Mt 2,1–12

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Epiphanias | 06.01.25 | Mt 2,1–12 | Hansjörg Biener |

Alle Jahre wieder: Die Weihnachtskrippe

„Alle Jahre wieder“ stellen Familien und Gemeinden Weihnachtskrippen auf. Mit der Heiligen Familie in der Mitte. Mit Ochs und Esel, Hirten und Schafen, Heiligen Drei Königen und ihren Kamelen. Vielleicht ist auch noch eine Scheune dabei, an deren Giebel ein Stern prangt. Was hier zusammenkommt, stammt aus verschiedenen Stellen der Bibel und auch das nicht immer. Trotzdem: Unsere Weihnachtskrippen treffen Richtiges. In die Mitte gehört Jesus und alles andere gehört – dazu. Die Hirten aus dem Lukas-Evangelium, die eilends kamen und wahrscheinlich keine Schafe dabeihatten. Die „Weisen aus dem Morgenland“ aus unserem heutigen Predigttext. Ochs und Esel aus Jesaja 1,3: „Ein Ochse kennt seinen Besitzer und ein Esel die Futterkrippe seines Herrn.“ Und natürlich gehören auch die Schafe zur Krippe und noch viel mehr, denn „die ganze Schöpfung harrt der Erlösung“ (vgl. Römer 8,22). Nicht zuletzt gehören die Menschen, die heute eine Weihnachtskrippe aufstellen, – dazu.

Predigttext

Ein Bibeltext, der zu unseren Weihnachtskrippen beigetragen hat, ist heute Predigttext:

»Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: ‚Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.‘ Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: ‚In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: ‚Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.‘‘ Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: ‚Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, daß auch ich komme und es anbete.‘ Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.« (Mt 2,1–12)

Keine Heiligen Drei Könige?!

Nanu? Keine Heiligen Drei Könige? Heißt der 6. Januar etwa zu Unrecht Heilig-Drei-König oder Drei-Königs-Fest? Tatsächlich: Die Bibel weiß nichts von Königen. Sie weiß auch nicht, wie viele Könige das hätten sein sollen. Erst recht nennt sie keine Namen. Die christliche Tradition schon: Caspar, Melchior und Balthasar. Die drei stehen für die drei früher nur bekannten Erdteile: Europa, Asien und Afrika. Deshalb hat einer der Könige traditionell eine schwarze Hautfarbe. Ich will das jetzt nicht überinterpretieren, aber doch anmerken, dass hier über die Grenzen weißen Denkens hinausgegangen worden ist. Es hätte der Weltgeschichte gutgetan, wenn die europäische Christenheit diesen Weg konsequenter gegangen wäre. Erneut hat die Volksfrömmigkeit mit ihrer Gestaltung der Krippen also etwas Richtiges getroffen. Und man kann aus dem gemeinsamen Stehen von Hirten und Königen an der Krippe noch mehr machen: Die armen Menschen, die nichts zu bringen haben als Staunen, gehören an die Krippe – und die Reichen auch, die den Kindern dieser Welt einen finanziellen Anschub ins Leben schenken könnten. Mit West-Währungen, aber gerne auch mit Öl-Geld aus den heutigen Morgenländern. Menschen aus der Nähe – und die Menschen aus der Ferne. Sie alle gehören an die Krippe. Und jenseits aller Symbolik gehören Frauen an die Krippe. Eine Geburt ist auch heute ein lebensgefährliches Geschehen. So spricht alle historische Wahrscheinlichkeit dafür, dass Geburts-erfahrene Frauen Maria begleitet und Jesus auf die Welt geholfen haben. Ein Hoch auf die Hebammen.

Astrologen? Wissenschaftler!

