Reinigung des Tempels gabs nur Gewalt gegen Möbel.
Ödipus reiste wie Jesus, aber solo. Beide waren schlau, redeten gerne und haben Debatten gewonnen, weil sie mit ihren Antworten überzeugten. Ödipus hat zum Ende sein Leben ausführlich recherchiert und bedacht, von Jesus kennt man das bei Johannes: Der schrieb dessen Reden zum Abschied auf und gab sie weiter. Im Gegensatz zu Jesus war Ödipus trotz aller Reflexion blind gewesen, für das, was ihn letztlich bestimmt hat. Und er hat auch einen Menschen erschlagen.
Mose und Ödipus starben eines natürlichen Todes, Jesus gewaltsam und durch Unrecht. Das ist ein Unterschied. Mose und Jesus haben gemeinsam, dass es bei Ihnen bildreiche Szenen von Tod und Sterben gibt. Ödipus und Jesus haben gemeinsam, dass da einige Details anhand der Texte unbekannt oder fragwürdig sind. Bei Jesus z.B. der Fels vor dem Grab und wie er weggerollt worden sein soll. Alle drei haben gemeinsam, dass sie nach ihrem Tod fortleben, indem über sie erzählt wird, insbesondere bei Jesus dessen eigene Worte. Ob die Menschheit so lange von Ödipus redet, wie sie besteht? Wer weiß? Diese Annahme ist das mindeste, was die Anhänger Jesu zu dem Thema sagen. Manche sagen sogar, dass die Erzählung Jesu noch darüber hinaus bestehen werden, in alle Ewigkeit. Und was ist da über Mose zu sagen? Jetzt wird es schwierig, das lasse ich mal so als Frage stehen. Mose und Jesus haben jedenfalls gemeinsam, dass von ihnen Rituale und Feste angestoßen worden sind. Bei Jesus und Ödipus kann man da Gespräche zwecks Seelsorge nennen. Oder auch Gespräche, um verzwickte rechtliche Probleme zu klären.
So viel zu Ähnlichkeit und Unterschied der drei, deren Leben zu Beginn mit Mord bedroht wird, dem sie per Flucht entrinnen. Die Rückkehr und ihre Folgen sind dann recht unterschiedlich. Insgesamt lässt sich sagen, dass sich Jesus im Vergleich mit Mose und Ödipus als ganz eigene Person und Figur gestaltet. Er unterließ Gewalt gegen Mitmenschen und starb gewaltsam als Justizopfer.
Auch die Geschichte mit Kindesmord samt Flucht und Rückkehr bleibt aktuell. Ich rede hier vor allem von einem Text statt von der Wirklichkeit. Es stimmt – leider. Immer noch sterben weltweit unzählige Kinder an Hunger, Krankheit oder Krieg, sei es als kämpfende Soldaten oder als deren Opfer. Noch mehr befinden sich wegen Hunger, Krankheit oder Krieg auf der Flucht. Die Sache, die ich meine, die hängt mit einem Buch zusammen, und das trägt den Titel: Das Kind in Dir muss Heimat finden. Darin geht es um Seelsorge. Wenn das Kind in einem Menschen Heimat erst finden muss, dann ist es wohl bedroht und vertrieben worden. So wie der kleine Jesus vom Stall nach Ägypten. Ist dies innere Kind wie Jesus auch mit Tötung bedroht worden? Laut Buch nur in einem bildhaften Sinn. Gesagt wird, dass Kinder beim Aufwachsen ab dem Punkt Null Gutes erleben und, oh weh, Schlimmes. Also Verletzungen, ihm vor allem durch die Älteren angetan. Wenn man so will, wird durch solch Schlimmes verhindert, dass sich beim Aufwachsen das Nervenkleid eines Menschen in die beste Form und Richtung verknüpft. Was geht da vor? Jedes Kind will das Schlimme aus seinem Leben und Erleben fortschaffen. Dazu entdeckt und nutzt es Manöver, mit denen es seine eigenen Gefühle unterdrückt und so ändert, dass sie den Älteren passen. Oder es handelt so, dass es in Zwietracht mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen gerät, die Älteren im Ausgleich jedoch das Schlimme unterlassen. Sie gehen dann anders und weniger schlimm auf das Tun des Kleinen zu und ein. Was beim Aufwachsen helfen mag, das kann sich als Manöver im späteren Leben schlimm auswirken. Wenn Mensch dabei die Gefühle anderer missversteht, weil er sie aus Gewohnheit gleichsetzt mit denen der Älteren aus seiner Kindheit. Oder seine wahren Gefühle ausblendet und anpasst, obwohl das jetzt unnötig wäre – dann entstehen neue Verletzungen und neue Entwicklung bleibt aus. Heimat finden, das heißt, seine alten Trigger zu erkennen und zu kennen. Aber statt ihnen wie gewohnt zu folgen, bedeutet es mehr: Seine wahren Gefühle wahrzunehmen und die des Mitmenschen. Und dann der neu erkannten Wirklichkeit angemessen zu agieren, also meist anders als bisher. Das ist schwierig, viel Arbeit, denn dann stehen Konflikte an, die statt auf alte auf neue unbekannte Art gelöst werden sollen – worin Mensch bisher ja alles andere als geübt ist. Es fehlt das gewusst wie. Und forschen und er finden kostet jede Menge Zeit und Kraft. Ob sich das lohnt? Und wohin es führt? Di Seelsorge sagt ja. Trotz allem, dies hieße ein Weg zurück in eine Heimat.
Jesus hat seine Heimat gefunden, bei Gott. Und er hat dies auch unserem Leben in Aussicht gestellt und versprochen. Er hat dazu im Gemüt eines jedem Menschen Heim gefunden. Und Mensch wird ihn dort in sich aufspüren und entdecken, sich gefallen und arbeiten lassen. Denn dann schreckt einen weder das eigene löchrige Nervenkleid, und die viele Arbeit, es gut zu vernähen. Noch Blindheit für das eigene Leben noch eine Bedrohung durch andere, noch vielleicht sogar das Sterben. Weder Auswandern oder Rückkehren, das statt nur mit Freude auch mit Stress und Streit einhergehen kann. Mit Jesus hat Gott in jedem Leben Heimat gefunden. Amen.
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Markus Kreis OStR
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