Matthäus 25,1-13
Ewigkeitssonntag | 23.11.25 | Predigt zu Mt 25,1-13 | verfasst von Hansjörg Biener
Predigttext
Manchmal ist es gut, wenn man sich vom Predigttext an die Hand nehmen lässt. Und mir scheint: Manchmal ist heute. Deshalb werde ich den Predigttexts in drei Abschnitten lesen. Ein zweites manchmal folgt sogleich: Manchmal ist es gut, dass die Lutherbibel eine ältere Sprache spricht als wir. Und auch hier scheint mir: Manchmal ist heute. Unser Predigttext ist das „Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen“, die das Empfangskomitee bei einer Hochzeit sein sollten.
Mt 25,1-2 – die Überschrift
„1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.“
Das ist also die Einleitung, und wir wissen sofort: Es geht (1) um eine Hochzeitsstory, aber auch (2) um das Himmelreich. Mit Hochzeiten kennen wir uns aus, mit dem Himmelreich eher nicht so. Deshalb nimmt Jesus uns Bekanntes auf. Wir hören eine Geschichte von Fails bei einer Hochzeit, aber wir müssen immer im Hinterkopf behalten: Es geht nicht einfach um eine Geschichte, wo was schief gegangen ist. Die Geschichte wird auch erzählt, damit unser Leben insgesamt nicht schiefgeht. Es geht um Lebensklugheit und Torheit.
Manche Worte gebrauchen wir nicht mehr oder so nicht mehr. Die vorgelesenen Verse haben wir gleich zwei, und deshalb muss ich erst einmal Hör- und Verstehenshindernisse wegräumen.
Ich fange bei dem Wort an, das heute mehr triggert. „Jungfrau“. Belassen wir es einfach bei, „junge Frau, Mädchen“ und streichen alle anderen Nebengedanken. Im antiken Rom, das nur als Beispiel, galten Mädchen ab 12 als heiratsfähig und Jungs ab 14, und Kaiser Augustus erließ ein Gesetz, dass Frauen bis 20 verheiratet sein mussten und Männer spätestens mit 25. Und wenn laut Studien heutzutage der vieljährige Durchschnitt für das erste Mal bei 17 Jahren liegt, muss man sich nicht länger bei Nebengedanken aufhalten. Vor Jahrhunderten, als selbstbestimmte Sexualität kein Thema war, war Jungfrauenschaft ein Stolz der Familie. Sie konnte sich und anderen sagen: Wir haben es geschafft, das Mädchen im Haus und außer Haus vor sexueller Gewalt zu schützen. Das muss die deutsche Gesellschaft erst mal hinbekommen, bevor sie sich über Jungfrauenideale in den Religionen mokiert. Und damit von mir aus Punkt.
Mich interessiert das Wort „töricht“ mehr. Von manchen Worten gibt es noch ein Echo. Man weiß noch in etwa, was es bedeutet, aber ein umfassendes Verständnis hat man nicht mehr. Beim Wort „töricht“ geht es mir so. Ich beginne bei unserer Alltagssprache. Wenn Sie Kreuzworträtsel lösen, kennen Sie vielleicht den Ausdruck „törichtes Verhalten“. Und dann brauchen Sie ein Wort mit sechs Buchstaben oder sieben oder acht. Die Rätselhilfen geben Ihnen dann Begriffe wie „Alberei“, „Dummheit“, „Eselei“, „Idiotie“. Eine Dummheit machen, ist für unseren Bibeltext vielleicht noch der hilfreichste Begriff. Kinder nennt man töricht, wenn sie zu sehr herumalbern oder Dinge tun, die sie noch nicht überreißen. Und einen alten Mann nennt man töricht, wenn er versucht, Dinge zu tun oder nachzuholen, die im Alter so nicht funktionieren. Man kann als alter Mann noch lieben. Aber: Wenn „sie“ im Alter deiner Tochter ist oder noch jünger, dann reden die Leute von einem erkennbaren Mismatch oder einem alten Esel.
