
Predigt zu Johannes 1
4. Advent, 18.12.2016 | Predigt zu Johannes 1 | verfasst von Christian Grund Sørensen |
„Ich bin einer, die Stimme eines Predigers in der Wüste.“
Das sind die Worte Johannes des Täufers über sich selbst.
Ich bin einer. Nicht ein Zufälliger. Nicht einer, der sich aus eigenem Antrieb hinstellt, als stünde er auf einem Bierkaste, um Beifall einzuheimsen und likes und Fortschritt und Ratings.
Ich bin einer. Wie ein Nachklang der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Gott, Jahwe, eine Bedeutung, die in sich das große Mysterium enthält, dass der Name Gottes „Ich bin“ heißt. Ein Rätsel, das die grundlegende Aussage enthält, dass Gott ist und immer sein wird – und war, ehe etwas existierte – innerhalb wie außerhalb von Zeit und Raum.
Und ist. In unseren Leben 2016 und 17 und darüber hinaus.
Ich bin einer. Ein Mensch. Durch und durch Fleisch und Blut. Sohn von Elisabeth und Zacharias. Zacharias, der stumm wurde durch die Erfahrung, dass selbst in einer Zeit vor der Fertilitätsbehandlung kleine Wunder geschehen können.
Einer. Ein Mensch. Ein Individuum. Eine Person. Ein selbständiger, herzerweichender, fehlbarer und vollendeter Mensch. Unter den von Frauen geborenen ist keiner größer als Johannes, sagte Jesus. Aber später sagt Johannes: Er muss wachsen, aber ich muss abnehmen.
Ich bin einer. Ein Mensch. Hier handelt es sich nicht um Gott. Und dennoch. Hören wir nicht die Stimme Gottes durch Johannes? Vielleicht ist sein menschliches Gemüt manchmal etwas versandet, wenn das gewichtige Scheltwort Otterngezücht im Spiel ist. Ist Johannes Feuer und Initiative von Gott oder von ihm selbst?
Oder sind die harten Worte von Gott? Vielleicht haben wir sie nötig?
„Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten“, heißt es beim Propheten Jesaja. Ein Erlebnis, dass die gute Botschaft Gottes gehört wird, mit Freuden gehört wird. „die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König“.
Das Leben ist nicht erbarmungslos zufällig, und wir sind nicht allein.
Einer. Nur ein Mensch wie du und ich. Hier in der Kirche und vor der Kirche.
Ich bin einer, der ruft.
Johannes ruft, denn es ist wichtig. Wo sich Jesaja damit begnügen konnte zu schreiben und zu reden, muss Johannes uns in die Ohren schreien. Denn „die Axt liegt am Fuße des Baumes“.
Der Ruf ist ein Laut, der notwendig ist, um durchzudringen und die Kakophonie und den Lärm des Daseins zu übertönen.
Schallwellen, stark genug, um die Normalität des Alltags zu sprengen und sich die Aufmerksamkeit zu erzwingen in der Welt, die heute von vielen Forschern ein Geschäft der Aufmerksamkeit genannt wird, denn alle wollen unsere Aufmerksamkeit – aber wir haben sie nur wenig.
Sie waren wohl damals so wie wir. Voll von Freude und Trauer, Plänen und Sorgen, Projekten und Worten. Aber Johannes muss rufen. Anstößig, um gehört zu werden.
Denn „das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen“, heißt es im ersten Kapitel des Evangeliums seines Namensvetters.
Johannes der Täufer ruft aus der Finsternis und in die Finsternis.
„Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der Herr nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und rühmet miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes“, schreibt Jesaja.
Ich bin der, der in der Wüste ruft.
Ist das nicht ein merkwürdiger Ort zum Rufen? Hätte Johannes nicht wie Jesus den Tempelvorhof in Jerusalem wählen sollen, das Boot des Petrus am See Genezareth oder Facebook?
In der Wüste rufen heißt ja seine Stimme vergeuden. Oder nicht? Denn wenn da nur einer in der Wildnis ist, der es hört, ist es dann vergeblich? Und ist ja jemand, der die Wüste aufsucht, um zu hören?
Moses und die Israeliten waren 40 Jahre in der Wüste, um zu lernen, wie man zuhört. Jesus war 40 Tage in der Wüste, um seiner Berufung nachzukommen. Paulus war drei Jahre in der Wüste, um einen Weg zu finden nach seiner Begegnung mit dem Auferstandenen.
Vielleicht ist die Wüste eine Pause, das time out, das uns in unserer spätmodernen Wirklichkeit fehlt?
Vielleicht ist die Wüste in deinem und meinem Leben? Dort, wo wir nicht auf grünen Wiesen und an stillen Wassern liegen, wie es im Psalm 23 heißt. Dort, wo der Weg staubig ist und steinig und unwegsam und hoffnungslos. Und doch ist da vielleicht Hoffnung, denn da ist einer, der in der Wüste ruft.
Vielleicht ruft er nach dir in der Wüste deines Lebens.
In er Kirche rufen wir meist hinter Mauern. Wir predigen für die schon Bekehrten in komfortabler und stilvoller Umgebung.
Haben wir in der Kirche vielleicht einen Johannes-Beruf? Nicht reden, flüstern oder schweigen, sondern in die Wüste der postchristlichen Welt hinein zu rufen, dass da Wasser ist und Leben?
Die Quelle, aus der Wasser zum ewigen Leben springt. Jesus Christus.
Ich bin einer, der in der Wüste ruft.
Denn die in der Wüste waren nicht vergessen. Und manchmal müssen wir hinaus in die Wüste, um zu hören.
Heute zünden wir das vierte Adventslicht an. Für einen, der in der Wildnis ruft. Für die willkommene und die unwillkommene Wahrheit.
Da ist einer.
Da ist einer der ruft.
Da ist einer der in der Wüste ruft.
Da ist einer, der von Jesus Christus ruft. Möge das auch hier geschehen.
Amen.