
Philipper 3,7-14
Jesus Lückenbüßer oder was Lochfraß verfüllt und zum guten Leben reicht | 9. S. n. Trinitatis | 17.08.25 | Phil. 3,7-14 | Markus Kreis |
Philipper 3, 7-14
7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. 8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, auf dass ich Christus gewinne 9 und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott kommt durch den Glauben. 10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden, 11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten. 12 Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin. 13 Meine Brüder und Schwestern, ich schätze mich selbst nicht so ein, dass ich’s ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, 14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.
Schietkram, hätte Paulus getextet, wenn er aus Hamburg gewesen wäre. Hört sich gleich vornehmer an als die vulgäre Entsprechung aus Süddeutschland. Was für ein Schietkram: EAT, SLEEP, CAMP, REPEAT! WORK-LIFE-BALANCE! Work hard or die trying!
So lauten gängige Schlagworte, mit denen Leute ihr Leben betiteln. Ich nehme mal an, weil das Motto ihnen Gewinn gebracht, ihr Leben verschönert oder sinnvoll gemacht hat. Leicht zu finden oder zu sehen auf Insta oder ans Auto geklebt. Halt, beinahe hab´ ich die Antinatalisten vergessen beim Aufzählen. Ihnen ist unbekannt, was das jetzt bedeutet? Ich sage ihnen die Antwort, mit Hilfe der KI von Google: Diese Leute sagen, dass Leben zwangsläufig mit Leid verbunden ist. Um dieses Leid zu vermeiden ist es besser, nicht geboren zu werden und folglich auch auf Fortpflanzung zu verzichten. Hier gilt also das Fehlen von Leid als gut, auch wenn niemand das in seinem Leben erlebt. Das Fehlen vom Gegenteil, alos das Fehlen von Lebenslust, das ist nur dann schlecht, wenn einer jemandem die vorenthält oder mit Zwang entzieht.
Sprachkrempel und, ja, Schietkram das. Oh mein Gott! Der Prediger zieht mal wieder über alles her, was den Leuten wichtig und heilig ist, typisch, gell! Andererseits heißt ein Buch und Bestseller gerade „Die Verkrempelung der Welt“. Und mit Krempel sind hier nicht nur Waren aus Stahl, Holz oder Keramik gemeint. Z.B. wird in dem Buch ein per Handy ansprechbarer Vollautomat für Latte Macchiato erwähnt. Und es zielt auch auf den wachsenden Sprachkrempel. Der taucht offenbar zwangsläufig mit dem Internet und neuer Technik auf. Und richtet ein Sprechhickhack an, Brocken des Austauschs, so anregend wie eine mit viel zu viel Pulver angerührte Erbsensuppe auf der Almhütte. Kein Wunder, dass viele wieder gerne ein richtiges Buch und die Hand nehmen und lesen.
Sprachkrempel, so ein Schietkram! Was für Paulus in seinem Leben ehemals ein Gewinn war, das lässt er in seinem Text außen vor. Er verzichtet darauf, hier etwas buchstäblich zu benennen. Work hard or die trying! Also bring unentwegt Leistung oder sterbe dabei! Wenn ich bedenke, was über sein Leben als eifriger Verfolger bekannt ist, scheint mir das noch am ehesten zu passen. Passt aber auch später zu ihm, als er Christ geworden war. Schließlich starb Paulus als Missionar und Märtyrer in Rom. Und das Eat, Sleep, Camp, Repeat? Das gab es auch in seinem Leben. Denken wir nur an seine Reisen von Stadt zu Stadt, um den christlichen Glauben zu bekämpfen. Später dann noch größer und bunter seine Erlebnisse auf Reisen, als er in die Welt zog, um den Glauben unter die Leute zu bringen. Ein stilles Vergnügen hat sogar ihn da sicher immer mal wieder ereilt. Und schließlich hat Paulus das alles so geschafft, weil ihm der Glaube Hilfe und Ausgleich im ganzen Hin und Her und Stress gewesen ist! Work life balance war ihm also auch geläufig. Kinderlos ist er auch noch gestorben. Paulus ein Antinatalist? Auf den ersten Blick schon, auf den zweiten sieht das für mich sehr fraglich aus.