Wenn es nun keine Könige waren: Was dann? Ich bin in meinem Berufsleben Menschen begegnet, die wussten es ganz genau und hatten dann auch gleich die Kirche zu kritisieren: Es waren Astrologen. „Herr Pfarrer, da sehen Sie es. Sogar die Bibel weiß um die Bedeutung der Sterne. Sie können es nicht abstreiten, auch wenn die Kirche die Astrologie immer unterdrückt hat.“ Ich will hier jetzt nicht über Glauben und Aberglauben streiten. (https://www.ezw-berlin.de/publikationen/lexikon/astrologie/)

Vor dem Hintergrund solcher Berufserfahrungen will ich aber dennoch ein bisschen Aufklärung betreiben. Im griechischen Text steht „Magoi = Magier“. Die meisten Bibelübersetzungen übersetzen das als „Sterndeuter“. (Basis-Bibel, katholische Einheitsübersetzung, Gute Nachricht, Züricher u. a.) Martin Luther vermeidet diese Übersetzung und hat uns die „Weysen vom morgenland“ beschert. (https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/luther_septembertestament_1522?p=16) „Weise“ seien es gewesen, die in einem nicht näher benannten Land einen besonderen Stern gesehen haben und ihm folgten. In Luthers Zeit waren Astronomie als Sternenkunde und Astrologie als Sterndeutung noch eng beieinander. Astronomie-Querstrich-Astrologie gehörte mit sechs anderen Fächern zum Grundstudium, bevor man sich den Hauptfächern Theologie, Recht oder Medizin widmen konnte. Luther wusste also, was er tat, als er 1522 das Astrologische des Wortes Magier etwas beiseiteschob und das Wissen durch das Wort Weise betonte. Doch „unterdrückt“ die Luther-Bibel keine Informationen. Wir finden in den Bibelausgaben hinten Worterklärungen. Da heißt es: „Weise aus dem Morgenland: Das so übersetzte Wort ‚magoi‘ – ‚Magier‘ bezeichnete zunächst die Mitglieder einer persischen Priesterkaste, die sich mit Sternkunde und Astrologie befassten, später allgemein babylonische und sonstige Astrologen.“ (vgl. auch Luz, S. 119) In der Jesus-Zeit hatte das Wort Magier immer noch etwas mit Religion zu tun, aber auch mit Wissen, wie die Welt funktioniert. Das Volk brachte Magiern Bewunderung entgegen. In manchem Magier hat man aber auch den Scharlatan erkannt.

Sterndeutung ist in der Antike, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in die normale [Anführungszeichen mitsprechen] „Wissenschaft“ eingebettet. Beispiel Johannes Kepler (1571–1630). Wir verdanken ihm die Keplerschen Gesetze zur Berechnung der Planetenbahnen. Derselbe Kepler hat aber auch Horoskope erstellt, denn auch Kepler brauchte Geld zum Leben. Aber Kepler hielt nichts von Astrologen, die ohne Kenntnis der Gesetze der Himmelsmechanik arbeiteten. Er hoffte, der Astrologie eine wissenschaftliche Basis geben zu können, aber das hat nicht funktioniert. (Posch, S. 121) Heute sind Astronomie und Astrologie weit auseinander, weil das „wie oben – so unten“ aus heutiger naturwissenschaftlicher Sicht nicht haltbar ist. Heutzutage wird Astrologie häufig als irrationale Lebenshilfe verwendet oder manchmal sogar als klügere Alternative zur normalen Weltsicht beschrieben. Ich möchte dagegen betonen: Die Priesterastrologen der Antike und die Begründer unserer modernen Astronomie erforschten den Himmel und benutzten ihren Verstand. Insofern hat Luthers Übersetzung immer noch Recht: Die Magier des Predigttextes sind nicht para-wissenschaftliche Astrologen im heutigen Sinn, sondern Sternenkundige.

