2 Petrus 3,8-13

· by predigten · in 22) 2. Petrus / Peter, Aktuelle (de), Anke Fasse, Archiv, Beitragende, Bibel, Deutsch, Ewigkeits- / Totensonntag, Kapitel 03/ Chapter 03, Kasus, Neues Testament, Predigten / Sermons

Ewigkeitssonntag | November 2001 | 2 Petr 3,8-13 | Anke Fasse |

Liebe Gemeinde,

grau verhangene nasse Novembertage – kahl gewordene Bäume, trist
und trostlos blickt uns an vielen Tagen unsere Umwelt entgegen – in diese
Zeit fällt der sogenannte Totensonntag – oder auch Ewigkeitssonntag.
Eine Stimmung, eine Zeit, die mehr als sonst Gedanken an Ende und Vergänglichkeit
in uns aufkommen lässt. Der Herbststurm rüttelt nicht nur an
unseren Häusern. Auch innerlich wird an uns gerüttelt, Fragen,
Schmerz und Trauer, ja Erinnerungen mögen in uns aufkommen. Erinnerungen
an Menschen, die unser Leben, die Ihr Leben geteilt haben, und die nun
nicht mehr da sind. 27 Namen werden wir nachher noch einmal hören,
hinter denen 27 ganz verschiedene Menschenleben stehen, die alle eine
Lücke hinterlassen haben. Beim Rückblick auf das nun zu Ende
gehende Kirchenjahr gehören diese Abschiede dazu. Für einige
war es ein friedvoller Abschied in dem Bewusstsein, dass sich ihr Leben
erfüllt hat. Für andere war es aber auch der jähe Abbruch
eines gemeinsamen Lebens, der zunächst nur Leere und Schmerz hinterlässt.
Und auch da, wo es ein lange vorhersehbares Sterben war, wo Pflege die
Angehörigen viel Kraft gekostet hat und der Tod als Erlösung
kam, auch da ist es unendlich schwer diese Endgültigkeit und die
Lücke, die er hinterlässt auszuhalten. Es braucht Kraft und
Zeit, sich dem veränderten Leben in Gegenwart und Zukunft neu zu
stellen und sich darin zurechtzufinden.

Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen – so haben wir vor der
Predigt gemeinsam gesungen. Mitten im Leben, vom Tod umgeben – das ist
die oft bittere Erfahrung, mit der wir heute hier vor Gott kommen.

Liebe Gemeinde, wahrscheinlich kennen Sie aus eigener Erfahrung das hin-
und hergerissen sein zwischen Sprachlosigkeit, Trauer, Angst und Schmerz
angesichts des Verlustes eines lieben Menschen. Und andererseits, meldet
sich hier und da auch eine (vielleicht) zaghafte Stimme der Hoffnung,
die beständig darauf verweist, das mit dem Tod nicht alles aus ist.
Die Natur zeigt uns jedes Jahr durch die verschiedenen Jahreszeiten, den
Wandel und die Veränderung des Lebens, den Kreislauf, aber auch den
Aufbruch des Lebens. Da muss es doch auch irgendetwas für uns Menschen
geben… Vorhin hörten wir als Lesung aus der Offenbarung die Verheißung
der neuen Welt: ein neuer Himmel, eine neue Erde, ewiges Leben bei Gott
ohne Leid und Schmerz.

Unser Glaube ist getragen von der Hoffnung, dass Er, Gott, da ist, wo
wir jetzt noch nicht sind, wo wir unsere Toten nicht mehr erreichen. Traugott
Giesen drückt das in wenigen Zeilen, sehr schön aus:

Unsere Toten, die uns starben,
hatten eine Spanne Zeit
zum Lachen, Lieben, Leiden,
Nehmen, Geben, Schuldigwerden.
Wir gedenken ihrer.
Und wir hoffen:
ER hält die Bruchstücke „Leben“ zusammen.
Wenn wir ausatmen,
atmet Gott uns ein.

Ja, liebe Gemeinde, die Frage nach Gott, die Hoffnung auf Gott, ist
in Lebenssituationen, in denen wir mit dem Tod umgehen müssen doch
immer wieder da, egal ob gläubig oder nicht. Ich denke, wir brauchen
eine Hoffnung, eine Kraft, aus und mit der wir in solchen schweren Momenten
leben können. Seit den Anfängen des Christentums gehört
nun diese Hoffnung auf eine Welt ohne Leid und Tod, eine Hoffnung auf
die Auferstehung aller Toten zum Glauben dazu.

Unser Predigtext heute spricht von dieser Hoffnung. Einer
Hoffnung, die immer wieder verschiedensten Anfechtungen ausgesetzt ist.

– 2 Petr. 3, 8-13 –

Der Text des 2. Petrusbriefes ist aufgrund von verschiedenen Auseinandersetzungen
mit sogenannten Spöttern oder Zweiflern geschrieben worden, die fragen,
warum bricht denn eure neue Welt, von der ihr so viel erzählt, nicht
an? Mir kam in diesem Zusammenhang recht schnell der Vergleich unserer
eigenen zweifelnden Stimme mit den Spöttern in den Sinn. Wer kennt
sie nicht, die zweifelnde Stimme, die fragt: Woher wissen wir, dass Gott
es ehrlich mit uns meint? Das da wirklich noch etwas kommt?

