Matthäus 25,1-13

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| Licht auf Vorrat | Ewigkeitssonntag | 23. November 2025 |
| Predigt zu Matthäus 25,1-13 | verfasst von Paul Wellauer |

| Psalmgebet im Wechsel | Psalm 126 Der Herr erlöst seine Gefangenen | Ein Wallfahrtslied |
© Zürcher Bibel 1996 *
I 1 Als ER wandte Zions Geschick, waren wir wie Träumende.
II 2 Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel.
Da sprach man unter den Völkern: ER hat Grosses an ihnen getan.
I 3 Grosses hat ER an uns getan, wir waren voll Freude.
II 4 Wende, DU, unser Geschick, wie du versiegte Bäche wieder füllst im Südland.
I 5 Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.
II 6 Weinend geht hin, der den Saatbeutel trägt, doch mit Jubel kommt heim, der seine Garben trägt.
I&II AMEN

| Lesung Predigttext | Hiob 23 | Die Geschichte von den klugen und den törichten Jungfrauen | Die Zürcher Bibel, 2007**
1 Dann wird es mit dem Himmelreich sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und hinausgingen, den Bräutigam zu empfangen. 2 Fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen wohl ihre Lampen, nahmen aber kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen ausser ihren Lampen auch Öl in ihren Gefässen mit. 5 Als nun der Bräutigam ausblieb, wurden sie alle müde und schliefen ein. 6 Mitten in der Nacht aber erhob sich ein Geschrei: Der Bräutigam ist da! Geht hinaus, ihn zu empfangen! 7 Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen bereit. 8 Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen sind am Erlöschen. 9 Da antworteten die klugen: Nein, es würde niemals für uns und euch reichen. Geht lieber zu den Händlern und kauft selber Öl! 10 Doch während sie unterwegs waren, um es zu kaufen, kam der Bräutigam, und die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal; und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sagten: Herr, Herr, mach uns auf! 12 Er aber entgegnete: Amen, ich sage euch, ich kenne euch nicht! 13 Seid also wachsam! Denn ihr kennt weder den Tag noch die Stunde.
Selig ist jeder Mensch, der Gottes Wort hört, in seinem Herzen bewahrt und danach lebt. Amen

| Predigt | Licht auf Vorrat |
Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern durch die Liebe und Gnade Gottes

  1. Ein Licht anzünden
    Viele von euch haben in den letzten Wochen und Monaten Kerzen angezündet: Kerzen zur Erinnerung an liebe verstorbene Angehörige, Kerzen der Trauer und des Trostes. Der Tod hat Dunkelheit und Schmerz in euer Leben, in eure Familien gebracht. Ein Mensch, der euch nahe, vertraut und lieb war, ist nicht mehr. Ein Lebenslicht ist erloschen. Bewusst ein Licht anzuzünden, schenkt einen Funken Hoffnung, beschert einen besinnlichen Moment, ein angenehmes Licht, um innezuhalten und zurückzuschauen. Im Kerzenschein verliert die Härte des Todes ein Stück ihrer Bedrohlichkeit.
    So haben wir es auch heute im Gottesdienst getan: Für jedes im vergangenen Kirchenjahr verstorbene Gemeindeglied haben wir eine Kerze entzündet. Wir können heute nur die Namen der Verstorbenen nennen, dabei wäre so viel mehr zu sagen. Jede Lebensgeschichte hatte ihre hellen und dunklen Momente, ihre Sternstunden und beschwerliche Wegstrecken. Die Kerzen leuchten, jede für ein ganzes Leben. Und die Kerzen lehren uns mit ihrem Brennen: Je heller das Licht leuchtet, desto rascher schwindet die Kerze. Am Ende wird auch die grösste und hellste Kerze erlöschen.

Wenn Kerzen erzählen könnten! Wir zünden hier in der Kirche unterschiedliche Kerzen an: Bei jedem Gottesdienst die Osterkerze: Sie erinnert uns mit ihrem Leuchten an den Ostermorgen. Nach Dunkelheit und Tod am Karfreitag leuchtet mit der Auferstehung von Jesus Christus am Ostermorgen ein neues, ewiges Lebenslicht für uns auf. Diese Osterhoffnung ist der Atem unseres christlichen Glaubens. Deshalb entzünden wir an der Osterkerze jeweils die Tauf- und Segnungskerzen für unsere Kinder. Wir sagen den Kindern und ihren Familien damit: Hier beim Osterlicht beginnt unser Glaube zu leuchten. Aus diesem Osterlicht darf unser Glaube immer neu entflammt und genährt werden.
Auch die Hochzeitskerzen werden von den Brautpaaren am Licht der Osterkerze entflammt. Ihnen sprechen wir damit die Liebe Gottes zu, die unsere menschliche Liebe weit übersteigt: Sollte eure Eheflamme ins Stocken und Flackern geraten, könnt ihr sie hier neu nähren und bestätigen lassen.
Und auch die Kerzen am heutigen Ewigkeitssonntag konntet ihr, liebe Angehörige und Freunde von verstorbenen Mitmenschen, am Licht der Osterkerze anzünden. Das Licht von Ostern stärkt und bestätigt unsere Hoffnung: Es gibt ein ewiges Licht. Wer mit Jesus Christus geht, wird nicht im Dunkeln tappen, sondern das Licht des ewigen Lebens haben. (Vgl. Johannes 8,12)

Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen zeigt uns Jesus, wie unterschiedlich wir uns zu seinem Licht verhalten können: Weise, geduldig und vorausschauend oder aber töricht, unvorbereitet und kurzsichtig.