Zurück zum Bibeltext

Fromme Weitererzählung, Krippenspiele, populärwissenschaftliche Zeitschriftengeschichten zum Beispiel zum Stern von Bethlehem – die Geburtsgeschichte Jesu ist von vielen Geschichten überlagert. (Luz, S. 124) Unglücklicherweise gilt das auch von der Geburt Jesu selber. Das kann jeder sehen, der die Erzählungen im Matthäus- und Lukas-Evangelium vergleicht. Auch der Evangelist Matthäus hat ein Interesse. Er zitiert aus dem Alten Testament. Hier im Predigttext zum Beispiel zitiert er aus dem Prophetenbuch Micha. Er macht so eine Verbindung zu seinen Heiligen Schriften deutlich, die ihm wichtig ist. (Luz, S. 61) In der ganzen Geburtsgeschichte finden wir Hinweise auf erfüllte Bibelstellen. Das hat einen Verdacht geweckt: Könnte das alles nicht einfach bibelgelehrte Erfindung sein? Wenn man diesen Verdacht erst einmal hat, kann man ihn nicht mehr so leicht wegschieben. (Luz, S. 116) Dazu kommt, dass man bei wichtigen Leuten eigentlich immer besondere Geschichten erwartete. Nur als Beispiele aus anderen Religionen: Auch von Moses, Buddha (6./5. Jahrhundert vor Christus) oder Muhammad (6./7. Jahrhundert nach Christus) werden besondere Umstände ihrer Geburt erzählt. Was uns Anlass zur kritischen Verwunderung ist, gehörte für Menschen anderer Zeiten dazu. Jahrhundertelang vor Jesus und jahrhundertelang nach Jesus. Im Gegenteil: Die ersten Hörer und Leser des Evangeliums hätten sich gewundert, wenn es nichts Besonderes von Jesu Geburt zu erzählen gegeben hätte. Außenstehende hätten sich sowieso gleich wieder abgewandt.

[Wir haben keine Chance, in die eine oder andere Richtung zu entscheiden. Was uns unwahrscheinlich erscheint, wie der Besuch der Magier aufgrund von Sterndeutung, ist jedenfalls andernorts belegt. (Vgl. für einen Magierzug zu Nero Schweizer, S. 17)] Am Ende können wir nur eines als Ausgangspunkt für uns nehmen: Wir können den Evangelisten Matthäus beim Glauben beobachten. Matthäus kannte sich in den Heiligen Schriften aus. „Er durchsucht die Schriften“, wie man früher gesagt hätte. Aber Matthäus verlor sich nicht in den Auslegungen und Verheißungen, sondern fand Verheißungen in Jesus erfüllt. Die von Matthäus erzählten Magier kannten sich mit den Sternen aus und werden von einem neuen Stern auf den Weg gebracht. Auch sie bleiben dann aber nicht beim Altbekannten, sondern finden in Jesus ein neues Licht. Es geht also um ein Suchen und Finden, und da schauen wir jetzt noch einmal genau hin. Zuerst im Predigttext und dann bei uns.

Suchen und Finden

Es ist zur Zeit der Geburt Jesu. Sternenkundige Männer kommen nach Jerusalem. Sie haben einen Stern gesehen, der ihrer Meinung nach auf die Geburt eines Königs hinweist. Den suchen sie. Dem wollen sie ihre Reverenz erweisen. Die Weisen kennen sich am Himmel aus, aber auch auf der Erde. Jerusalem war die Hauptstadt Judäas. Das ist vernünftigerweise der Ort, wo man eine königliche Geburt erwarten darf. Die Weisen aus dem Morgenland fragen im Herrscherhaus nach. Aber: In Jerusalem weiß man nichts von einem Königskind. Die Aufregung im Haus des Herodes ist verständlich. Wenn das Kind nicht aus der eigenen Familie kommt, muss der neugeborene „König der Juden“ ein Konkurrent sein. Die Astrologie der Gäste ist in Israel nicht unbekannt, aber dem jüdischen Glauben fremd. Schon in der ersten Schöpfungserzählung sind Sonne, Mond und Sterne keine Götter, die uns irgendwie beeinflussen. Sonne, Mond und Sterne sind einfach nur Lampen, zu leuchten am Tag und zu leuchten in der Nacht. (Genesis 1,14–18. Umfassend https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/sterne-sternbilder-sterndeutung) Man schaut also in die Heiligen Schriften und findet da messianische Weissagungen. Ein später Nachfahre Davids wird da erwartet. Und man erwartet von ihm, dass er Israel zu neuer Größe führen wird und mehr. Die von Matthäus erzählten Überlegungen ergeben Bethlehem als möglichen Geburtsort. (Luz, S. 113) Die Weisen nehmen es zur Kenntnis und setzen ihre Reise fort. Es geht also weiter nach Bethlehem.

