Lukas 24,44–53

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Konfirmationspredigt | Christi Himmelfahrt | 29. Mai 2003 | Lk 24,44–53 | Jørgen Demant |

Die meisten von uns kennen den Ausdruck,
man ist „im siebten Himmel“.

Besseres kann man sich nicht wünschen. Im siebten Himmel sein
heißt, sich in einem Zustand der Verrückung befinden. Man
ist sich selbst entrückt. Aus einer Wirklichkeit, die einengt, einschnürt,
zu kurz wird. Man ist in eine andere Welt versetzt, wo sich alles ausweitet
wie eine Unendlichkeit von Glück, wie eine Ewigkeit von Zeit, wie
wenn das Gute ewig währt.

Vielleicht fühlt sich der eine oder andere heute so, weil man
vor Freude darüber strahlen darf, im Mittelpunkt zu stehen, Gegenstand
der Freude, Bewunderung und der Dankbarkeit anderer zu sein. Vielleicht
werden andere das erst später empfinden, wenn man sich zu Tische
gesetzt und ein paar Gläser Wein getrunken hat und sich im Schoß der
Familie oder unter Freunden wohlfühlt. Das heißt im siebten
Himmel sein.

Im siebten Himmel sein heißt die vorbehaltlose Freude des Lebens,
die Schönheit des Lebens, die Barmherzigkeit des Lebens spüren.

Wenn ich vom Zustand des siebten Himmels rede, dann nicht nur, weil
er sich heute im Laufe des Tages einstellen könnte, sondern vor
allem deshalb, weil wir heute den Himmelfahrtstag feiern. Wir haben die
Erzählung vom Abschied Jesu von seinen Jüngern und von seiner
Himmelfahrt gehört. Die Lebensgeschichte Jesu ist sozusagen fertig
mit der Himmelfahrt. Jedenfalls die irdische Lebensgeschichte. Die Geschichte,
die Weihnachten begann, als er in einem Stall in Bethlehem geboren wurde.
Man nannte ihn den himmlischen Königssohn. Was für die Welt
gut ist, kommt vom Himmel. Von Weihnachten bis Ostern hören wir
dann die Geschichte von seinem Leben auf Erden. Wer er war, was er tat,
wie er starb und auferstand. Aber hier kann die Geschichte nicht enden.
Der himmlische Königssohn muß sozusagen dorthin zurückkehren,
wo er herkommt: in den Himmel. Das feiern wir heute.

Der Ring schließt sich. Heute bekennen die Konfirmanden diesen
für uns irdische Menschen so merkwürdigen Tag mit den Worten:
aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen
Vaters. Der Ring schließt sich. Aber bedeutet das auch: Nun hat
der Himmel seine Lebensgeschichte gezeigt, und nun ist die Tür zum
Himmel wieder zu? Er zeigte sich 33 Jahre lang vor ein paar Tausend Jahren,
an einem Ort im mittleren Osten. Das ist ja eine interessante Geschichte.
Für Historiker, die von einem palästinensichen Volk im römischen
Reich erzählen wollen. Für Archäologen, die den Ort finden
wollen, wo Jesus zum Himmel fuhr. Für Gesellschaftswissenschaftler,
die das Verhältnis zwischen Palästinensern und Juden erforschen
wollen. Es gibt Leute, die so denken.

Aber wir sitzen hier heute weder als Historiker, Archäologen noch
als Gesellschaftswissenschaftler, um von dieser Lebensgeschichte zu hören,
deren Ring sich an Himmelfahrt geschlossen hat. Wir sitzen hier wohl,
weil diese Lebensgeschichte auch aus dem Abstand von 2000 Jahren zu unseren
Herzen spricht. Wir sitzen hier wohl, weil Ihr als Eltern euch dazu bekennt,
daß ihr mit dieser Lebensgeschichte verbunden seid. Deshalb habt
ihr eure Kinder taufen lassen. Diese Geschichte gehört mit zu unserer
Geschichte. Zu unserer Kultur, unserer Tradition, unseren Werten.

Wir sitzen hier wohl, weil wir den Wunsch der Konfirmanden respektieren,
sich zu dieser Lebensgeschichte zu bekennen, weil sie je in ihrer Weise
vielleicht fühlen, daß sie sich in dieser Geschichte wiederfinden
können.

Und das können wir nur, weil die Lebensgeschichte Jesu einen Abschluß hat,
der Himmelfahrt heißt. Daß seine Lebensgeschichte nicht nur
mit einem Land verbunden ist, das etwa so groß ist wie Jütland,
sondern mit der ganzen Welt. Aufgefahren in den Himmel, sitzend zur Rechten
Gottes, des allmächtigen Vaters – so kann diese Lebensgeschichte über
die ganze Erde leuchten. Sie kann überall sein – von Jerusalem bis
nach Svalbard, von Tokio bis nach Paris.

