Matthäus 6,24-34

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15.Sonntag nach Trinitatis | 28.09.2025 | Matthäus 6,24-34 (dänische Perikopenordnung) | Von Marianne Frank Larsen |

Bei Gott sein heißt beim anderen Menschen sein

In dem amerikanischen Film mit dem Titel Nomadland wohnt Fern allein in dem Lieferwagen, den sie umgebaut hat, so dass sie darin essen und schlafen kann. Sie schlägt sich durch mit schlecht bezahlten Jobs je nach Saison. Und dann wohnt sie auf verschiedenen Trailer-Parkplätzen draußen in der öden Landschaft in Nevada. Da sehen wir sie allein in dem kleinen geschlossenen Raum des Wagens. Sie ist in Trauer, niedergeschlagen nachdem sie ihren Mann verloren hat und das Leben, das sie hatten. Sie hat keine Kinder, keine nahen Verwandten oder enge Freunde. Sie hat auch kein Geld, wenn ihr Lieferwagen repariert werden muss. Und keine Aussicht auf Veränderung. Sie ist allein sowohl im buchstäblichen als auch im übertragenen Sinn. Bis jemand an ihre Tür klopft. Da ist jemand, der eine helfende Hand braucht, um seine Sachen zu verkaufen. Sie muss kommen. Und das tut sie, kommt heraus und geht mit hin zu Swankie im nächsten Wagen. Und da ist jemand, dem etwas wehtut und der etwas zu trinken braucht. Und da ist jemand, der eine Zigarette braucht und ein Feuerzeug. Und da ist jemand, der krank geworden ist, sie muss Suppe für ihn kochen. Und da ist eine, der Hilfe braucht, um die Rost-Flecken an ihrem Wagen zu mahlen. Und da ist einer, der seine Haare schneiden lassen muss. Und einer, der sie mitnehmen will zu einem Reinigungsjob auf einem Campingplatz.

Der Film ist eine Untersuchung des Elends bei den untersten Klassen in den USA, bei denen, die Arbeit, Haus und Zuhause verloren haben, als die Fabriken zumachten, und die keine Unterstützung vom Staat bekommen. Aber das ist auch eine hoffnungsvolle und völlig unsentimentale Erzählung darüber, dass man gerufen wird – und sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn aus seiner kleinen geschlossenen Welt herauskommt, hinaus zu anderen, die einen wollen und brauchen, jedenfalls bis sie weiterfahren.

Ich denke, dass die Berufung, oder die vielen Berufungen, die Fern veranlassen, zu den anderen zu die Berufung im heutigen Evangelium wiederspegeln: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“, sagt Jesus, „so wird euch das alles zufallen“. Diese Worte sind ein Ruf an uns. Mit den Worten und den Bildern von den Vögeln des Himmels und den Lilien auf dem Feld ruft er uns dazu, uns von unseren Sorgen zu befreien. Das können wir nämlich nicht selbst. Sorgen aller Art bedrängen uns. Sie halten uns wach in der Nacht, sie bremsen unsere Arbeit und hemmen unsere Freude am Tage, wir werden sie nicht los, sagen wir, aber vielleicht ist es wahrer zu sagen, dass wir sie nicht loslassen wollen. Sie bekommen Macht über uns. Gefangen in den Sorgen gleichen wir Fern in dem Film, eingeschlossen in dem kleinen dunklen Raum. Und deshalb ist es so befreiend, dass ein kluger Mann gesagt hat, dass das heutige Evangelium nicht nur noch eine weitere Aufforderung ist, sich zu befreien, zu vertrauen und im Jetzt zu leben und carpe diem wie die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels. Denn das ist es ja eben, was wir nicht können. Aber das heutige Evangelium ist ein Ruf. Es ist Jesus oder der Auferstandene, der uns ruft, um die Verdammung der Sorgen von außen zu durchbrechen. Er ruft uns heraus, heraus um das Reich Gottes zu suchen.

Und das Reich Gottes – das ist ja dort, wo er selbst ist, auch wenn wir ihn nicht sehen können. Wo das geschieht, was überall geschah, wo er hinkam – damals als sie ihn sehen konnten. Wo Menschen zueinanderkommen und Barmherzigkeit finden und Aufrichtung, Respekt, Linderung. Wo das Unrecht auf Widerspruch stößt. Wo wir für einander die Lasten tragen. Wo einer gesehen wird und gehört wird und Antwort bekommt und eine Zigarette oder einen Haarschnitt oder einen Teller Suppe, so dass die Augen aufleuchten. Das ist dort, wo er ist, wie er damals war. Auch jetzt und hier. Überall, wo das geschieht, wo die Liebe wohnt, da ist Gottes Reich bei uns, während wir hier unser Leben auf Erden leben. Und dort sollen wir sein, zusammen mit ihm, draußen beim anderen Menschen, können wir nicht gleichzeitig dem „Mammon dienen“, nicht gleichzeitig von uns selbst eingenommen sein und unserem Status, was wir selbst anhaben sollen, was wir essen sollen oder wo wir Ferien machen sollen. Im Reich Gottes steht immer der andere Mensch im Mittelpunkt und was der braucht. Der andere Mensch, dem wir dienen sollen. Nur so dienen wir Gott.

Sucht zuerst das Reich Gottes, sagt der Auferstandene zu uns. Und das sagt er, weil er meint, dass wir da hingehören zusammen mit ihm. Weil er uns in seiner Güte als seiner Geschwister sieht und als Kinder desselben himmlischen Vaters wie er selbst. Und deshalb imstande so zu handeln wie er, nicht nur passiv leben in seinem Geist, sondern „im Geist wandeln“, im buchstäblichen Sinne zu den anderen gehen, einander Barmherzigkeit erweisen, einander aufzurichten, respektieren, lindern, einander die Lasten tragen. Er traut uns zu, d2ass wir das können. Und das ist es immer, was er will: Dass der andere die Hand, die Worte, die Nähe bekommt, die bewirken, dass das Leben lebenswert ist. Das erwartet er von uns. Für unseren Mitmenschen, für unser gemeinsames Leben.

Wir vergessen das ja. Und die Sorgen um uns selbst und unser Eigentum ergreifen uns wieder. Aber an jedem Sonntag, wo wir Gottesdienst feiern, kommt er wieder und ruft uns, um uns aus unserem eigenen engen Raum zu befreien, so wie Fernherausgerufen wurde im Trailer-Park. Verborgen in den Worten, die wir hören und singen, ruft er uns hinaus in das Reich Gottes, in Nevada oder in Aarhus, hinaus zu ihm und einander mit Augen, die hoffentlich sowohl die Güte sehen können, die wir empfangen, als auch die Güte, die wir so sehr unter uns brauchen. Amen.

Pastorin Marianne Frank Larsen

DK 8000 Aarhus C

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