Einen neugeborenen König suchen sie, Jesus finden sie. Keinen König also, wie sie ihn erwartet haben, für den Geschenke wie Gold, Weihrauch und Myrrhe passen würden. Sie finden kein Kind, dem das Königtum in die Wiege gelegt ist, und doch sind sie von dem Baby, das sie sehen, berührt. Ich denke mir das wie in der Familie, wenn ein Neugeborenes der Familie vorgestellt wird: Jeder nimmt es auf den Arm, fühlt die Wärme und nimmt das Kind in sein Herz auf. Die Weisen „beten an“ und lassen ihre Geschenke zurück. Offenbar sind die Weisen wirklich weise. Sie sind bereit, neu zu sehen und einen „König der Herzen“ zu erkennen. Die Sterndeuter legen ihre Gaben ab und offenbar auch den Stern, der sie bisher leitete. Er hat ihnen seinen Dienst getan. Sie lassen auch Herodes links liegen und kehren auf anderem Weg nach Hause zurück. Eine innere Stimme hat ihnen gesagt, dass Herodes nichts Gutes im Schilde führt.

Kein Prunk, kein Hofstaat, keine offensichtliche Dynastie, aber ein Kind, das sie anrührt. Die Weisen aus dem Morgenland können diesen Wechsel vollziehen. Dafür gibt es Gründe: Sie haben nicht einfach die Bestätigung dessen gesucht, was sie schon kannten. Sie sind davon frei, weil sie ihrem eigentlichen Ziel treu bleiben. Erinnern wir uns: „Wir haben den Stern des neugeborenen Königs der Juden gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ So haben sie sich in Jerusalem vorgestellt. Wenn wir einen religiösen Schluss daraus ziehen wollen, könnte man sagen: Ein Königskind haben sie gesucht, und das Jesus-Kind hat sich finden lassen. Und wenn man so will, hat es dafür alles in Dienst genommen, was ihm bei den Weisen zur Verfügung stand. Die Astronomie-Querstrich-Astrologie war ihre Wissenschaft; der Stern war ihr Wegweiser. Doch nun ist die Suche vorbei. Die Weisen haben ihre Begegnung mit Jesus gehabt. Sie ziehen anders und auf anderem Weg zufrieden heim. Das äußere Licht eines Sterns hat sie hergeführt, das innere Licht einer Gottesbegegnung führt sie nun weiter. Wir hören nichts über ihren weiteren Lebens- und Glaubensweg, nur dass sie eine wichtige Begegnung mit Jesus hatten.

Von unserem Suchen und Finden

Nun sind wir nicht die Weisen der biblischen Geschichte, sondern Menschen des 20./21. Jahrhunderts. Astronomie und Astrologie sind auseinandergetreten: Das eine ist als Wissenschaft anerkannt, das andere nicht. Ebenso sind Glaube und Wissen auseinandergetreten. Wir suchen anders. Wir finden anders. Und das ist auch biblisch erst einmal in Ordnung. Denn es geht immer darum, ob man sucht und wie sehr man sich verändern lässt von dem, was man findet. Manchmal muss man neu sehen, um zu finden. Das lesen wir über die Weisen aus dem Morgenland und können wir an Matthäus erkennen. Wie können also wir zur wichtigen Begegnung mit Jesus finden? Matthäus war wach geworden, als er in den Heiligen Schriften Verheißungen entdeckte. Die Sterndeuter wurden wach, als sie am Himmel einen neuen Stern entdeckten. Daraus folgt die Frage: Wo wirst du wach? Wonach suchst du? Was würde dir helfen? So vielfältig wie unsere Lebensthemen heute, müssten Ihre Antworten und meine Weiterführungen ausfallen.

Ein klassisches Thema protestantischer Predigt kann ich aber nicht aussparen: Schuld und Suche nach Vergebung. Wer Menschen mit Schuld begegnet ist, wird das Thema nicht kleinreden. Wer eine Schuld hat, weiß: Da gibt es nichts kleinzureden, kaum etwas wiedergutzumachen, geschweige denn ungeschehen. Und wenn es denn ein Jüngstes Gericht gäbe, wäre es gut, wenn jemand anderes noch etwas in die Waagschale werfen würde. Das in der Antike verständlichste Bild war das Opfer, und so haben damals und noch jahrhundertelang Menschen sich und ihre Schuld an das Kreuz getragen und sich Jesus als Erlöser anvertraut. Diese Begegnung mit Bekenntnis, Tränen und Zusage der Vergebung kann bis heute für Menschen ein neues Lebensfundament werden. [Pause] Andererseits ist es nicht meine Aufgabe, Schuldbewusstsein in Sie hineinzupredigen, um es Ihnen dann mit dem Hinweis auf die Erlösung durch Jesus Christus wieder herauszupredigen. Meine Aufgabe ist es, Glauben in Sie hineinzupredigen.