Sitzend im Himmel – so können wir nun immer selbst in den siebten
Himmel kommen, oder auf einer rosa Wolke sitzen. Das tun wir u.a. im
Gebet – wo wir beten: Gib uns den Himmel. Gib uns deinen Segen. Denn
Christus ist dort zusammen mit Gott. Er kann seinen siebten Himmel hier
als Zeichen des siebten Himmels herbringen: im Evangelium, das wir hören,
durch die Taufe, durch die Konfirmation, die Hochzeit, bei der Beerdigung.
Bei solchen Anlässen merken wir, daß Erde und Himmel einander
nahe gekommen sind. Daß unsere Lebensgeschichte mit der Lebensgeschichte
Jesu zusammengebracht wird. Die irdische Lebensgeschichte Jesu wurde
in den Himmel eingeschrieben als Geschichte Gottes – und deshalb können
wir uns in ihr wiederfinden.

Diese Begegnung zwischen Himmel und Erde nennen wir einen Segen. Als
Jesus die Erde verließ, segnete er die Jünger. Und dieser
Segen ist eines der wichtigsten Zeichen der Gegenwart Gottes unter uns
geworden.

Und wie gesagt, wir werden nun das ganze Leben lang gesegnet: Es beginnt
mit der Taufe, wo Gott uns als Kinder segnet. Was ist das für ein
siebter Himmel, in den das Kind durch die Taufe kommt? Daß man
Gott seinen Vater nennen darf! Wer kennt nicht das Glück, mit seinem
Vater oder auch seiner Mutter zusammensein zu dürfen, die Geborgenheit
zu merken, wenn die Eltern da sind und man mit ihnen zusammen ist: Man
fühlt sich zuhause, wird von Armen der Geborgenheit getragen, wird
auf dem Weg begleitet und merkt eine große warme Hand, die einen
hält. Man sitzt auf der Schulter, hat Aussicht über die ganze
Welt und denkt: Ja, das ist meine Welt, wie groß und schön
ist sie! Das ist der Segen Nr. 1.

Im Segen Nr. 2 sind wir schon mitten drin, oder im Auftakt zu ihm.
Gleich kommen die Konfirmanden zum Altar, sprechen das Glaubensbekenntnis,
werden gesegnet mit den Worten: Gott stärke deinen Glauben und gebe
dir Hoffnung. Wir beten darum, daß ihr nun so sehr an das Leben
und seine Möglichkeiten glaubt, daß ihr es wagt, den eigenen
Weg zu gehen. Daß die Hoffnung auf den Reichtum und die Schönheit
des Lebens euch nicht genommen wird. Bei der Konfirmation gesegnet werden
heißt, daß man an der Verheißung Gottes von einer hellen
und offenen Zukunft festhalten kann.

Gesegnet werden heißt begleitet werden auf dem Weg. Eines Tages
trefft ihr vielleicht den, der euch begleiten kann, bis daß der
Tod euch scheidet. Bei der Hochzeit erbeten wir den Segen über den Übergang
im Leben, wo wir aus einem Leben allein übergehen zu einem Leben
zu zweit. Ein Segen, den man mit Leib und Seele spürt: Zwei Verliebte,
die Hand in Hand ihren Weg gehen. Zwei Körper, die einander schützen.
Daß man miteinander verbunden ist in einer Schicksalsgemeinschaft
um Kinder, Familie, Arbeit. Mit all dem, was das bedeutet an hellen und
guten Tagen – und all den Tagen, wo man am liebsten von allem weglaufen
möchte.

Der Segen in einer Partnerschaft kommt nicht immer von der Liebe, die
man hat, sondern daher, daß man sie gemeinsam kennenlernt. Romantische
Liebe, auf einer rosa Wolke schweben – das erlebt man, aber man lebt
nicht davon. Man lebt von der Liebe, die tiefer wird und wächst.
Die Liebe, die man kennenlernt durch das gelebte Leben. Bis der Tod einen
Trennstrich zieht durch der Liebe, die so viel Segen brachte, daß man
sich gar kein Leben ohne den anderen vorstellen konnte, die Liebe wird
verwandelt in die Trauer der Liebe, die ja gerade daher kommt, daß man
sehr geliebt hat.

Wir feiern die Himmelfahrt Christi, um uns gemeinsam an die Segnungen
unseres Lebens zu erinnern. Christus segnet uns vom siebten Himmel. Er
läßt seine Sonne und seinen Himmel leuchten über uns
mit Gnade, Liebe und Barmherzigkeit. Amen


Pfarrer Jørgen Demant
Hjortekærsvej 74
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Tel.: ++ 45 – 45 88 40 75
email: j.demant@wanadoo.dk