  1. «Im Dunkeln tappen…»
    Für fünf der zehn Jungfrauen endet die Erzählung von Jesus unglücklich, ja tragisch: Das Hochzeitsfest findet ohne sie statt. Sie bleiben draussen, während drinnen die Party steigt und alle das Brautpaar feiern. Sie konnten zwar trotz mitternächtlicher Stunde Öl für ihre Lampen besorgen, doch die Türe ist und bliebt verschlossen. Das Urteil des Bräutigams ist hart und erbarmungslos: «Amen, ich sage euch, ich kenne euch nicht! Seid also wachsam! Denn ihr kennt weder den Tag noch die Stunde.»
    Das Gleichnis ist umso erschütternder, wenn man dessen tiefere Bedeutung betrachtet: Mit dem Bräutigam ist wohl Jesus selbst gemeint. An anderen Orten bezeichnet Jesus sich selbst als Bräutigam (Matthäus 9,15) oder wird von anderen so genannt (Johannes 3,29; Offenbarung 19,7-9; 21,2.9). Und die weiteren Erzählungen im Kapitel 25 des Matthäusevangeliums erzählen von Prüfungen und endzeitlichem Gericht, wie auch schon das Kapitel 24. Es geht demnach um mehr als ein Hochzeitsfest, es geht um die Ewigkeit und den Himmel. Und wer möchte da nicht dabei sein?
    Der Bräutigam wirft den «törichten» Jungfrauen zwei Dinge vor: Fehlende Wachsamkeit und «ich kenne euch nicht». Die fehlende Vorbereitung und Wachsamkeit leuchten uns ein: Sie haben es versäumt, genügend Öl für ihre Lampen mitzubringen. Doch die zweite Begründung hinterlässt uns mit Fragezeichen: Es waren ja alle zehn Jungfrauen eingeladen: Wie kann der Bräutigam da behaupten: «Ich kenne euch nicht?» Wenn Jesus sich selbst mit dem Bräutigam meint, hiesse dies ja: Jesus kennt manche Menschen nicht. Wie kann es sein, dass Jesus als Sohn Gottes einzelne Menschen nicht kennt? Ich kann nicht alle Fragen dieses Gleichnisses auflösen, aber ich will einen Versuch wagen, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Menschen lernen sich kennen, indem sie einander begegnen und Zeit miteinander verbringen. Je mehr man miteinander spricht, einander zuhört und gemeinsame Erfahrungen sammelt, desto besser kennt man sich. Jedes gute Gespräch, jede tiefe Erfahrung ist wie ein Öltropfen, der ein gemeinsames Licht am Leuchten erhält.
    Jesus ist in diese Welt gekommen, um die Gemeinschaft Gottes mit uns Menschen deutlich und greifbar zu machen. Wer diese Gemeinschaft nicht sucht und pflegt, achtlos an Jesus vorübergeht und ihm keine Zeit widmet, wir ihn kaum je vertieft kennenlernen. Jesus bleibt ihm fremd, dunkel, unfassbar. Es fehlen die Öltropfen gemeinsamer Zeiten und Erlebnisse, die das Licht der Öllampe zum Leuchten bringen könnten. Das Gleichnis erhebt einen Mahnfinger: So handeln nur «törichte Jungfrauen»: Wer vom Bräutigam nicht erkannt wird, weil er ihn unbekannt und fremd ist, wird am Ende draussen stehen und «im Dunkeln tappen».
  2. Licht auf Vorrat
    Die klugen Jungfrauen sind gut vorbereitet: Sie haben neben ihren Öllampen auch einen Ölvorrat dabei, mit dem sie die Lampen auffüllen können, sie haben «Licht auf Vorrat». «Sorge in der Zeit, so hast du in der Not», ist ein Sprichwort, das sie wohl beherzigt haben. Und wenn dieser Ölvorrat aus Tropfen besteht, welche in gemeinsamen Stunden mit dem Bräutigam Jesus gesammelt werden können, heisst dies wohl, dass sie bewusst Zeit mit Jesus verbracht und Erfahrungen in seiner Nähe gesammelt haben. Und diese persönlichen Erfahrungen mit dem Sohn Gottes kann man auch nicht weitergeben, wie man eine Flasche Öl weitergeben könnte: Wir können zwar von persönlichen Erfahrungen mit Jesus erzählen, aber damit werden sie nicht automatisch zu persönlichen Erfahrungen für unsere Mitmenschen. Vereinfacht gesagt: Wer eine grossartige Sonntagsschullehrerin, eine tiefgläubige Grossmutter und einen guten Pfarrer hatte, wird dadurch nicht von selbst zu einem vorbildlichen Christen. Jede und jeder darf und soll seinen eigenen Glaubensweg gehen, «Öltropfen» sammeln und sein Lämpchen zum Leuchten bringen. Dazu ist es durchaus hilfreich, eine gläubige Grossmutter, engagierte Sonntagsschullehrerinnen und einen glaubwürdigen Pfarrer zu haben. Doch das Ziel ist die Selbständigkeit, der eigene Glaube, der schliesslich den Zugang zum himmlischen Hochzeitsfest ermöglicht.