Deshalb will ich zu unserer Vielfalt zurückkehren. Vielleicht haben Sie irgendwann in ihrem Leben gemerkt, dass Sie ein Thema haben, zu dem Sie immer wieder zurückkehren, in dem Sie sich auskennen, wo es aber nicht unbedingt weitergeht. Ein Grundschmerz, ein Urerlebnis, ein Grundanliegen. Wenn Sie so etwas haben, nehmen Sie Ihr Lebensthema als Stern. Sie folgen ihm ja schon lange, so wie die Sterndeuter ihren Sternen. Sie sind nicht nach Jerusalem oder Bethlehem unterwegs, aber vielleicht würde eine Begegnung mit Jesus guttun. Verletzungen – Jesus der verletzte Heiler. Streit – Jesus der klare Versöhner. Beziehungen – Jesus der andere Mann. Am Ende werden Sie nicht bei sich selbst stehen bleiben, wenn Sie Jesus in Ihre Lebensthemen hineinsuchen. Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments wird Er Sie dort finden, und das wird etwas verändern.

Mag sein, dass ich Ihr zentrales Lebensthema nicht angesprochen habe. Vielleicht ahnen Sie trotzdem, in welche Richtung ich es gemeint habe. Schauen wir noch einmal auf die Weisen aus dem Morgenland. Ihr Leitmotiv schickt sie auf eine Reise, aber die Mühen lohnen sich. Es wird ihre Reise zum Jesus-Kind. Sie finden tatsächlich einen neugeborenen König, doch, anders als sie erwartet haben, einen König der Herzen. Und darin wandelt sich auch ihr Lebensthema. Der Stern, der sie geleitet hat: Ob er noch am Himmel steht, erfahren wir nicht. Was wir aber hören, ist, dass die Weisen aus dem Morgenland vom Jesus-Kind berührt wurden und Gott auf neue Weise zu ihnen spricht. Das ist uns allen zu wünschen.

Amen.


Dr. Hansjörg Biener (*1961) ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und als Religionslehrer an der Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg tätig. Außerdem ist er außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (Hansjoerg.Biener (at) fau.de)

Anmerkungen

Konradt, Matthias: Das Evangelium nach Matthäus, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 2015 (Das Neue Testament Deutsch; 1)
Weniger zum Predigttext relevant als für die Gesamteinschätzung des Matthäus.
S. 1 „Dem steht intertextuell zur Seite, das die mt Jesusgeschichte von 1,1 bis 28,20 mit einem stetigen Bezug auf die Schrift, also das später sogenannte Alte Testament, erzählt wird. Die bekannten Erfüllungszitate (…) sind lediglich ein besonders augenfälliger Ausdruck für die Relevanz, die der Schrift in der Jesusgeschichte insgesamt zukommt. Ihnen steht nicht nur eine Reihe weiterer expliziter Zitate, sondern vor allem eine Vielzahl von Anspielungen zur Seite, die dazu anleiten, die Jesusgeschichte im Horizont der Schrift zu reflektieren: Die mt Jesusgeschichte erklingt im Resonanzraum der Schrift, und sie gewinnt an Klangfarbe, wenn man sie in diesem Resonanzraum hört.“

Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1-7), Zürich: Benziger/Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1985 (Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament; I/1)
S. 61: „Hinter dem Matthäusevangelium werden also judenchristliche, z. T. schriftgelehrte Kreise sichtbar, die sich mit Q, dem Markusevangelium, anderen Jesusüberlieferungen und der Bibel beschäftigen. Man darf m. E. nicht solche Traditionen zu überwundenen erklären und den Evangelisten von ihnen lösen. Nicht nur seine eigene Sprache, die immer wieder Berührungen mit zeitgenössischem rabbinischen Judentum aufweist, nicht nur seine konservative Haltung gegenüber dem Gesetz […], sondern auch die ganze, dem Semitischen nahe stehende Gestalt seines Evangeliums weisen auf das Gegenteil.“
S. 113: Hier kann man allerdings gerade keinen Vorrang der biblischen Verheißungen vor der Astrologie herleiten, denn Mt. 2,5-6 hat eine sehr eigene Gestalt. „Der Wortlaut weicht von allen bekannten Textformen von Mich 5,1 ab.“
S. 116: „Einmal mehr steht der Ausleger vor dem Problem, wie er mit einer Geschichte umgehen soll, deren Historizität unwahrscheinlich ist. Da eines ihrer wesentlichen Anliegen die Verkündigung von Gottes bewahrender Führung ist, verschärft sich das Problem: Eine Führung, die nur erzählt wird, steht nahe bei einer Illusion. […] Für die Gemeinde war […] Zuwendung Gottes zu den Heiden, die Erfahrung der […] Bewahrung vor den Anschlägen [der] Feinde, das Wissen um den Sieg Jesu über weltliche Macht, mithin der Glaube an die Macht des auferstandenen Herrn Jesus die Voraussetzung für diese Geschichte. Die Auslegung muß also auf das achten, was diese ‚story‘ bezeugen will; der Verkündiger, der sie braucht, ist nach eigenen Erfahrungen gefragt, die diesem Zeugnis entsprechen.“
S. 119: Magos „meint zunächst einen Angehörigen der persischen Priesterkaste, wird dann aber ausgeweitet und bezeichnet seit dem Hellenismus auch andere Vertreter östlicher Theologie, Philosophie und Naturwissenschaft. Die Grenze zwischen Magiern, Astrologen und Theurgen wird fließend. […] Das Judentum […] urteilt meist negativ, kann sich aber weder dem Einfluß der Astrologie noch der hellenistischen Hochschätzung der Magier völlig entziehen.“
S. 124: „Die Wirkungsgeschichte unseres Textes ist auch ein Beispiel für seine Wirkungslosigkeit. Die Exegese muss also mithelfen, durch kritische Aufarbeitung der Volksfrömmigkeit von den Mißbräuchen zur Botschaft des Texte zurückzufinden, ohne daß das in ihre liegende wichtige positive Moment, nämlich die Identifikationsmöglichkeit der Christen mit den Magiern, zerstört wird.“

Posch, Thomas: Johannes Kepler. Die Entdeckung der Weltharmonie, Darmstadt: Theiss, 2017
S. 121 „Er selbst halte – so schreibt er weiter – nichts von einer Astrologie, die nicht ‚auff eine beständige und von allen kindischen Umbständen gefreyte Erfahrung gelangen kann‘ (GW 4:164). Dem entsprechen seine Hoffnung und sein Anspruch, eine empirisch wohlbegründete Astrologie schaffen zu können: ‚Hab mich auch hernach befliessen, auß der jenigen Erfahrung, welche die Prob gehalten, eine scientiam oder Wissenschaft zu machen.‘ (GW 4:255)“

Schweizer, Eduard: Das Evangelium nach Matthäus, Göttingen/Zürich: Vandenhoek & Ruprecht, 16. Auflage (4. Auflage diese Bearbeitung) 1986 (Das Neue Testament Deutsch; 2)
S. 17 „Vielleicht hat ein historisches Ereignis die Geschichte mit beeinflußt. Magier aus Persien sind nämlich im Jahre 66 n. Chr. Mit dem König Tiridates auf Grund von Weissagungen durch die Sterne zum Kaiser Nero nach Neapel gezogen, um ihn als dem Weltenkönig im Westen zu huldigen und dann auf anderem Wege wieder zurückzukehren. Es läßt sich vermuten, daß der Zug der Magier nach Bethlehem zuerst für sich erzählt worden ist. Nach V. 9 führt ja der wunderbare Stern die Magier bis zum Hause Josephs. Die Erkundigung bei Herodes ist also eigentlich unnötig. Umgekehrt ist das Verhalten des Herodes in der jetzigen Geschichte unverständlich; warum schickt er nicht seine Soldaten oder mindestens einen Vertrauten gleich mit den Magiern nach Bethlehem, statt sich darauf zu verlassen, daß sie wieder zurückkommen und ihm Bericht abstatten?“