Aber das ist noch nicht die volle Bandbreite des Wortes töricht, die man früher mitgehört hat. Ich habe ein frühneuhochdeutsches Wörterbuch gefunden, das uns in die Sprache der Luther-Zeit mitnimmt. Zum Wort „töricht“ (https://fwb-online.de/lemma/t%C3%B6richt.s.4adj) gibt es sieben Hauptbedeutungen, zum Wort „Tor“ vier (http://fwb-online.de/lemma/tor.s.0m). Deshalb nehme ich die Worterklärungen zu Tor.
Der Tor ist (1) ein „Dummkopf, Narr; einfältiger Mensch, der dem gesunden Menschenverstand zuwider und unbesonnen handelt…“, wie also der alte Mann auf Freiersfüßen, der eine junge Frau will. Das war übrigens ein beliebtes Bildmotiv der Malerei im Mittelalter. Ich habe bei der Recherche nach dem Wort töricht ein Bild gesehen, das so erklärt wird. „Das Gemälde zeigt das beliebte Motiv des ‚ungleichen Paares‘. Die Verbindung eines törichten alten Mannes mit einer jugendlichen Schönheit war in der Kunst des 16. Jahrhunderts sehr beliebt […]. In dieser Version […] scheint das Paar eine zärtliche Umarmung zu erwidern, doch bei näherer Betrachtung ergibt sich eine andere Bedeutung. Der alte Mann richtet seinen Blick auf das junge Mädchen und bietet ihr eine Goldmünze an, während sie den Betrachter mit einem wissenden Blick ansieht und ihre Finger in seinem Geldbeutel hat.“ (https://lucascranach.org/de/PRIVATE_NONE-P498)
Die genannte Einfältigkeit findet man auch in der dritten Bedeutung, bei der ich allerdings geschluckt habe: (3) „ ‚(geistig) Behinderter; psychisch kranker, nicht zurechnungsfähiger Mensch‹; auch: ›Gehörloser, Tauber‹.“ Man hat das im Mittelalter alles in einen Topf geworfen. Da bin ich froh, dass wir stärker unterscheiden. Man kann freiwillig ein Fastnachtsnarr sein, wie die vierte Bedeutung sagt: (4) „Fastnachtsnarr, während der Fastnacht als Narr verkleidete Person“. Aber geistige und körperliche Behinderung sind eben nicht einfach „freiwillig“ oder „Torheit“ in unserem Sinn.
Wenn Sie jetzt die zweite Bedeutung vermisst haben, haben Sie recht. Ein Tor ist (2) „in Glaubensfragen schwacher, irrender Mensch; Ungläubiger, Gotteslästerer“. Dieses Wortfeld ist uns abhandengekommen. In der Bibel ist es aber an vielen Stellen da. Nur ein Zitat: „Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott.“ (Psalm 53,1) Ein Tor ist nach diesem Verständnis nicht einfach nur ein „Depp“ oder „Idiot“. Viel schlimmer: Er hat nicht nur nicht verstanden, wie’s in der Welt läuft. Er hat von „Gott und der Welt“ nichts verstanden. Klug wäre umgekehrt, sein Leben in dieser Welt bewusst auch mit Gott zu leben.
Nach dieser Worterläuterung können wir, hoffentlich, das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen leichter verstehen. Die Klugen wissen, wie’s geht, die Törichten nicht. Aber zugleich und zuerst erzählt das Gleichnis von religiöser Klugheit und Torheit. Hören wir also das Gleichnis, das ich an einer Stelle verändere. Ich ersetze das Wort Jungfrau durch Brautjungfer, also Mädchen / Frauen, die bei Hochzeiten mittragende Rollen spielen. Hier geht es um Lampen, aber nicht kleine Öllämpchen, an die wir vielleicht denken. Es geht um Fackeln, wo in Öl getauchte Lappen in Gefäßen auf Stöcken brennen.
Mt 25,3-9 – Katastrophen bei einer Hochzeit
3 Die törichten Brautjungfern nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen Brautjungfern aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Brautjungfern alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zu den Händlern und kauft für euch selbst.