Wenn ich mein Leben bedenke, kommt mir das alles ziemlich bekannt vor. Work hard or die trying. Lernen bis zum Umfallen. Ich kenne das aus Zeiten, in denen ich zum Abschluss einer Ausbildung geprüft worden bin. Die Jahre davor wiederum erlebte ich einschließlich meiner Arbeit eher wie einen Urlaub. Als immer neuen Frühsommer meines Lebens, heute hier, morgen dort, die Sonne lacht einem meistens, irgendwo findet sich immer eine Bleibe, und Brot und Wein gehen nie aus: eat, sleep, camp, repeat. Im Beruf hat sich dann irgendwann Erfolg eingestellt, ich bin im Leben angekommen, dann wiederholt sich der Kreislauf noch mal, nicht nur in den Ferien. Und so etwas wie Work Life Balance mit Betonung von Life – das bringt mir das Leben spätestens mit Verrentung und Ruhestand nahe. Und vorher erinnert der Sonntag mich daran. Das alles kommt jemals vor in einem Leben, taugt jedoch kaum als Motto für ein ganzes Leben.
Statt sich dauerhaft nach Slogans zu richten, ist mein Leben in Wahrheit verschlissen. Denn die Zeit hat mich im Griff, anstatt dass ich die Zeit im Griff habe. Ich verkenne oft, was sie so alles bringt. Erkenne einen schönen Stoff, der in Wahrheit verschlissen ist und seine Löcher umfranst. Diese Löchrigkeit gilt sogar für die Naturwissenschaft, auch wenn es da manch lückenlos erkanntes Teilgebiet gibt. Wie dem auch sei, ich mache mir mangels besserem Wissen auf den schönen Stoff einen eigenen Reim, weil ich so muss und kaum anders kann. Ich verkenne dabei das Neue, oder leugne es oder nehme es nur unbewusst wahr. Davor schützt kein Risikomanagement. Da hilft auch ChatGPT nur wenig. Denn dieses neue Zeugs bezieht sich nur auf Altes und Gegebenes. Für das Neue, das kommt, wird eine KI oder Rechenkunst kaum den richtigen Text oder Code finden. Zugegeben: Mit ihrer Hilfe kann ich sehen, welche Lücken zu bekannten Themen bei mir klaffen. Und dass ich da manche Leere besser füllen sollte. Leben und leben lernen nur auf Lücke! In Wahrheit bin ich oder bist Du zu verblendet oder zu gefühlig für die wahre Wirklichkeit! Was macht diese Idee mit ihnen, liebe Angesprochene? Was halten sie davon? Daumen hoch? Oder was für ein Quatsch! Widerstand oder Zugestehen?
Mein Plädoyer für Daumen hoch lautet: Vor Zeiten habe ich mal den Film Butterfly Effect angeschaut. Der hat mich sehr beeindruckt. So sehr, dass ich über das Erlebnis nachgedacht habe. Und dabei ist mir das mit dem Neuen und den Lücken klarer geworden. Am Anfang bringt mir der Film die Mitspieler als Akteure nahe. Und die Situation, in der diese sich befinden – damit mir vom Ausgangsort klar wird, wohin die Reise gehen kann. Doch hier gibt schon Lücken. Die entgehen mir aber, weil ich sie als Zuschauer quasi automatisch ausfülle und ergänze. Etwas ist zum Beispiel dem Sinn nach zwei- oder mehrdeutig – je nach Vorurteil oder Vorliebe mache ich es für mich halt eindeutig. Rücke es in meine Richtung. Oder im Film wird etwas Wichtiges ausgelassen statt ausdrücklich erwähnt zu werden. Das lasse ich dann einfach auf sich beruhen, aber unbewusst arbeite ich doch daran, je nach dem, worauf ich Lust habe. Oder ich ergänze es bewusst mit dem, was mir aus dem Leben im Zusammenhang bekannt ist. Oder durch das, was ich für eine gute Regel in der Sache halte. Der Filmverlauf erscheint mir zunächst also als ein Pfeil, der in einem durch gezogen ist. Später im Film sehe ich jedoch: In Wahrheit ist dessen Handlung ein gestrichelter Pfeil mit lauter Lücken. Dies Verschlissene muss wohl sein. Was halten sie jetzt von der vorhin genannten Idee? Das Verschlissene ist irgendwie notwendig. Denn wären Filme von Anfang an quasi vorhersehbar, dann würden sie langweilen. Und niemals würde Mensch sie sehen wollen. Neugier und Interesse entsteht nur dank einer Überraschung, die eine Lücke im Nachgang klar macht – indem sie diese anders als erwartet füllt. Und wenn ich beim Filmschauen mein Erlebnis bedenke, dann könnte ich folgendes erkennen: Welche Lücken unmerklich eingestreut waren. Und ob und wie ich sie anders als der Film ausgefüllt habe. Aber meist zerstreue ich mich mit Film gucken lieber. Außer eben bei Butterfly effect.