Wir feiern heute Ewigkeitssonntag. Wir denken an eine ganze Reihe von verstorbenen Gemeindegliedern. Das ist zum einen tröstlich und ermutigend, zum andern aber ebenso eine Zumutung und Herausforderung. Tröstlich und ermutigend, weil da dieses Licht von Ostern her in unsere Dunkelheit leuchtet. Jesus Christus ist auferstanden. Als guter Hirte geht er uns voran durchs dunkle Todestal. Er führt uns zum Licht, ja, er ist das Licht.
Gleichzeitig ist dieser Sonntag eine Herausforderung und Zumutung: Wir können nicht allen diesen Lebensgeschichten gerecht werden. Wir können sie nur bruchstückhaft erinnern, würdigen, unsere Dankbarkeit und Trauer nur ansatzweise zum Ausdruck bringen.
Ähnlich ist es mit dem Gleichnis von Jesus: Es fordert uns heraus und mutet uns einiges zu. Dennoch ist es auch tröstlich und hoffnungsvoll. Der Himmel wird wie an anderen Orten in den Evangelien mit einem Hochzeitsfest verglichen. Was gibt es Schöneres als eine Hochzeit! Die Liebe wird gefeiert, Gemeinschaft und Vertrautheit, Geborgenheit und Verbundenheit, Glück und Zukunft, und vieles mehr. Dazu sind wir eingeladen. Weise ist, wer sich einladen lässt, wer sein Lämpchen mit Glaubenstropfen füllt. Töricht, wer sich nicht kümmert, nicht schert, nicht vorbereitet auf den Bräutigam. Am Ende wird dieser im Dunklen tappen.
Und es ist ja nicht so, dass sich das Sammeln und Aufbewahren des Öls nur am Ende lohnt: Jede Erfahrung mit Jesus ist schon hier ein Aufleuchten von Gottes Gnade, jeder Moment in seiner Gegenwart bringt etwas in unseren Herzen zum Leuchten. Lassen wir Jesus in unser Leben leuchten, strahlt etwas davon aus uns heraus.

Weise, wer «Licht auf Vorrat» hat: Jesus wird ihn kennen, in die Arme schliessen und am ewigen Hochzeitsfest mit ihm feiern.

Amen

 

Liedvorschläge

ERG 680 Befiehl du deine Wege
ERG 681 Wer nur den lieben Gott lässt walten
ERG 694 Harre meine Seele
ERG 695 So nimm denn meine Hände
ERG 724 Sollt ich meinem Gott nicht singen
ERG 774 Christus, der ist mein Leben
RW 35 Ich trau auf dich o Herr

RW 47 Wo ich auch stehe
RW 118 Meine Zeit steht in deinen Händen

RW 121 Von guten Mächten wunderbar geborgen

Literatur

*) Die Zürcher Bibel, Die Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas, Johannes; Die Psalmen, Fassung 1996, © Genossenschaft Verlag der Zürcher Bibel
**) Die Zürcher Bibel, Ausgabe 2007, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich
ERG = Gesangbuch Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, © Friedrich Reinhard Verlag Basel, & Theologischer Verlag, Zürich 1998
RW = Rückenwind, Lieder für den Gottesdienst, Hrsg. Evang Landeskirche des Kantons Thurgau, Theologischer Verlag, Zürich 2017

Pfr. Paul Wellauer, Bischofszell, Schweiz | Mail: paul.wellauer@internetkirche.ch

www.internetkirche.ch | www.internetkirche.ch/livestream | www.evang-tg.ch

Geb. 1967, Pfarrer und Mitglied im Kirchenrat der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, Schweiz. Seit 2009 in Bischofszell-Hauptwil, 1996-2009 in Zürich-Altstetten, davor 1993-1996 Seelsorger und Projektleiter in der Stiftung Sozialwerke Pfr. Ernst Sieber, Zürich