Jeder der schon einmal ein Fest geplant hat, kann nachvollziehen, dass man es so nicht will. Schon gar nicht als Weddingplaner: Die Limousine mit der Braut hat eine Panne. Der Bräutigam hat die Eheringe vergessen und muss sie erst holen. Die Braut passt nicht – mehr – ins Hochzeitskleid. Die Blumen für den Kirchenschmuck kommen just in time. Die falsche Hochzeitstorte. Das Catering funktioniert nicht. Kurzfristige Absagen, die die sorgfältig geplante Sitzordnung zerstören. Die Band kommt mit drei statt vier und kann nicht alle Wunschlieder spielen. All das könnte man in eine abgedrehte Hochzeitskomödie packen. Ich persönlich kann solchen Komödien nicht so viel abgewinnen. Mir reichen die Organisationsaufgaben in meinem Leben. Ich kann so etwas nicht entspannt ansehen und lachen, wenn anderen etwas schiefgeht. Dass Gäste kurzfristig absagen, kannte man schon in der Jesus-Zeit. Deshalb finden wir auch das in Jesus-Gleichnissen aufgenommen.
Wir wissen nicht, wie man sich eine Hochzeit im Israel der Jesus-Zeit genau vorzustellen hat. Aber für Jesu Absicht reicht es, zu sagen: In dieser Hochzeit geht einiges schief. (1) Der Bräutigam kommt nicht. Zuerst nur Aufregung. Was ist passiert. Soll man ihn suchen gehen? Wo könnte man suchen? WhatsApp gibt’s nicht, anrufen kann man nicht. Und wenn der Bräutigam erst anreist… Auch wir brauchen für 4 Kilometer Fußweg 1 Stunde… (2) Die Luft ist erst mal raus aus der Hochzeit. Smartphones zur Selbstbeschäftigung gibt es nicht. Also: Irgendwann ist müde. Man schläft ein. Auch die Brautjungfern, die für eine Prozession mit dem Bräutigam gebraucht werden, schlafen ein. (3) Einige haben schon vorher gepennt. Als es heißt: Der Bräutigam kommt, machen sie alle hektisch fertig. Man richtet die Gewänder. Die Brautjungfern richten die Lampen. Einige stellen erst jetzt fest: Ich habe nicht genug Öl für meine Fackel. Man kann sich das Geschnatter vorstellen. Öl für alle Fackeln gibt Funzeln. Das geht offensichtlich nicht. Denn eines ist klar: Wenn jetzt noch was gerettet werden soll, müssen wenigstens ein paar Fackeln was hermachen. Und ich höre direkt, wie die einen zu den anderen sagen: „Denkt halt mit… Wie blöd kann man nur sein.“ Einen Schnelllieferdienst gibt’s nicht. Also müssen manche schnell zu Leuten rennen, die Öl verkaufen. Das kann man mal so machen. Ladenöffnungszeiten gibt’s auch nicht.
Mt 25,10-13 – Dumm gelaufen.
10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.
Spätestens mit dem langen Verziehen des Bräutigams und der geschlossenen Tür müssen wir in den Himmelreichsmodus übergehen. Denn hier denken die ersten Christen sofort die Wiederkehr Jesu mit, die schon viel zu lange ausgeblieben ist. Die Wissenschaft diskutiert, wie groß das Problem für die ersten Christen wirklich war. Bis in die heutige Zeit gibt es Zeiten erhöhter Endzeiterwartungen, wo Kriege und Kriegsgeschrei, Katastrophen und letzte Propheten Jesu Wiederkehr und das Jüngste Gericht ankündigen, das Ende der bisherigen Welt und den Anfang der Neuen Welt. Aber es gibt auch eine andere Linie, die solch entscheidende Dinge erst in der Zukunft in erwartet. Wer glaubt, in dessen Leben ist Jesus bereits wiedergekommen. Wer an Jesus glaubt, hat schon heute für Zeit und Ewigkeit richtig entschieden. Wer heute nicht glaubt, braucht kein Gericht in der Zukunft, denn er sagt alles Nötige schon über sich aus.