Im Film kann so eine Überraschung schön und gut oder böse und schrecklich sein – da bin ich nur Zuschauer statt mit dem ganzen Leben ernsthaft beteiligt. Das animiert mich zwar. Aber ernsthaft angehen tut es mich nicht – vom Glotzen als Kleinkind mal abgesehen. Im echten Leben sieht das anders aus. Darin bin und kann ich beides zugleich sein – sowohl unbeteiligter Zuschauer als auch aktiv oder sehr leidend beteiligt sein. Und als aktiver oder passiver Mensch finde ich böse Überraschungen tatsächlich schrecklich und leide und verzweifle. Und gute Überraschungen finde ich wirklich schön, sie wecken meine Lebenslust und freuen mich sehr. Manchmal stecke ich mit meinem Leben mittendrin und auch dazwischen, in der Zwickmühle nämlich. Weiß dann gar nicht, wie mir ist und wie es weiter gehen soll. Schaue nach Ausweg und Hilfe, ohne was zu finden.
Liebe und mach´ was du willst! Das hat ein gar nicht so dummer Augustin als Ausweg für ein Dilemma genannt. Was heißt das hier für Paulus? Im Vertrauen auf Christus die eigene Verschlissenheit erkennen und damit gut leben – das ist laut Paulus die einzig echte Goldplombe. Alles andere taugt kaum oder schließt bestenfalls nur vorläufig Leere und Lücke. Glauben, dass Jesus gestorben ist und auferstanden. Das füllt in Echt eine Lücke, die der Zahn der Zeit aufbricht und öffnet, mit Neuem aus Gott nämlich. Wenn ich in diesem Zutrauen lebe, dann ist zu spüren: Ich werde den Ansprüchen von Welt und Mitmensch aktiv oder leidend gerecht. Dann fühle ich mich vor Gott gerecht, dann kann ich ich sein. Egal ob ich mich beim Work hard or die tryin als Sieger oder Verlierer oder Mitläufer sehe. Egal ob meine Work-Life-Balance erschüttert oder wohl gewogen ist. Und auch gleich, ob mir das Repeat beim Eat, Camp, Sleep eine Last geworden ist oder eine Lust bleibt. So kann ich zum einen gut in der Welt handeln. Und gerne zum anderen geschehen lassen, worauf ich null Einfluß habe. Denn ich ahne, dass eine Lücke nicht das Nichts bedeutet, sondern neues Leben aus Gott. Auch für die Leere, die mir Leid, Sterben und Tod anzeigen.
Jesus ist der Lückenbüßer! Hört sich an, als ob ich schmähen wolle. Doch Jesus ist das gerne und er es ist in Wahrheit. Hat er doch am Kreuz für mich sichtbar gemacht, dass ich Lücken der Wirklichkeit verkenne, übersehe, verleugne oder nur unbewusst wahrnehme. Dass vor allem Gott mir zu Unrecht erscheint, als ob im Himmel nur Leere und Lücke wäre. Hat Gott doch dank Jesu Tod das Nichts des Himmels mit seiner Liebe gefüllt und verwandelt. Das reicht mich vom Vergehen weg hin zum Entstehen. Jesus Lückenbüßer ist unterwegs und kommt. Zu mir, zu ihnen, zu allen Menschen. Amen.
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Markus Kreis
W. v. Siemens Schule
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