
Philipper 1,1-6
15. Sonntag nach Trinitatis | 23. September 2001 | Philipper 1,1-6 | Esko Ryökäs |
1 Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, an alle Heiligen in Christus Jesus in Philippi samt den Bischöfen und Diakonen:2 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! 3 Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke 4 was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden, 5 für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute; 6 und ich bin darin guter Zuversicht, daß der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.
Lutherbibel 1984 (Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984)
1. Herbst ist Erntezeit. Die Früchte des Sommers in Gärten und Feldern sind geerntet. Alles, was in Blumenbeeten und Gemüsegärten gepflanzt wurde, hat geblüht und Früchte getragen.
Der Landwirt sät im Frühjahr Weizen- und Gerstensamen. Die Samen wirken leblos. Nichts bewegt sich, nichts wächst. Trotzdem werden die Samen gesät. Tagelang geschieht nichts. Aber dann treten die grünen Keime zutage, nach und nach wächst der Halm und endlich setzen auch Ähren an. Die Samen haben sich entwickelt, und die Ernte ist reif.
Seit dem Frühjahr hat der Landwirt gewartet. Zuerst wartet er darauf, ob etwas zutage treten wird, also ob die Saat gelungen ist. Er beobachtet das Wetter, ob sein Anbau Wasser braucht. Gleichzeitig denkt er nach – wenn er nicht entschieden hat, naturgemäss anzubauen – ob er Unkraut vergiften soll. Im Herbst berechnet er die Zeit des Mähdreschens, wenn das Getreide reif und genügend trocken ist. Die ganze Zeit muss er warten. Und so tut es auch der Gärtner.
Die Wartezeit des Landwirts bedeutet nicht, auf einem Stuhl zu sitzen und die Zeit zu vergeuden. Er weiß, dass die Erntezeit kommt und dass alles dann bereit sein muss. Nach dem Säen muss er sicherstellen, dass Bewässerungsgeräte sowie evt. Gift für das Unkraut bereit stehen. Er muss auch prüfen, ob die Scheunen in Ordnung sind. Wenn man sie nicht hat, muss man sie schon im Frühjahr bauen oder sonst in Ordnung bringen, so dass die Ernte im Herbst dorthin gebracht werden kann. Also sein Warten ist keine Bewegungslosigkeit, sondern es bedeutet einen aktiven Zeitaufwand. Er muss ständig nachdenken. Hinter diesem aktiven Warten steckt das Vertrauen darauf, dass das Getreide wächst und geerntet werden kann. Er baut neues für seine kommende Ernte, und gegebenenfalls muss er sogar Kredit für seine Bauarbeiten im Blick auf die kommende Ernte nehmen. Auch die Banken vertrauen auf die Kraft des Wachstums und auf die Ernte, in verschiedenen Zeiten auf unterschiedliche Weisen, aber dennoch. Das Warten und Vertrauen auf die Ernte hängen zusammen.
2. Der Glaube des Menschen ist auch ein Samen. Er wird in die Herzen der Menschen gesät, wenn der Mensch das Evangelium und die gute Nachricht Gottes über die Versöhnung Jesu Christi und über die Liebe Gottes hört. Dieser Samen wächst im Inneren des Menschen. Man kann oft sein Wachstum nicht sehen, aber er lebt und wirkt. Zuweilen tritt der Glaube deutlich zutage, manchmal aber sehr schwach. Es ist ja nicht der Mensch, der den Glauben hervorbringt, sondern Gott.
In seinem Brief an die Philipper schreibt der Apostel Paulus: „Ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.“
In seinem Leben darf der christliche Mensch darauf vertrauen, dass Gott die Ernte pflegt. Der Christ kann auf das Wachstumswunder warten, aber diese Wartezeit braucht keine passive Zeit zu sein. Der Christ darf darauf vertrauen, dass alles in seiner Zeit wächst und dass Gott den Glauben pflegt und die Früchte des Glaubens gibt. Der Christ darf in diesem Bewusstsein ausruhen, aber er darf auch aktiv mit dem Vertrauen handeln, dass die Zeit der Ernte kommen wird.
3. Der vorhin genannte Brief an die Philipper wurde sowohl an die Gemeinde als auch an deren Leiter gerichtet. Paulus wollte in seinem Brief gleich mit den Anfangsworten die Gemeindemitglieder in ihrem Leben ermuntern. Auch die Gemeinde darf darauf bauen, dass einer sät und andere ernten. In der Tätigkeit der Gemeinde wird oft Samen gelegt. Zuweilen trägt man Sorge, was für eine Ernte es werden wird. Aber Paulus schreibt: „Ich bin darin guter Zuversicht, daß der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.“. Es steht nicht in der Macht derer, die säen und auch nicht derer, die sitzen bleiben. Gott pflegt seinen Anbau, Er, der Herr, Gott sorgt für das Wachstum.
Dieses bedeutet auch, dass die Gemeinde darauf bauen kann, dass Gott wirkt. Es lohnt sich, Kinder zu taufen, das Wort zu verkündigen und Gebetskreise zu organisieren. Gott hört und antwortet. Er aber antwortet auf seine Weise und in seiner selbst gewählten Zeit, er wird aber antworten. Das Leben der Gemeinde gründet sich auf Vertrauen: die Erntezeit kommt, das Leben ist nicht umsonst.
4. Der Brief an die Philipper ist also auch an die Bischöfe und Diakone gerichtet. Sie machten damals die Leitung der Gemeinde aus. In der Tat ist der Anfang des Briefes an die Philipper eine von den seltenen Stellen in der Bibel, an denen die Diakone genannt werden. Auch hier sind sie keine wertlosen Arbeiter, sondern Leute in der Leitung der Gemeinde.
Es ist hervorragend, wie Paulus die Gemeinde begrüßt und ihre Leitung nennt. Die Leiter sind oft erschöpft. Sie sind von ihrer Verantwortung müde. Sie müssen immer geben, andere beraten und begleiten. Eben diesen Leuten schreibt Paulus mit guter Zuversicht, dass der, der in euch das gute Werk angefangen hat, der wird es auch vollenden.
Wenn du Dich müde und erschöpft fühlst, wenn du fühlst, dass Du in Dir keinen Funken der Hoffnung findest, eben an Dich schreibt Paulus: es geht nicht um uns sondern um Gott. In dem Brief an die Hebräer wird über den Sohn Gottesgesagt (12.2): „Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Gott ist der Anfänger und Vollender des Glaubens. Der Brief an die Philipper leitet schon in seinen ersten Strophen zum Vertrauen auf Gott in der Zeit, wo einem das Leben leer vorkommen kann.
5. Wenn einem alles leer und bedeutungslos vorkommt, dann darf man darauf bauen, dass Gott für das Wachstum sorgt. Die Zeit der Ernte kommt. Darauf kann man warten und darauf darf man vertrauen.
Prof. Dr. Esko RyökäsUniversität zu Joensuu