Um das Bild des Gleichnisses noch einmal aufzunehmen: Kluge und törichte Brautjungfer wissen eigentlich, was sie zu tun haben. Sie sollen der Ankunft des Bräutigams mit Feuer und Licht den richtigen Rahmen geben. So wie heute in vielen Sportarten kein Spiel beginnen kann, wenn nicht die Akteure durch eine Gasse aufs Spielfeld kommen und ihr Einlauf mit Feuerwerk und Lichtgewitter, mit Namen und Jubelgeschrei begrüßt worden ist. Und die Brautjungfern haben eigentlich gar nicht so viel zu tun. Sie brauchen diese Gefäße auf einem Stock. Sie brauchen Lappen, die dann brennen sollen. Sie brauchen Öl, das die Lappen am Brennen hält. Das kann man schon an den Tagen vor dem Fest vorbereiten, zur Not auch noch am Vormittag. Aber: Man kann und muss es vorher tun. Die törichten Brautjungfern haben das nicht getan. Dass das dumm ist, zeigt der Abend. Aber das sie dumm sind, hat sich schon vorher gezeigt. In dem Moment, als sie zu blöd waren, zu überlegen, was brauche ich denn. Sie sind wie Schüler, die wissen, dass eine angesagte Probe / eine Schulaufgabe / ein Test kommt. Doch sie ziehen das mit dem Lernen hin. Alle Eltern wissen es, und die Kinder wissen es eigentlich auch: Ins Heft schauen am Vorabend reicht nicht. Irgendwann ist nicht mehr Morgen, sondern Morgen ist jetzt.
Der Kluge sorgt vor; wer das nicht tut, ist ein Tor. Das reimt sich, ist aber in religiösen Dingen kein Spaß mehr. Ich erinnere an die Überzeugung der Alten: Wer an Gott glaubt, ist klug, schon jetzt. Nur die Toren sagen: Es gibt keinen Gott. Aber so die Menschen der Bibel: Ungläubig kann das Leben definitiv nicht gelingen. Man kann das in den Psalmen nachlesen, aber vor allem auch im Buch der Sprüche. Und was hier noch wichtig ist: Damals dachte man noch kein ewiges Leben als Lohn oder irgendwelche jenseitigen Strafen mit. Die Idee eines Nachlebens wurde erst interessant, als Jesus die Grenzen des Todes überwunden hat. Da konnte man dann fragen, wie das aussehen könnte und wie man da reinkommt und was alles mit den Dummheiten oder gar Verbrechen des eigenen Lebens ist.
Klassisch hätte die christliche Tradition gesagt: Man muss für seine Seele sorgen, so wie Sie es heute tun. Sie tun das hier im Gottesdienst, und finden hoffentlich auch im Alltag etwas Zeit dafür. Wer seinen Glauben pflegt, hilft seinem Lebensmut und Gottvertrauen auf, und wer Lieder und Trostverse kennt, hat etwas für die Stunden, wo von außen nichts mehr zu singen und zu sagen ist. Und wo man um Schuld nicht herumkommen kann: Vergebung suchen und auf Jesus vertrauen.
Und an ein zweites werden wir auch in der säkularen Gesellschaft immer wieder erinnert: Man soll für die Stunde des nahenden Todes vorsorgen. Sicher mit einer Patientenverfügung, gerne auch in Verbindung mit einem Organspendeausweis. Mit einem Brief: Was ist sofort zu tun? Wer muss benachrichtigt werden? Wie heißen die Passwörter? Und so weiter und so fort. Vorsorgen mit einem Testament für die Regelung des Nachlasses, wenn da was zu regeln ist. Halt alledem, was uns immer angeraten wird und wofür es auch in vielen Gemeinden regelmäßige Informationsveranstaltungen gibt. Und wenn ich ehrlich bin, bei den meisten genannten Papieren bin ich törichte Jungfrau. In Ewigkeitsdingen möchte ich aber auf jeden Fall eine kluge sein.
Amen.
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Dr. Hansjörg Biener (*1961) ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und als Religionslehrer an der Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg tätig. Außerdem ist er außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (Hansjoerg.Biener (at) fau.de)