Eine Antwort, die der Predigttext auf diese zweifelnden Anfragen gibt,
ist die Relativierung der Zeit in den Augen Gottes. Vor ihm ist ein Tag
wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag. Ein schwacher Tost mögen
Sie jetzt vielleicht einwenden. Aber dahinter steht die Ermutigung, zu
warten, zu warten mit einer Hoffnungsgewissheit, ja zu erwarten. Mit diesem
Warten ist, denke ich, eine bestimmte Haltung impliziert. In unserem Predigttext
heißt es ja, es wird der Tag des Herrn kommen, wie ein Dieb in der
Nacht. Plötzlich, ohne Vorbereitung wird Gott allem Leid ein Ende
machen, so die Verheißung hier. Genauso plötzlich wird dieses
kommen, wie aber auch Menschen immer wieder mit dem Tod konfrontiert werden.
Es gibt für diese Dinge also keine Sicherheiten, keine Versicherungen
-oft keine Vorankündigung. Das einzige, wozu uns diese Einsichten
auffordern können, ist ein bewusstes Leben. Jeden Tag als Geschenk
zu empfangen, jeden Tag als den ersten Tag vom Rest meines und unseres
gemeinsamen Lebens zu begreifen.

Hoffnungsgewissheit angesichts von Tod und Verlust. Woher können
wir diese gewinnen? Liebe Gemeinde, ich denke, diese ist nur zu gewinnen
mit einem Blick auf Jesus Christus. Indem wir uns sein Leben vergegenwärtigen,
wie er Gemeinschaft pflegte mit ausgestoßenen und hoffnungslosen
Menschen, indem er Krankheit und Gebrechen heilte, indem er mit Sündern
Tischgemeinschaft pflegte, teilte er Hoffnung aus wie Brot, das Kraft
gibt für die bevorstehende Wegstrecke. Indem er selbst dem Leid und
dem Tod nicht auswich, Todesangst und -qualen auf sich nahm, dürfen
wir darauf vertrauen, Gott kennt alles Leiden, ja, Gott ist im Leiden.
Wie er seinen Sohn nicht allein ließ, wird er keinen Menschen im
Leiden und Sterben allein lassen. Darauf dürfen wir vertrauen. Und
auch die Zweifel und das Gefühl der Gottverlassenheit begegnen uns
in der Lebensgeschichte Jesu. Aber wir glauben und bekennen auch, Gott
ließ ihn nicht im Tod, am dritten Tag weckte er ihn von den Toten
auf. Ja, die Auferstehung Jesu, wie sie uns in der Bibel bezeugt wird,
ist für uns Grund und Anlass zur Hoffnung auf den Anbruch einer neuen
Welt für die ganze Schöpfung, für ein Leben in Gottes Ewigkeit.
Sie ermöglicht Hoffnung angesichts des Todes, sie zeigt uns: Gott
ist da, auch wenn wir ihn nicht sehen oder spüren.

Ich blicke noch einmal in unseren Predigttext. Dort heißt es: Wir
warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, nach seiner Verheißung,
in denen Gerechtigkeit herrscht.

Ein neuer Himmel und eine neue Erde – vielleicht sind dies nicht mehr
ganz unsere Bilder heute, liebe Gemeinde. Aber eines drücken sie
doch aus. Sie machen uns Mut, sie stärken unsere Hoffnung darauf,
das Gott alles vollenden wird. Er hält die Bruchstücke „Leben“
zusammen, er wird das Leben vollenden, das unvollendet blieb, er wird
die Wunden heilen, die offen blieben, er wird Ruhe und Frieden geben,
wo Unruhe und Unfrieden waren. Diese Hoffnung dürfen im Herzen tragen,
sie möchte uns Kraft und Mut geben, gerade auch angesichts von Tod
und Verlust.

Und was, wenn die Zweifel doch mal ieder übermächtig werden?
Liebe Gemeinde, dann wünsche ich, das wir mitten im Leben, mitten
in unserer Welt solche Hoffnungszeichen finden, die auf Gottes Verheißung
deuten. Vielleicht kann dies dann die Natur in ihrem Wandel, in ihrer
Fähigkeit zu immer neuen Aufbrüchen sein. Oder aber wir sehen
Gottes neue Welt dort aufleuchten, wo Menschen nicht nur ihre eigenen
Begierden und Sehnsüchte wahrnehmen, sondern auch sehen, was andere
brauchen. Sie leuchtet dort auf, wo Menschen getröstet werden, wo
sie ihre Verzweiflung herausschreien dürfen, ihre Sehnsucht nach
Gerechtigkeit und jemand da ist, der sie hört. Überall dort
ist Gottes Welt schon nah, vielleicht schon ein Stück aufgebrochen
und angebrochen.

Und nicht zuletzt begegnen uns sicher auch immer wieder Menschen mit
ihrer Lebensgeschichte als Vorbilder und Hoffnungsboten. Ein solcher Mensch
ist unter anderen sicher Dietrich Bonhoeffer. Er lebte angesichts des
millionenfachen Todes um ihn herum und des eigenen Todes aus einem tiefen
Gottvertrauen und einer tiefen Hoffnung, das Gott stärker ist als
jeder Tod.

Ich wünsche uns, ich wünsche Ihnen, das auch Sie getragen und
gestärkt mit dieser Hoffnung durch ihr Leben gehen können, auch
angesichts von Trauer und Verlusten. Das Sie immer wieder Hoffnungszeichen
entdecken und so mit in das Gebet Bonhoeffers einstimmen können,
das er angesichts des Todes schrieb:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost was kommen mag,
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Amen.

Liedvorschläge:
· EG 450, 1-5 (Morgenglanz der Ewigkeit)
· EG 147, 1-4 (Wachet auf, ruft uns die Stimme)
· EG 518, 1-3 (Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen)
· EG 65 (Von guten Mächten wunderbar geborgen)
· EG 533, 1-3 (Du kannst nicht tiefer fallen)

Anke Fasse
Pastorin in Sengwarden /Wilhelmshaven
Email: anke@sefarim.de