
Matthäus 4,1-11
1. Sonntag der Passionszeit | 09.03.2025 | Mt 4,1-11 | Cristina Scherer |
Gnade und Friede sei unter uns! Amen!
Wüsten gelten in allen Kulturen als Orte tiefer Erfahrung und Besinnung. Sie sind trostlos und leer, so wie Gott sie geschaffen hat. Wüsten wollen uns aus dem Alltag entführen. Im Allgemeinen ist man in der Wüste auf der Suche, auf der Suche nach sich selbst, nach Gott, nach einer Oase, nach einer Erfrischung für die Seele.
Das war bei Jesus nicht der Fall. Als er sich in die Wüste zurückzog, wie es bei seiner geistlichen Vorbereitung üblich war, wurde er versucht, nicht von Gott, sondern vom Teufel. Vierzig Tage lang wurde er versucht. Aber Gott war bei ihm, er ließ ihn nicht im Stich. Auch wenn wir durch unsere Wüsten gehen, lässt Gott uns nicht im Stich, er offenbart sich uns auf andere Weise, aber er ist da, er ist präsent.
Der heutige Text erzählt uns, dass Jesus, der Sohn Gottes, in Versuchung geführt wurde. Die Versuchung besteht darin, dass Jesus seine göttliche Natur zu seinem eigenen Nutzen einsetzt. Um sehr menschliche Probleme und Situationen zu lösen, die ihm vom Teufel vorgelegt wurden.
1. Die Versuchung, satt zu werden. In der ersten Versuchung geht es um Brot. Jesus wehrt sich dagegen, Gott zu benutzen, um seinen eigenen Hunger zu stillen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Für Jesus geht es in erster Linie darum, Gottes Reich und seine Gerechtigkeit zu suchen: dass es Brot für alle gibt. Darum wird er eines Tages Gott bitten, aber um eine hungrige Menge zu speisen.
Auch heute ist unsere Versuchung groß, nur an unser Brot zu denken und uns ausschließlich um unsere Krise zu kümmern. Wir weichen von Jesus ab, wenn wir glauben, dass wir das Recht haben, alles zu haben, und wir vergessen das Drama, die Ängste und die Leiden derer, denen fast alles fehlt.
2. Die Versuchung, gefeiert zu werden. Bei der zweiten Versuchung geht es um Macht und Ruhm. Jesus verzichtet auf all das. Er wird sich nicht vor dem Teufel niederwerfen, der ihm die Herrschaft über alle Reiche der Welt anbietet. Jesus wird niemals danach trachten, bedient zu werden, sondern nur zu dienen.
Auch heute noch sind manche Christen versucht, Macht auszuüben. Wir halten uns immer für mächtig, aber wir vergessen, dass die Macht, die wir haben, nicht von uns selbst kommt, sondern von Gott. Wir wenden uns von Jesus ab, wenn wir unser Gewissen unter Druck setzen und versuchen, unsere Überzeugungen mit Gewalt durchzusetzen. Wir öffnen den Weg zu Gottes Reich, wenn wir uns für eine mitfühlendere und solidarischere Welt einsetzen.
3. Die Versuchung, wahrgenommen zu werden. Wertschätzung ist für den Menschen essenziell; nicht wertgeschätzt, wahrgenommen, beachtet zu werden, führt den Menschen zu unzähligen Krankheiten und Leiden. Wir brauchen die Anerkennung der anderen, die uns rettet und heilt.
In der dritten Versuchung wird Jesus aufgefordert, in großem Stil, unterstützt von den Engeln Gottes, vor das Volk zu treten. Jesus lässt sich nicht täuschen. Auch wenn er darum gebeten wird, wird er niemals ein spektakuläres Zeichen vom Himmel geben. Er wird sich darauf beschränken, Zeichen der Freundlichkeit zu setzen, um die Leiden und Krankheiten der Menschen zu lindern.
Wir entfernen uns von Jesus, wenn wir unseren Wunsch, anerkannt zu werden, mit Gottes Herrlichkeit verwechseln. Unsere Prahlerei offenbart nicht Gottes Größe. Nur ein Leben des demütigen Dienstes an den Bedürftigen offenbart und verbreitet seine Liebe.
Liebe Gemeinde, die Versuchung ist da, sie verschwindet nur, wenn man ihr verfällt. Wir alle verfallen ihr, und wir alle können ihr widerstehen.
Daran erinnert uns der Apostel Paulus und fragt sich selbst: Warum tue ich das Böse, das ich nicht will, und nicht das Gute, das ich will? (Römer 7,19-20)
Könnte dies ein menschliches Dilemma sein?
Wie viele Menschen kennen Sie, die unzählige Male in Versuchung geraten sind und durch ihre Entscheidung, auf eine bestimmte Weise zu handeln, Leben zerstört haben, ihr eigenes und das anderer?
In welchen Situationen erkennen Sie aufrichtig an, dass auch Sie und ich als unvollkommene Menschen versucht wurden, dass wir in unzähligen Fällen und auf unterschiedliche Weise versucht werden und dass es keinen Sinn hat, diese Realität zu leugnen oder vor ihr davonzulaufen?
Vielleicht denken wir: Ach, aber Jesus ist doch Gottes Sohn, der kann doch versucht werden, er wusste doch, wie man der Versuchung widersteht, und hat sogar Zitate aus Gottes Wort verwendet, die zu ihrer Zeit sehr bekannt waren.
Vielleicht ist diese Fastenzeit ein guter Zeitpunkt für uns, um zu erkennen, dass wir Menschen sind, dass wir versucht werden und dass wir der Versuchung auf verschiedene Weise widerstehen können, weil Gott uns dazu stärkt. Jesus hat es mit der Kraft des Wortes Gottes geschafft, und wie haben wir, wie schaffen wir es?
Du, als Gotteskind, bist mehr als das, was deine eigenen guten und schlechten Entscheidungen aus dir gemacht haben. Wir sind nicht Gotteskinder aufgrund unserer Entscheidungen, sondern weil Gott dich erwählt hat. Jesus hat auf alles verzichtet, was die Welt ihm hätte geben können. Und er hat uns auserwählt, er geht neben uns, er hilft uns, unsere Kreuze zu tragen, er befreit uns vom Bösen und von der Versuchung, er gibt uns die Kraft und die Weisheit zu handeln.
Jesus ist nicht nur bis zum Ende unseres Glaubens oder bis wir ihn ablehnen, sondern der immer bei uns ist, bis zum Ende der Welt. Auch an den Tagen, an denen wir der Versuchung erliegen, zu glauben, dass wir keine Kinder Gottes sind. Deshalb können wir heute diesen Segen mit Salbung empfangen, um uns daran zu erinnern, dass Gott uns liebt und uns auf unserem Weg begleitet und uns in Zeiten der Versuchung stärkt, egal was passiert, ob wir nun durch die Wüste gehen oder andere Wege in unserem Leben beschreiten. Amen.
Cristina Scherer